Kein Geld – aber nach St. Moritz zum Skifahren!
Hans Leutgäb, Ursula und Richard Hutter erinnern sich an Skifahrten vor 60 Jahren

Die Gaudi war immer mit dabei: Im Schneeloch genießt die Gruppe die Frühlingssonne und lässt sich vom Gitarrenspiler (links im Loch) begleiten. Foto: R. Hutter.
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  • Die Gaudi war immer mit dabei: Im Schneeloch genießt die Gruppe die Frühlingssonne und lässt sich vom Gitarrenspiler (links im Loch) begleiten. Foto: R. Hutter.
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„Jetzt möcht i Euch amal verzähln, wie es früher war, wenn wir mit dem Alpenverein zum Skifahren g’fahrn sind“, so begann Hans Leutgäb mit dem Mikrophon in der Hand zu erzählen. Das, was die Skihaserl im Bus auf der Rückfahrt vom 5-tägigen Skiausflug des Alpenvereins von ihm zu hören bekamen, sorgte für Erheiterung und Gelächter.
Sich groß aufspielen – das hat Folgen
Da ging es einmal nach Kitzbühel. Das war Anfang der 60-er Jahre. Die meisten Teilnehmer waren um die 20 Jahre alt. In Friedberg startete der bis auf den letzten Platz besetzte Bus bereits um 4 Uhr in der Nacht, weil alle nur ja rechtzeitig am frühen Vormittag im Skigebiet gleich mit dem Skifahren beginnen wollten. Um ½ 5 Uhr nachmittags machte der Tourenleiter der Gruppe dann Schluss mit dem Skifahren. Man wollte unbedingt in der „Tenne“ einkehren, dort, wo sich auch die Prominenten einfanden. Ohne einen Blick vorher auf die Karte zu werfen, wurden Wein, Kaffee und anderes bestellt. Doch als es an das Zahlen ging, stellte sich zum Schrecken aller heraus, dass die Preise gesalzen waren, und das Geld nicht reichte. Doch Bergkameraden helfen einander. Man legte alles Geld zusammen. Einer hatte danach überhaupt kein Geld mehr, so dass man ihm das Geld für die Skikarte am nächsten Tag leihen musste.
Es war schon stockdunkel, als man endlich von der „Tenne“ aufbrach. Eine Stunde Fußmarsch bergaufwärts lag vor ihnen. Endlich erreichte die Truppe die „Melkalm“. Sie war bewirtschaftet. Doch mit einem solch großen Andrang hatte man auf der Hütte nicht gerechnet. So reichten die Schlafplätze hinten und vorne nicht. Bei der Überbelegung wussten die Wirtsleute sich sogleich zu helfen und befahlen den jüngeren Burschen: „Ihr seid’s jung, ihr übernachtet‘s auf den Bänken und auf dem Tisch.“ Hans Leutgäb musste die Nacht auf dem Tisch vorlieb nehmen.
Wenn man auf eine Hütte fährt, dann soll der Wirt davon leben. So verzehrte man dort nicht mitgebrachte Brotzeit, sondern nahm das Frühstück vom Hüttenwirt.
Kein Geld – aber man fährt nach St. Moritz!
Anders war das allerdings, wenn es in ein teures Skigebiet ging. Die Fahrtteilnehmer hatten nicht das Geld, um sich dort in einer Pension einzuquartieren. Man konnte sich nur eine Jugendherberge leisten. Aber nach St. Moritz ist man trotzdem gefahren! Auch das Essen für 40 Leute wurde fix und fertig mitgenommen. Im Zieglerbräu hatte man es gekocht. Das war offenbar deshalb möglich, weil von den beiden, die das Essen zubereiteten, eine dort als Bedienung arbeitete. Der riesige Topf mit dem fertigen Sauerkraut wurde unten im Bus verstaut, und zwar so, dass er dem scharfen Auge des Grenzzolls entgehen sollte. Lebensmittel in die Schweiz einzuführen war nämlich verboten. Aber es klappte. In der Jugendherberge herrschten fürchterliche Zustände. Man musste erst einmal sauber machen. Lustig war es trotzdem, weil während der Putzaktion eine lustiger Gaudibursch aus der Gruppe in weißer Unterwäsche (langes weißes Unterhemd und lange weiße Unterhose) lauthals trällerte: „Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß…“.
In St. Moritz gab es damals schon Lifte und viele, viele Leute. Mindestens eine Stunde musste man am Lift anstehen.
