Vertrauen verspielt
Offener Brief an Matthias Miersch, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

- hochgeladen von Wolfgang Decius
Sehr geehrter Herr Miersch,
mit großem Unverständnis und tiefer Enttäuschung nehme ich die Entscheidung der Bundesregierung zur Kenntnis, die im Koalitionsvertrag versprochene Senkung der Stromsteuer für private Haushalte auszusetzen.
Die Entlastung der Bürger bei den Energiekosten war eines der zentralen Versprechen im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Es hieß, dass es keine Abkehr davon geben dürfe, da der Vertrauensverlust immens wäre. Genau dieser Vertrauensverlust ist nun eingetreten.
Sie begründen die Entscheidung mit Haushaltszwängen und verweisen auf den Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag. Doch die hohen Energiepreise belasten die Haushalte bereits jetzt massiv. Viele Menschen, die fest mit dieser Entlastung gerechnet haben, stehen jetzt vor weiteren finanziellen Herausforderungen. Das Versprechen, das Leben der Menschen zu verbessern, scheint in den Hintergrund getreten zu sein.
Dieses Vorgehen empfinde ich als wortbrüchig und als eine herbe Enttäuschung für all jene, die ihr Vertrauen in die Versprechen der Koalition gesetzt haben. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Politik ohnehin schon auf dem Prüfstand steht, sind solche Entscheidungen verheerend.
Seien Sie versichert, dass nicht nur ich bei den kommenden Wahlen an diese verlogenen Absprachen denken werde. Ein Versprechen, das nur unter Vorbehalt gilt, ist kein Versprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Decius
31832 Springe
Bürgerreporter:in:Wolfgang Decius aus Springe |
Sehr geehrter Herr Decius,
ich verstehe, dass aufgrund der Diskussionen aktuell Ärger und Fragen aufkommen. Hier wird deutlich, wie ein Thema auch medial gesetzt wird und sich dadurch eine bestimmte Erzählung entwickelt. Auch ich frage mich, wie künftig erklärt und besser kommuniziert werden muss, um entsprechende Vorkommnisse zukünftig zu vermeiden. In der Sache selbst möchte ich auf einige Dinge hinweisen:
1. Alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag haben wir unter den sogenannten Finanzierungsvorbehalt gestellt. Mir ist bewusst, dass diese Begründung nicht einfach zu verstehen ist, warum wir z.B. bei der Stromsteuer erst einmal das produzierende Gewerbe durch die Senkung fördern, die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht. Es steht leider nur ein bestimmter Geldbetrag zur Verfügung, sodass diese Abwägungsentscheidungen zu treffen sind, obwohl wir im Koalitionsvertrag die Stromsteuersenkung für alle als Ziel erklärt haben. Es findet sich aber eben auch der Finanzierungsvorbehalt. Die Sicherung von Arbeitsplätzen war hier das entscheidende Argument.
2. In der Diskussion geht unter, dass wir die Bürgerinnen und Bürger bei den Energiepreisen sehr wohl entlasten. So senken wir die Netzentgelte, was für eine vierköpfige Familie eine Ersparnis von 100 Euro im Jahr ausmacht. Darüber hinaus entfällt die Gasspeicherumlage, was bei den Betroffenen auch noch einmal eine Reduktion von ca. 60 Euro bedeutet. Die Stromsteuersenkung würde eine weitere Ersparnis von ca. 80 Euro im Jahr bedeuten. Diese Ersparnis pro Haushalt bei der Stromsteuer würde insgesamt ein Volumen für den Staat von ca. 5,4 Milliarden Euro bedeuten. Diese Summe ist aktuell nicht verfügbar, ohne dass in anderen Bereichen genommen werden müsste. Deshalb hat sich die Koalition dazu entschlossen, es in einem ersten Schritt bei der Senkung der Netzentgelte und der Aufhebung der Gasspeicherumlage zu belassen, was für den Saat eine Belastung von ca. 10 Milliarden Euro bedeutet. Selbstverständlich ist das Ziel weiterhin, die Stromsteuer für alle zu senken. Weshalb ich auf Punkt 3 hinweisen will.
3. Wir haben in diesem Haushalt zahlreiche Vorhaben, die vor allem der Wirtschaft Stabilität geben sollen. So haben wir im Deutschen Bundestag den sogenannten Investitions-Booster beschlossen, der Unternehmen Anreize geben soll, in Deutschland zu investieren. Gleichzeitig haben wir das Sondervermögen, das nicht Gegenstand des allgemeinen Hausaltes ist, sondern für Investitionen in die Infrastruktur etc. ausgegeben werden soll. Nicht nur die Experten versprechen sich davon, dass wir ein Wirtschaftswachstum erzeugen, welches dem Staat dann auch weitere Einnahmen gibt, um die Ziele des Koalitionsvertrages (u. a. Senkung der Stromsteuer) dann auch zu realisieren.
Abschließend hoffe ich, dass ich zumindest den Hintergrund etwas erörtern konnte. Seien Sie sicher, dass dieser Vorgang nicht nur mir zeigt, dass wir uns immer wieder prüfen müssen, wie man Ziele benennt, und wie die Dinge kommuniziert werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch