Ökumene
Gemeinsam unterwegs: von der Erinnerung bis zur Verantwortung

- In guter ökumenischer Gemeinschaft erleben Friedberger, was christlichen Glauben in schweren Zeiten ausmacht - und was das für unsere heutige Haltung und Verantwortung bedeutet
- hochgeladen von Dagmar Weindl
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges laden derzeit viele Veranstaltungen dazu ein, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten. Eine ganz besondere Möglichkeit, sich mit Unrecht, Bedrohung und Widerstand auseinanderzusetzen, bot die ökumenische Gemeindefahrt der evangelisch-lutherischen Gemeinde und der katholische Stadtpfarrei Sankt Jakob in Friedberg. Das Thema – christlicher Glaube in schweren Zeiten – vermittelte einen intensiven Eindruck der Historie, aber mehr noch: Als Plädoyer für Verantwortung, Mut und Solidarität wirkt das Erlebnis auch nachhaltig.
Im Fokus der fünftägigen Reise standen Dietrich Bonhoeffer und Edith Stein, zwei herausragende Persönlichkeiten, die exemplarisch für einen standhaften, tief verwurzelten christlichen Glauben in Zeiten der Verfolgung und Bedrohung stehen. Von Schlesien bis in die Oberpfalz folgten knapp 50 Evangelische und Katholische aus Friedberg ihren Spuren. Stadtpfarrer Steffen Brühl, der die Reise gemeinsam mit Monika Göppel von der evangelischen Gemeinde initiiert und hervorragend organisiert hat, wird später resümieren: „Wir haben zwei Märtyrer und auch uns untereinander besser kennengelernt und erkannt, wie wichtig es ist, sich heute diesen Themen zu stellen.“
Breslau - Geburtsort zweier Märtyrer
Geradezu ein Muss auf diesem Weg ist eine Stadtführung in Breslau, wo sowohl die Philosophin, Frauenrechtlerin, spätere Ordensfrau und Märtyrerin Edith Stein geboren wurde als auch Dietrich Bonhoeffer – evangelischer Theologe, mutiger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und herausragender Vertreter eines christlichen Glaubens, der Denken und Handeln untrennbar verband. Breslau war und ist ein bedeutendes religiöses Zentrum mit reichlicher kirchlicher Architektur und Geschichte. Rund 70 Prozent der 100 Kirchen sind katholisch, ebenso wie die Bevölkerung.
Symbole für Toleranz
Daneben bieten die schlesischen Friedenskirchen in Świdnica (Schweidnitz) und Jawor (Jauer) einen besonderen Einblick in die protestantische Religionsgeschichte. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde den schlesischen Protestanten unter strengen Auflagen erlaubt, drei Kirchen zu bauen. Zwei davon, in Schweidnitz und Jauer, sind heute noch erhalten und inzwischen UNESCO-Weltkulturerbe. Die architektonischen Meisterleistungen, aber auch der Mut und die Entschlossenheit der Protestanten lassen Besucherinnen und Besucher – gleich welcher Konfession - staunen. Innerhalb eines Jahres entstanden aus Holz, Lehm und Stroh riesige Fachwerkkonstruktionen, im Inneren prachtvoll geschmückt und ausgebaut, mit Platz für 7500 Menschen in der Schweidnitzer Kirche bzw. 5500 in Jauer. Es sind großartige Symbole des Glaubens und Friedens, Ausdruck evangelischer Identität in einer Zeit religiöser Unterdrückung und Symbole für Toleranz und Kompromissbereitschaft zwischen Konfessionen.