Kaffee, Zigaretten, Schokolade, die damals in der Schweiz billiger waren, wurden im Skischuh und im Rucksack versteckt, damit der Zoll sie bei der Rückreise an der Schweizer Grenze nicht finden sollte. Doch dort angekommen, mussten alle aussteigen und der „Kaffeehund“ nahm seine Arbeit auf. Er sprang sogar auf die Sitze und streckte seine Pfoten hinauf zum Gepäcknetzt, wo dann die Zollbeamten den Kaffee aus den Verstecken holten. Alles wurde entdeckt, und viel Strafe und Zoll ist angefallen. Im Rückblick hatte sich der günstige Einkauf nicht gelohnt!
Hart im Nehmen
Heute sind die Pisten weit und die Ski kurz. Damals waren jedenfalls in aller Regel die Pisten schmal und die Ski lang. Richard Hutter fuhr mit 2,15 m langen Skiern Slalom. An einem jener Tage war der Schnee am Arlberg besonders harschig. Einer, der aus einem der Vororte Friedbergs stammte, stürzte sehr schwer, das Gesicht war blutig. Er fuhr dann trotzdem weiter. Ein Friedberger aus der Stadt meinte: „Die sind vom Land, die sind nicht so empfindlich.“
Wie man einen Ski wiederfindet
Stürze beim Skifahren waren normal und gehörten zum Skialltag. Einmal verlor einer beim Sturz seinen Ski. Dieser war nicht mehr auffindbar. Im Sommer fuhr der Friedberger eigens wieder in dieses Gebiet und siehe da, der verlorene Ski konnte gefunden werden.
Der findige Busfahrer Xare
1961 fuhr der Alpenverein zum Skifahren in die Schweiz mit dem neuen Hörmannbus. Um 12 Uhr in der Nacht ging es von Friedberg aus los. Der beliebte und bekannte Busfahrer Xare steuerte das erste Mal den neuen Bus. In der Nacht geschah das Malheur. Bei der Einfahrt in den Tunnel im Unterengadin blieb der Bus hängen, weil er für den Tunnel etwas zu hoch war. Alle mussten zunächst aussteigen. Xare senkte den Bus ab, ließ einen Teil einsteigen, die sich auf eine Seite setzten, so dass der Bus auf dieser Seite niedriger wurde. So kam er durch den Tunnel durch. Die übrigen passierten den Tunnel zu Fuß. Abgesehen von diesem Vorfall war das Fahren mit dem neuen Bus mit seinen bequemen Sitzen ein Luxus und kein Vergleich zu vordem.
Die Mittelsitzler mussten an der Grenze aussteigen
Wenn’s zum Skifahren ging, nahm der Bus zunächst in der Siedlung Ost (beim ehemaligen Gasthaus Stecker) die dort wartenden Skifahrer auf, fuhr dann weiter zum nächsten Halt am Marienplatz. Manche, die in der Kernstadt wohnten, liefen freiwillig in der Nacht mit ihren Skischuhen, Skiern und dem Koffer hinaus zur Siedlung Ost, obwohl der Einstieg am Marienplatz für sie näher und bequemer gewesen wäre. Man wollte unbedingt einen guten Sitzplatz im Bus ergattern, um nicht auf einem Notsitz zu landen. Damals wurden im Gang zwischen die beiden Zweiersitze kleine schmale Sitze, sog. Notsitze, eingehängt, die ohne Rückenlehne waren. Der 40-er Bus war einschließlich der acht Notsitze immer voll besetzt. Da solche Notsitze im Ausland verboten waren, wurden sie rechtzeitig vor der Grenze entfernt. Die „Mittelsitzler“ mussten zu Fuß über die Grenze laufen und durften erst anschließend wieder zusteigen.
Um diese lustigen Geschichten zu Papier zu bringen, gab es Monate später ein Treffen mit Hans Leutgäb, Richard Hutter und seiner Frau Ursula . Damals in den 60-er Jahren waren sie vielleicht gerade erst einmal 20 Jahre alt, und die damaligen Wintertourenwarte vielleicht 10 Jahre älter als sie.
Eisige Heimfahrt
Die witzigen Begebenheiten in Kitzbühel auf der „Tenne“ und auf der „Melkalm“ fanden ihre Fortsetzung bei der Heimfahrt. Es herrschte eisige Kälte von minus 20° Celsius. Die Klapptüren des Busses waren eingefroren, und die Hydraulik funktionierte nicht mehr. Auch ein Mechaniker, der unter den Skifahrern war, brachte es nicht fertig, die Bustüren zu reparieren. Was blieb anderes übrig, als mit offenen Türen heim bis nach Friedberg zu fahren! Bei der Bekleidung mit damaligen Skihosen und den dünnen Annoraks war es kein Wunder, dass alle froren wie die Schneider. Trotzdem war die Heimfahrt lustig. Und krank wurde auf dieser Fahrt niemand!

Bürgerreporter:in:

Regine Nägele

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