Verbal-(l)-Artisten

Nichts fürchten Profifußballer mehr als die dritte Halbzeit am Mikrophon. Wenn das Adrenalin in den Beinen noch nachwabert und die Großhirnrinde leichtfertig vergebenen Chancen hinterher trauert, schlägt die Stunde der Fußball-Poeten. Dann verdribbelt sich so mancher Balltreter im weitverzweigten Gestrüpp der deutschen Sprache. Der Dichterfürst unter den Verbal-(l)-Artisten war zweifellos Andreas Möller. Angesprochen auf seinen bevorstehenden Wechsel ins europäische Ausland, irrlichterte die kickende Heulboje quer durch Europa und diktierte den verdutzten Reportern in die Blöcke: „Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!“ Nur Lothar Matthäus („My English is not very good, my German is better“) konnte annähernd mit seinem Intimfeind mithalten. Bei seiner Antrittpressekonferenz in New York radebrechte er in kaum mehr dem indogermanischen Sprachenkreis zuzuordnendem Englisch: "I hope we have a little bit lucky and can win the American Championship.“ Mit traumwandlerischer Sicherheit gelangen dem gelernten Raumausstatter etliche verbale Flachpässe aus der Tiefe des sinnfreien Raumes. Kritik an seinen rudimentären Englisch-Kenntnissen grätschte der wortgewaltige Franke stets souverän ab: "Jeder, der mich kennt und der mich reden gehört hat, weiß genau, dass ich bald Englisch in sechs oder auch schon in vier Wochen so gut spreche und Interviews geben kann, die jeder Deutsche versteht." Und mit seiner Durchhalteparole „I look not back, I look in front“ komponierte er die Hartz IV-Hymne für Peter-Zwegat-Geschädigte. Zurück schaute dagegen Nordirlands Fußball-Ikone George Best. Das lakonische Fazit seiner Karriere: „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst.“ Ein Ehrenplatz in der „Hall of Fame“ gebührt auch dem dunkelhäutigen Abwehrrecken Anthony Baffoe, der seinem weißen Gegenspieler politisch herrlich unkorrekt anbot: „Du kannst auf meiner Plantage arbeiten.“ Doch was wäre eine Aufzählung ohne Berti Vogts. Seine stärkste Szene hatte der erhabene Fußball-Philosoph aus Korschenbroich in einem Tatort („Gib dem Kaninchen eine Möhre extra – es hat uns das Leben gerettet“). Von da an ging’s rhetorisch bergab. Kein moderner Beziehungsratgeber dürfte ohne sein unsterbliches Bonmot auskommen: „Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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