Warum die Männer so faul sind.

Michelangelo: Erschaffung Evas (Sixtina)

Werte Freundin!

Du schreibst mir, dass Dein geliebter Mann, seit er nun in Rente gegangen ist, von morgens bis abends nur mehr vor dem Fernseher herumlümmelt, während des Tags kaum mehr etwas unternimmt, nicht im Haushalt hilft, aber abends, wenn es auch für Dich etwas gemütlicher wird, von einem Verein zum anderen, oder von einer Veranstaltung zur anderen flüchtet. Auch seine gleichaltrigen Freunde trifft er in geschlossener Gesellschaft fast schon regelmäßig jeden zweiten Tag in der Kneipe um die Ecke. Kaum willst Du ihn einmal begleiten, kontert er missmutig: Das ist doch nix für Frauen!
Und doch erzählt er Dir dann nachher haarklein, wer von seinen Freunden wieder was gemacht hat, wer welche tolle Nobelkutsche gekauft, wer mit dem Verkauf von wertlosem Ackerland das beste Schnäppchen gemacht hätte und welcher Fussballverein mit welchem Torvorsprung in die nächst höhere Liga aufrücken würde. Als ob Dich das interessieren würde! Kommt er dann auch noch mit Stolz geschwellter Brust nach Hause, weil er in der Skatrunde zwanzig Euro gewonnen hat und dafür aber den ganzen Nachmittag und Abend in der Kneipe saß und dort allein schon wieder mindestens das Gleiche auf seinen Bierdeckel vermerkt bekam, so überlegst Du dir schon, ob er nicht besser in dieser Zeit den Ausguss in der Küche reparieren hätte können und damit Handwerkerkosten in Höhe von mindestens achtzig Euro eingespart wären.
Werte Freundin! Dein Leid trifft mich schwer, aber ich befürchte aus ganzer Überzeugung: Wir Männer sind in der Folge langer Evolution und durch intensive Ausnutzung von Lebensvorteilen abgrundtief faul geworden, obwohl wir immer nach Superlativen streben und auch manchmal Bemerkenswertes erreichen. Du fragst mich, warum ich davon so überzeugt bin?

Erlaube mir, meine Liebe, dass ich Dich zunächst bis in die Gesellschaftsformen der Vorgeschichte entführe. Als Jäger und Sammler waren die Menschen wie man das auch im Tierreich sehen kann, mit Sicherheit gleichberechtigt, da nur in der gemeinsamen Aktion des Jagens im Umzingeln von allen Seiten, die Beute an der Flucht gehindert werden konnte.
Beim Sammeln und Ausgraben von Wurzeln, Früchten und Samen lebte man dagegen weitgehend von der Hand in den Mund und jeder war sich selbst der Nächste.

Die Jagd verlangte dagegen soziale Disziplin und gemeinsame Planung. Da das Fleisch mit unseren auf Pflanzennahrung hin konzipierten Kauwerkzeugen aber kaum roh gegessen werden konnte, mussten Männer wie Frauen in einem weiteren sozialen Planungsablauf ihr individuelles Bedürfnis zum sofortigen Verschlingen der Nahrung bezwingen und das Feuer oder den Erdofen zum Kochen des Fleisches ja erst einmal herrichten. War das Fleisch dann gar und weich genug für die Zähne , konnte gemeinsam gespeist werden.
Da auch Gekochtes nicht lange hält, musste oft bereits während des Herrichtens von Feuerstelle und der Nahrungsaufbereitung wohl oft auch wieder weiter gejagt werden, da ja auch der Jagderfolg ein Weilchen auf sich warten ließ. Geschlechterspezifische Arbeitsteilung bot sich an. Frauen mit zu säugenden Kleinkindern sind sicher langsamer als Männer, vielleicht in der Statur auch nicht so kräftig. Rollenverhalten war vorprogrammiert.

In früher matriarchaler Gesellschaft mit geplantem Feldbau neben der Jagd regelten vermutlich mehrere erfahrene Frauen das Leben der Dorfgemeinschaft. Die Männer liefen wilden oder domestizierten Tieren hinterher. Bei der Jagd und beim Einfangen gezähmter Tiere gab es Erfolg und daraus resultierende Anerkennung nur bei besonderer Höchstleistung für den kurzen Moment des Sprints oder des Kampfes.

Wie mir scheint, war dagegen in der Gruppe der Frauen, Anerkennung mehr durch soziale Verantwortung und Verlässlichkeit zu bekommen. Während sich durch die Aufgabenteilung vordergründig eine Gleichberechtigung ergab, waren die Frauen der Frühzeit und sind auch die Frauen in den einfacheren Agrarkulturen aber mit Kinderversorgung, Kochen und Haushaltung verpflichtend von morgend bis abends gebunden, während die Männer, sowohl bei der Jagd Pausen zum Ratschen und Schlafen machen konnten, wie auch bei der Viehhaltung, wenn die Tiere abendlich im Gatter zusammen waren, weitgehend von jeder aktiven Verpflichtung befreit, zusammensitzen, reden und abwarten konnten.

