Waldromantik
Der ursprüngliche Wald - ein Mythos deutscher Romantik

Der deutsche Wald ist voller Mythen. Geprägt wird sein Bild durch die Romantik, Grimms Märchen und Stille in der Natur.
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  • Der deutsche Wald ist voller Mythen. Geprägt wird sein Bild durch die Romantik, Grimms Märchen und Stille in der Natur.
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Gerade für uns deutschsprachige Menschen als Entdecker der Romantik und als Wandervolk hatte der Wald schon immer eine ganz besondere Bedeutung. Er steht für Natürlichkeit, Einsamkeit und Stille. In diese grünen Naturgebiete kann man sich vom oft so hektischen Alltagstreiben unserer reglementierten und technisierten Welt zurückziehen. Manche nennen es Waldbaden. Einmal ohne störende Umweltgeräusche frei durchatmen können, klare und saubere Luft in die Lungen einsaugen, fernab vom Feinstaub der Städte. Zu den grünen weitverzweigten Dächern hinaufschauen und dabei, mit etwas Glück, so manches Tier beobachten. Einen Specht, der an der Baumrinde klopft, einen Mäusebussard, der auf einem Ast sitzend nach Beute lauert. Oder in den frühen Morgenstunden auf einer Lichtung vielleicht einen Hirsch, ein Wildschwein oder einen Fuchs, der auf der Pirsch ist. Man freut sich über das alles. Es tut dem eigenen Wohlbefinden gut, ist Balsam für die Seele.

Noch zu Beginn der Zeitrechnung war Germanien fast vollkommen bewaldet. Ausnahmen bildeten die Moorflächen. Doch um das siebte und achte Jahrhundert wurden immer mehr Siedlungen mit den dazugehörigen Feldflächen angelegt. Im dichten Urwaldgrün entstanden Rodungsinseln. Man erkennt es noch an den Namen vieler Dörfer, die mit Rode… beginnen oder mit …rode enden. Und da der Mensch in den immer größer werdenden Siedlungen viel Holz benötigte, für den Bau von Bauern- und später auch Fachwerkhäusern in den sich langsam entwickelnden Städten, zum Heizen, zum Kochen, zur Herstellung von Werkzeugen und auch für den Bergbau und die Verhüttung der Erze, lichtete sich der Wald immer mehr.

Und er veränderte dadurch sein Bild. Aus natürlichen Urwäldern entstanden im Laufe der Zeit durch die Holzentnahme und das Vieh, Rinder, Schweine und Ziegen, die zur Nahrungsaufnahme in den Wald getrieben wurden, zunächst lichte Hutewälder. In der Neuzeit verwandelten sie sich dann zu schnell wachsenden Wirtschaftswäldern. Und die sind es in erster Linie, die heute die Waldlandschaft prägen. Fichten-Monokulturen, in denen die Bäume häufig so eng zueinander stehen, dass kaum Licht eindringt und dass es darin kaum höheres Leben gibt. Am Boden nur einen dicken, braunen Nadelteppich ohne jeden Pflanzenbewuchs. Kiefernwälder in Reih und Glied angepflanzt, anfällig für Stürme und Insektenbefall. Oder aufgeräumte Laubbaumwälder. Der Wald muss dicht sein und er muss schnell wachsen, damit das Holz nach 30 bis 50 Jahren geerntet werden kann. Ein Wald muss Ertrag bringen, damit er Rendite abwirft. Aber das funktioniert nur auf Kosten eines natürlichen Waldes und durch Subventionen, würde es sich doch sonst nicht rechnen. So wäre es sogar sinnvoller, große Waldgebiete unbeeinflusst zu lassen, würde das doch Staat und Steuerzahler finanziell weniger belasten. Und der Natur, der biologischen Vielfalt, täte es gerade heute zurzeit des durch den Menschen verursachten großen Artensterbens gut.

Immerhin findet heute in der Forstwirtschaft, bedingt durch den Klimawandel und dadurch das Absterben riesieger Waldbereiche, ein Umdenken statt. Zu mehr Mischwald hin, zu mehr Natürlichkeit, zu mehr Lebensvielfalt. Und das wird der Natur in Zukunft besser bekommen. Sie gegen ungünstige Umweltbedingungen widerstandsfähiger machen.

Mit der Rodung der Wälder und der immer geringer werdenden Natürlichkeit sind auch viele heimischen Tierarten verschwunden und durch den Menschen ausgerottet worden. Zunächst war es der Auerochse, von dem die letzten Exemplare vor etwa 400 Jahren aus polnischen Wäldern verschwanden. Der letzte Bär im Harz wurde Ende des 17. Jahrhunderts erlegt. Wolf und Luchs überlebten in deutschen Wäldern immerhin bis ins 19. Jahrhundert. Doch dann mussten auch diese dem Menschen Platz machen und wurden ausgerottet. Und dann gibt es da noch ein großes Wildrind, das in kleinen Gruppen von etwa 20 Tieren in Wäldern lebt und das der kompletten weltweiten Ausrottung nur um Haaresbreite entgangen ist. Das ist der Wisent. Ganze 56 Wisente gab es nach dem 1. Weltkrieg noch. Heute hat sich der Bestand auf immerhin wieder 5000 Tiere erhöht. Und diese stammen alle von nur 12 Wisenten ab, die in Zoos und Tierparks überlebt haben. Ein weiteres Trauerspiel wäre es auch gewesen, wenn dieses europäische Großrind dem Auerochsen gefolgt wäre. Im Rothaargebirge dürfen sie sogar wieder in freier Natur leben.