Aus der Geschichte lernen
Zur Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte lädt Kreisau, heute Krzyżowa, ein, wo sich der Kreisauer Kreis ab 1940 traf. Diese lose organisierte Gruppe um Helmuth James von Moltke gilt als eine der bedeutendsten zivilen Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus in Deutschland, die zudem auch über eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung nach dem Ende der NS-Herrschaft nachdachte. Heute steht der Kreisauer Kreis für einen stillen, aber tiefgründigen Widerstand aus dem Geist des Humanismus und des Glaubens – und für die Hoffnung auf ein Europa, das aus seiner Geschichte lernt. Als historischer Ort, aber auch als lebendiges Symbol für Dialog, Demokratie und Versöhnung war Kreisau mit seiner Gedenkstätte Anlass für zahlreiche Gespräche und Diskussionen unter den Friedbergern. „Wie hätten wir uns wohl verhalten, wären wir so mutig gewesen?“, fragten sich hier viele.
Mit der Besichtigung von Görlitz und Herrnhut gewinnt die Reisegruppe weitere wertvolle Eindrücke – von einer der schönsten Städte Deutschlands ebenso wie von der Herrnhuter Brüdergemeinde, einer überkonfessionell-christlichen Glaubensbewegung, der heute weltweit etwa eine Million Mitglieder angehören.
Der Austausch wirkt nachhaltig
Rund um all die historischen Orte, Sehenswürdigkeiten und viel Wissenswertes ist auf der Reise vor allem aber eins wichtig: der Austausch. Alle sind im Gespräch, unabhängig von Konfession, Alter oder Hintergrund. Die Bereitschaft sich kennenzulernen, mehr zu erfahren, zu lernen und zu verstehen ist beeindruckend. Bei diesem ökumenischen Gemeinschaftserlebnis drehen sich viele Gespräche um Glauben, Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung, auch in der Kirche – gerade nach einem Gottesdienst in Liegnitz. Darüber hinaus aber geht es vor allem um Demokratie und Verantwortung, Engagement und Mut, und unsere heutige Haltung dazu. Das wird noch lange wirken und der Stadtgesellschaft zugutekommen. „Wir haben hier eine gute Gemeinschaft erlebt, das ist auch gut für Friedberg“, fasst Doris Lojewsky ihre Eindrücke zusammen. „Natürlich ist das Konzentrationslager ein harter Abschluss, aber es ist wichtig, sich zu erinnern, damit wir dafür einstehen, dass das nicht wieder passieren kann – für uns und für die nachfolgenden Generationen.“
Ein Mahnmal für heutige Veranwortung
Tatsächlich ist der Besuch der Gedenkstätte KZ Flossenbürg in der Oberpfalz ein schwerer Brocken für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Reisegruppe. Rund 100.000 Häftlinge aus 30 Nationen waren dort inhaftiert, mehr als 30.000 davon starben an den Bedingungen des Arbeitslagers oder wurden ermordet. Auch Dietrich Bonhoeffer. Heute thematisiert die Bildungs- und Erinnerungsstätte das Schicksal der Häftlinge, die Struktur des Lagers, die Verstrickung der deutschen Gesellschaft, den Handlungsspielraum der Menschen im System sowie das Nachkriegsvergessen.
Die Friedberger Besucher sind sehr betroffen. „Es ist grausam zu sehen, was Menschen anderen Menschen angetan haben“, beschreibt Monika Göppel die erschreckenden Eindrücke. „Umso mehr muss es uns am Herzen liegen, dass es das nie wieder geben darf. Ich bin sehr froh, dass wir auf unserer Reise so intensiv von Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer gehört haben. Dieses Bewusstsein, das Erinnern und Gedenken ist für uns alle wichtig.“
Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist nicht einfach, doch die einfühlsamen Führungen, die vertiefenden Gespräche in der guten ökumenischen Gemeinschaft der Reisegruppe, eine gemeinsame Andacht und vielleicht auch der strahlende Sonnenschein als symbolischen Hoffnungsschimmer halfen dabei, das Erlebte gut verarbeiten. Die Standhaftigkeit vieler Menschen angesichts von Verfolgung und Tod beeindruckt tief und wirkt nach. Flossenbürg ist ein Mahnmal für heutige Verantwortung - das abschließende auf einer Reise, die das Bewusstsein für den Wert unserer Demokratie, Solidarität und Gemeinschaft ganz wesentlich geprägt hat.
myheimat-Team:Dagmar Weindl aus Friedberg |
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