Frauen müssen sich trotz ihrer Kinder mit Tragetuch und Kindertrage am Feldbau beteiligen, Männer "können" nicht von der Herde fort, diese auch nicht mitnehmen, da die Tiere sonst ja das Gemüse fressen. Männer müssen bei der Herde bleiben, aber sie können aus dem gemeinsamen Zeitverteib auch einen gesellschaftlichen oder gar politischen Nutzen vortäuschen, wenn sie sich dort über angeblich dringliche Belange unterhalten.

Alle waren so wohl den damaligen Verhältnissen nach trotzdem eigentlich gut aufgehoben und die ersten großen Ansiedlungen entstanden aus der Planwirtschaft, der handwerklichen Spezialisierung und dem daraus resultierenden Handel heraus. Blühende Gesellschaften, wie im fruchtbaren Halbmond, im Becken des Schwarzen Meeres und die Donau hinauf entstanden in der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit hinein.

Zwei Katastrophen beendeten die Idylle: Beben, Vulkanausbrüche und Flutwellen zerstörten große Kulturen im Mittelmeer, der aufgebrochene Gebirgswall am Bosporus lies die dichtbesiedelte fruchtbare Ebene am Grunde des späteren Schwarzen Meeres mit Mittelmeerwasser voll laufen.

Die viehzüchtenden Völker im Süden Russlands, bei denen ja die Arbeit der Männer jetzt wichtigste Ernährungsquelle war und eine patriarchale Herrschaft legitimierte, weiteten Ihre Raubzüge aus und überfluteten als indoeuropäische Wanderung um 2000 vor der Zeitrechnung die matriarchalen, von klugen Frauen regierten, Gemeinschaften.

Beide Gesellschaftsformen lernen voneinander, kulturelle Strukturen fliesen vor allem aus den Getreide anbauenden Gesellschaften ein, politische Strukturen mit der Expansion und Ernährung durch Raub und Plünderung und der Dominanz der Männer durch die Indoeuropäer mit ein.
Waren die Ackerbaukulturen unter der Leitung von mehreren Frauen eher demokratisch organisiert, so bringen die Viehzüchter eine unter einem Anführer agierende und in der Eroberung schnell beschlussfähige Gesellschaftsstruktur auf die Weltbühne , die sich dann natürlich auch in der Umgestaltung des Götterhimmmels unter einen einzigen kräftigen und meist gewaltsamen Gott wiederspiegelt: Shiwa, Mitras, Zeus, Aton, Jahwe, Allah.

In besonderem Masse autoritär wird aus der Definition des männlichen alleinigen Gottes quasi zum Alleinherrscher auch die Rolle des männlichen Patriarchen. Während in weiten islamischen und islamistischen Ausprägungen gerade auch heute noch der Mann die Frauen zu Hause mit der Hausarbeit weg sperrt, kann er für sich nicht nur den Besuch des Teehauses mit den anderen Männern zusammen als gesellschaftliche, ja politische Tat buchen, sondern erklärt sich hieraus mit dieser führenden gesellschaftlichen Verantwortung rückwirkend auch wieder als zwingend vorgegebenes Oberhaupt der Familie, weil alle anderen ja politisch zu dumm sind und es ohne Außenkontakt und Schulbildung auch bleiben müssen.

In der Folge wird andererseits natürlich auch immer wieder versucht, den ursprünglichen Kult der großen Mutter in die monotheistische Tendenz zu integrieren, der in ursprünglicher Fassung in vielen Mutterreligionen ein jährliches kultisches Zeugungsfest vorsieht. Eine Priesterin aus der Regierungselite schlüpft in die Rolle der großen Mutter (Astarte, Ischtar, Lilith, Isis, Demeter) und erwählt einen jugendlichen Liebhaber, der nach Ablauf des Festes um gebracht wird. Dieser übernimmt die Rolle des Boten in die Unterwelt und wird wiedergeboren.

Auch kräftige und mutige Tiere (Stier, Löwe, Hirsch, Bär und Wolf) können symbolisch die Rolle des zeugenden Gottmannes übernehmen oder diesem Ihre Gestalt leihen.
Viele Beispiele aus der antiken Kunstgeschichte und Mythologie lassen sich so hinein deuten: Europa und der Stier, in den sich Zeus verwandelt hat, der Stierkult in Kreta und anderen Teilen des Mittelmeerraumes, Mitras und das Stieropfer, Herakles unter dem Fell des Phrygischen Löwen, Cerumnos, der keltische Hirschgott, Wishnu in Verkörperung als Eber, der Bärenkult bei den Ainu usw.

