Walpurgisnacht
Der Brocken ruft das Hexenvolk zur Walpurgisnacht

Viel Hexenvolk ist in der Walpurgisnacht unterwegs.
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Zwar hatten wir schon vor ein paar Tagen Vollmond. Sogar einen Supermond, der ein Drittel größer war als gewöhnlich, da er der Erde zurzeit besonders nahesteht. Doch heute Nacht, am letzten Tag des April, ist es wieder soweit. Dann schwirren sie im Harz aus. Sie sammeln sich am Hexentanzplatz im Bodetal, schwingen sich auf ihre Reisigbesen, langen Holzstecken oder Mistgabeln und reiten durch die Lüfte zum Blocksberg hinauf. Dort oben, hoch über den finsteren Tälern, versammeln sie sich im hellen Mondschein an den Felsgruppen von Teufelskanzel und Hexenaltar zuhauf und treiben im roten Feuerschein, angeführt vom Teufel selbst, ihr grässliches Spiel. Bis Mitternacht wird dieses satanische Treiben dauern. Doch dann, wenn die Glocke zwölf mal geschlagen hat, erscheint die Maikönigin. Sie ist es, die dem ganzen Hexenspuk abrupt ein Ende bereitet, das widerwillig in alle Winde davonstieben muss. Ein neuer Tag wird anbrechen, der erste im Mai. Und damit wird der lange Winter in den Bergen endgültig vorbei sein.

Das ist Grund genug in den Bergen die neue Jahreszeit zu feiern, ohne Schnee und mit wärmeren Temperaturen. Auch wenn es in diesem Jahr nicht so sein wird wie sonst. Wenn die Menschen überall im Harz zusammenkommen, die Feuer lodern, die Hexen ihr Treiben zelebrieren. In Schierke, in Bad Grund, am Hexentanzplatz bei Thale und wo auch immer. Überall ist an diesem Tag normalerweise der Teufel los. Viel Menschenvolk und viel Hexenvolk ist dann auf Beinen und Besen unterwegs, um die Walpurgisnacht zu feiern. Und im nächsten Jahr wird das hoffentlich wieder möglich sein. Dann wird hoffentlich auch der jetzige Virusspuk ein Ende gefunden haben.

Und welche Landschaft könnte für den nächtlichen Hexenritt prädestinierter sein als gerade diese, die des nördlichsten Mittelgebirges. Schon immer war es von Mystik, Aberglauben und einer Geisterwelt geprägt. Viele alte Sagen und Legenden erinnern daran. Ob um die Jettenhöhle am südlichen Harzrand, den Hübichenstein bei Bad Grund, die Rosstrappe und den Hexentanzplatz bei Thale, die Teufelsmauer bei Blankenburg und natürlich den Brocken selbst, den Hexenberg schlechthin. An diesen Orten und an noch vielen anderen spielen die Sagen und Legenden, die irgendwann vor langer Zeit im Mittelalter entstanden sind. Damals mieden die Menschen die Berge, fürchteten sich vor Berggeistern und Hexen, die auf den finsteren, bewaldeten Höhen ihrer Meinung nach hausten. Aber sie überwanden ihre Furcht, trieb sie doch die Gier nach Schätzen in die Berge. Nach Bodenschätzen wie Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies und Silber. Und sie trieben ihre Schächte und Stollen tief in den Boden hinein, wo andere Geister ihr Unwesen trieben. Und auch wenn diese Zeiten nun längst vorbei sind, so haben sich doch diese alten Geschichten, die unsere Urgroßmütter noch am flackernden Herdfeuer beim Spinnen der Wolle erzählt haben, bis heute erhalten. Doch wie sind diese eigentlich entstanden, wie kam es zu dem alten Hexenglauben?

Hexen galten nicht immer als böse. Erst im Laufe der Zeit hat sich ihr Bild gewandelt. Zunächst waren es Frauen, die für eine Dorfgemeinschaft sehr nützlich waren. Sie waren weise, kannten sich mit Heilkräften aus und leisteten Geburtshilfe. Doch ab dem 15. Jahrhundert, zum Ende des Mittelalters und zum Beginn der Neuzeit, sollte sich das ändern. Gelehrte verfassten Schriften über Gruppen von Menschen, die sich mit dem Teufel verschworen hatten. Und im Jahr 1486 veröffentlichte der Dominikaner Heinrich Kramer den „Hexenhammer“. Darin gab er seine Ansichten über Hexen und Zauberer zum Besten und forderte, dass diese verfolgt und vernichtet werden müssten. Spätestens von da an galten Hexen als durch und durch böse. Dieses vermeintliche Wissen verbreitete sich wie ein Lauffeuer über ganz Europa. Es begann ein bis dahin nicht gekanntes Blutvergießen. Etwa drei Millionen Hexen, hauptsächlich Frauen, wurden verhört, gefoltert und Zehntausende von ihnen auf Scheiterhaufen zur Faszination des Volkes öffentlich verbrannt. Dabei kam auch die Hexenprobe zum Einsatz. Die Frauen wurden gefesselt ins Wasser geworfen. Gingen sie unter und ertranken, waren sie unschuldig. Blieben sie an der Wasseroberfläche, so konnte das nur durch Zauberkräfte geschehen sein. Sie waren schuldig. Zwischen 1550 und 1650 erreichte dieses unselige Treiben seinen Höhepunkt.