In unserer heutigen Zeit und erst seit vielleicht ein bis zwei Jahrzehnten, hat sich die Einstellung des Menschen zur Natur wieder verändert. Es wird umgedacht. Wälder werden zwar weiterhin Nutzwälder bleiben. Doch sie sollen trotzdem natürlicher werden. Bäume sollen wieder dort wachsen dürfen, wo sie von Natur aus ihren Standort haben. So werden in Zukunft die großen Fichtenwälder, die immerhin ein Viertel unsere Waldes ausmachen, wohl weitgehendst verschwinden, wachsen sie von Natur aus doch erst in den höheren Lagen der Mittelgebirge. Sie sollen durch robustere Mischwälder ersetzt werden.

Und immer mehr Tiere werden in unseren Wäldern wieder heimisch, die der Mensch bei uns ausgerottet hatte. Das ist sehr erfreulich. So leben wieder viele Wolfsrudel auf deutschem Boden, vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar. Die gezüchteten und in die Natur freigelassenen Luchse im Harz und anderswo vermehren sich. Für Wildkatzen werden grüne Korridore geschaffen, die Naturschutzgebiete miteinander verbinden. Auch Adler, die keine Babys aus dem im Garten stehenden Kinderwagen holen, wie es früher erzählt wurde, gibt es in manchen Gebieten wieder.

Natürlich ist nicht jeder begeistert von diesen Veränderungen in der Natur. Wölfe reißen auch Schafe. Luchse machen das Wild scheu, das die Jäger schließlich vor ihre Flinten bekommen wollen. Aber dem Menschen gehen diese Großtiere aus dem Weg. Selbst der Braunbär würde es tun, der im dichtbesiedelten Deutschland natürlich nicht wieder angesiedelt werden kann. Das Beispiel der Alpen zeigt es. So leben zwischen Meran und dem Gardasee etwa 100 Braunbären. Auch in anderen Alpen- und Pyrenäenbereichen.

Für die Natur ist diese Entwicklung von großem Vorteil. Es gibt in deutschen Wäldern einen Überschuss an Rot- und Schwarzwild. So haben Luchse und Wölfe gute Chancen, ihren Bedarf an Nahrung zu decken. Und wenn sie tatsächlich ab und zu Schafe reißen, so tragisch es für den Einzelnen auch ist, so kann der Staat den Betroffenen den Schaden ersetzen. Die Natur im Ganzen sollte im Vordergrund stehen.

Immerhin ein Drittel der Fläche Deutschlands besteht aus Wald. Damit ist unser Land eines der waldreichsten Europas. Und das ist gut so, denn Wälder beeinflussen das Klima positiv, speichern Wasser und sorgen durch Verdunstung für kühlere, frische und saubere Luft. Sie nehmen große Mengen Kohlendioxid auf und produzieren daraus Sauerstoff, den wir einatmen und ohne den wir nicht leben könnten. Es sollte unser Ziel sein, deutlich mehr Gebiete als die jetzigen drei Prozent des Waldbestandes natürlich sein zu lassen, in dem sich dieser frei entfalten kann, in dem Bäume auch alt werden dürfen und Totholz liegenbleibt.

Und gerade diese Waldgebiete mit ihrer annähernden Ursprünglichkeit und ihrer großen Artenvielfalt sind es, die in uns eine Art Sehnsucht nach Ursprünglichkeit wecken, die deutsche Dichter zurzeit der Romantik in vielen Versen gepriesen haben und die in das deutsche Liedgut eingegangen sind. Wer aus der älteren Generation kennt nicht Lieder wie „In einem kühlen Grunde, da steht ein Lindenbaum“, gesungen von Richard Tauber. „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde“ hat Willy Schneider einst vorgetragen. In späterer Zeit „Mein Freund der Baum“ von Alexandra oder von den Puhdys „Alt wie ein Baum möchte ich werden“. Und in welchen Opern könnte der Deutsche Wald romantischer dargestellt werden als in „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber oder in Engelbert Humperdinks „Hänsel und Gretel“. Auch viele deutsche Maler haben  die damligen Wälder mit ihren knorrigen Bäumen in Öl auf Leinwand festgehalten. Allen voran Ludwig Richter und Caspar David Friedrich. Wenn man sich deren Gemälde anschaut, dann kann man erahnen, wie ein früher Wald ausgesehen haben mag, und dann trauert man ihm nach, diesem ursprünglichen Wald.

Und auch wenn es diesen heute kaum noch irgendwo gibt, so gibt es doch Waldgebiete, in denen es für Naturinteressierte oder für diejenigen, die einmal abschalten möchten, sei es bei einem Spaziergang oder sogar bei einer größeren Wanderung, eindrucksvolle Natur zu dentdecken gibt. Sei es im Großen einer Landschaft oder im Detail am Waldboden, wo Pilze, Käfer und andere Tiere ihren Lebensraum haben. Wenn man die Augen offen hält, kann man überall schöne Natur entdecken. Und die ist es, die ich in diesem Beitrag mit einigen Fotos vorstellen möchte. Sie zeigen, wie schön die Welt des Waldes sein kann und wie sie in größeren Bereichen sein sollte. Nicht nur der Mensch hat ein Recht auf seinen angestammten Lebensraum, sondern erst recht die Natur, die es schon lange vor uns gab und die es noch lange nach uns geben wird. Sie wird den Parasieten Mensch überdauern, wenn auch er sie vorübergehend krank macht. Und das ist irgendwie beruhigend.

Siehe auch:
- Alte und uralte Bäume in Niedersachsen
- Toter Wald im Nationalpark Harz ist kein Grund zur Sorge

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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