Die Rolle der Tötung des Liebhabers nach dem kultischen Zeugungsakt und der Botengang in die Unterwelt lässt sich andererseits auffinden in den Geschichten, von Osiris, Orpheus, Dionysos und seinen Satyrn, und letztlich auch in der mythischen Form von Jesus. Auch nach der Muttergottheit müssen wir bei letzterem nicht lange suchen. Im verschollenen Magdalenenevangelium wird die wichtige Rolle der Frau an der Seite Jesus aufgeschlüsselt. In den Drei Frauen am Grab, wird der Botengang in die Unterwelt für die matriarchale Leitgruppe wiedergespielt. Maria als liebende Himmelsmutter schließlich bringt den Wunsch nach einer Verehrung im Stil der Magna mater in besonderem Maße zum Ausdruck.

Jetzt magst Du mich verständlicherweise fragen, meine Gute, was denn Dein Gemahl, der seine Ersparnisse lieber in der Kneipe, denn in der Kirche lässt, mit den Wölfen und Bären zu tun hat, von denen hier die Rede ist. Letztlich fehlt ihm ja jede Wildheit, wie er da gerade wieder vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Auch zieht es ihn bei seinem Schlaf gottseidank noch nicht in die Unterwelt, noch verbringt er wochenlang wie tot und ohne auf Nahrung angewiesen zu sein, den kalten Winter in der Bärenhöhle. Ganz im Gegenteil.

Nicht dass er sich besonders um die Zubereitung des Essens kümmern würde, schreckt er doch stets, wenn der leckere Duft, der von Dir bereiteten Bratkartoffeln oder des Wiener Schnitzels durch die Wohnung eilt, unvermutet auf mit der Frage: was gibt es heute zu essen. Nachdem er dieses mit schmatzendem Genuss zu sich genommen und dazu die übliche Halbe geleert, entlassen ihn beide kulinarische Verpflichtungen nach schwerer Arbeit des Kauens und Schluckens , wie er meint, wohlverdient wieder zum Nachmittagsschläfchen aufs Kanape, während er Dich ja wohlbehütet von Arbeit in der Küche weiß.

Abends verlässt er Dich wiederum dann gut ausgeruht zu seinen unverzichtbaren Verpflichtungen mit Sätzen wie: “Da ist bald Gemeinderatswahl, ich muss doch die anderen Stammtischler von der Eignung unseres altverdienten CSU-lers Soundso überzeugen (politische Schwerstarbeit)“ oder “Beim Fussballverein ist heute Rückspiel gegen die Nachbargemeinde, ich muss denen doch mit meinem Klatschen unbedingt den Rücken stärken (Schutz des Reviers)“ oder gar “ Beim Skatclub geht es heute um s Ganze, die kann ich doch nicht alleine sitzen lassen (Wichtiger Gelderwerb zur Versorgung der Familie)“.

Meine Gute!
Soll ich jetzt sagen: Dein Mann zeigt sich mit so vielen Verpflichtungen selbst im Rentenalter noch ganz als Behüter und Ernährer der Familie!!?
Oder hat sich im Lauf der Zeiten, unsere Männerrolle ausserhalb der Familie im Spielgrund des Ziegenhütens und „Fangerles“spielen mit wilden Tieren so vielleicht ganz ohne weitere Aufgabenstellung als Auslaufmodell gezeigt?
Empfindet er die Bitte zum Auslehren des Mülleimers evtl. gar als unter seiner Würde als Spitzensportler am Fernseher oder als ehrenamtlich unbenannter Politfachmann am Stammtisch?
Sieht er sich als Opfer der Muttergöttin Langeweile, geschunden in die Untiefen des Sofas hinein rutschen?
Ich kann Dir nur sagen: Da läuft etwas schief!
Gib ihm die Möglichkeit, sich zu Hause als 5-Sternekoch das Äußerste ab zu verlangen, schlage ihm ein Wettrennen beim Putzen der Wohnung vor, oder stelle als Ansporn seine Kompetenz in Frage, den Abfluss wieder hin zu kriegen.
Lade all seine Kneipenfreunde ein und gib Ihnen die Möglichkeit sich hochwissenschaftlich über die Perfektionierung von Grillgut zu unterhalten. Gib ihm Bestätigung bei den verkorksten Steaks, die er eigentlich stümperhaft aussen verkohlen hat lassen, währen sie innen noch ganz blutig roh sind. Die Engländer und Amerikaner haben es Dir hier schon längst vorgemacht, wie man neben Junkfood vom Italiener nebenan auch seinem persönlichen Cowboy eine verbale Belohnung für solche Ahnungslosigkeiten zu gesteht. "Oh ,that ´s very British".
Wir Männer brauchen Bestätigung für erhoffte Höchstleistungen sonst suchen wir uns andere belanglose Beschäftigungen, bei denen wir uns hochsteigern können.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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