Dann kam noch dazu, dass es zu dieser Zeit klimatische Veränderungen gab. Es kam zur so genannten kleinen Eiszeit mit Unwettern, Hagel und Starkregen, die zur Vernichtung der Ernten führten. Hungerkatastrophen, Vertreibung und Kindstod waren die Folgen. Dazu breiteten sich Epidemien wie die Pest aus. Das alles konnte nur mit übernatürlichen Dingen zusammenhängen. Und die Schuldigen waren schnell gefunden. Hexen galten als von Gott abgewandt, die sich dem Teufel verschrieben hatten und von diesem Zauberkräfte erhielten, um fliegen zu können. Sie trafen sich mit ihrem Herrn bei dem orgastischen Fest des Hexensabbats. Und der sich ausbreitende Buchdruck tat ein Übriges dazu. Zwar konnten die meisten Menschen nicht lesen. Aber die Bücher waren mit Holzschnitten versehen, die Hexen abbildeten, die die Menschen erschaudern ließen. Und es war ein Leichtes, jemanden aus dem Weg zu räumen, der einem nicht passte. Fügte sich zum Beispiel jemand nicht in die Dorfgemeinschaft ein oder machte er sich auf irgendeine Art verdächtig, so konnte er angeklagt werden. Auch bei Nachbarschafts- oder Erbstreitigkeiten kam es zu Denunziationen. Ging der Ankläger als Sieger hervor, bekam er den Besitz der Verurteilten. Es konnte allerdings passieren, dass die Angeklagten unter der Folter ihre Denunzianten selbst oder auch andere anzeigten, die sich dann ebenfalls einem Prozess stellen mussten.

Und noch etwas anderes trug zur Hexenverfolgung bei. Die Kirche stand in dieser Zeit der Reformation vor einer Spaltung. Mit dem Dreißigjährigen Krieg kam es zu einem nicht enden wollenden Religionskrieg, der die Lande vollkommen verwüstete. Die Kirche drohte ihre herrschende Macht zu verlieren. Doch mit Hilfe der Inquisition konnte sie ihre Vormachtstellung demonstrieren. In den protestantischen Landesgebieten allerdings wurde die Hexenverfolgung besonders vorangetrieben. Martin Luther sagte in einer Predigt, dass es richtig sei, die Hexen nicht nur wegen ihrer bösen Zauberkräfte zu töten, sondern auch deswegen, weil sie sich mit dem Teufel verbündet hatten.

Kurz nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges hatte die Hexenverfolgung ihren Höhepunkt erreicht und begann langsam abzunehmen. 1669 erschien ein Buch von Johannes Petorius, das als ein Lehrbuch des Hexenwesens angesehen werden konnte. Es trug den Namen „Blockesberges Verrichtung“. In ihm wurde alles zusammengetragen, was bis dahin über die Hexen, bis zur Antike hin, bekannt war. Von Hexenfahrten und von Zaubersabbaten zur Walpurgisnachte, wo auf dem berühmten Blockesberge Unholde aus ganz Deutschland zusammen kamen. Damit legte Petorius das Treiben der Walpurgisnacht erstmalig auf den Brocken und den ersten Mai fest, was zuvor nicht unbedingt üblich war. Und an seinem Werk sollten sich die Nachfolgenden orientieren.

Ab dem beginnenden 18. Jahrhundert gab es kaum noch Hexenprozesse. Die letzte Hexenverbrennung auf deutschem Boden fand 1756 statt. Die unselige Zeit der Hexenverfolgung war endgültig vorbei. Damit war dieses Thema aber nicht beendet, denn es blieb weiterhin in den Köpfen der Menschen präsent, beeindruckte es doch nach wie vor. Hauptsächlich natürlich in der Literatur. So richtig populär wurde es allerdings erst durch die Walpurgisszene in Goethes Faust, die am Brocken spielt. Und bis heute tragen die Brüder Grimm mit ihren Märchen von den bösen Hexen dazu bei, dass es noch immer fasziniert. Auch schaut sich so mancher in der Weihnachtszeit Humperdings stimmungsvolle Oper Hänsel und Gretel an.

Der Name Walpurgisnacht ist übrigens abgeleitet von Walpurga, einer der bedeutungsvollsten Frauen des achten Jahrhunderts, die eigentlich gar nichts mit den Hexen zu tun hatte. Sie war sogar eine Schutzpatronin für alle möglichen Lebenssituationen wie Krankheiten und Geburten, weswegen sie vermutlich mit den damals guten Hexen in Verbindung gebracht wurde. Heiliggesprochen wurde sie an einem ersten Mai. Sie stand also für alles das, wofür die Hexen in den drei Jahrhunderten ihrer Verfolgung angeklagt und getötet wurden.

Und das auch heutzutage nicht alle Hexen unbedingt böse sein müssen, das zeigte uns Ottfried Preußler in seinem schönen Kinderbuch Die kleine Hexe. "Heia Walpurgisnacht!"

Siehe auch: Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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