Es gibt halt Dinge, die kann man nicht erklären... (eine Geschichte aus Bayern)

Es gibt Dinge im Leben...

Es gibt Dinge im Leben, die kann man einfach nicht erklären...!

Zunächst einmal hatte ich mich wahnsinnig darüber gefreut, als mich die Heike nach über einem halben Jahr wieder einmal angerufen hatte.
Die Heike, das ist so eine Alternative. Eine von denen, die seit den Ziebzigern manchmal als so genannte Körnd’lfresser in Birkenstocksandalen bezeichnet wurden.
Aber sie ist trotzdem nett, die Heike - zumindest ist sie zu mir immer nett
gewesen.
Bis zu dem Tag, an dem ich ihr etwas nicht erklären konnte.

Aber es gibt halt Dinge, die kann man einfach nicht erklären.

Kennen gelernt habe ich die Heike vor ungefähr drei Jahren spät abends in einer Kneipe in der Fraunhoferstraße.
Eigentlich wollte ich ja noch was aufreißen, weil der ganze Abend irgendwie blöd gelaufen war und so graste ich die ganzen Kneipen in der Münchner Innenstadt nach frustrierten, unbefriedigten Mädels ab.
Schon beim Reinkommen hab’ ich die Heike alleine an einem Tisch erspäht.
Sie saß da, mit den langen dunklen Haaren in ihrem selbergestrickten Pullover und hat scheinbar gelangweilt in ihrer halb ausgetrunkenen Teetasse herumgerührt.
„Kannst dich schon her setzen, wenn du mich nicht blöd anmachen willst“, hat sie gemeint, als ich sie hirnrissiger Weise gefragt hatte, ob da noch frei wäre, obwohl das Lokal fast leer war.
Dabei hat sie weiter in ihrer Teetasse herumgerührt.
Ich hab’ dann eine rote Weinschorle bestellt und irgendwie sind wir dann halt doch noch ins Gespräch gekommen, welches immerhin noch drei weitere rote Weinschorlen und zwei Pfefferminztees lang gedauert hatte.

Sie hat mir dann erzählt, dass sie einen kleinen Bauernhof im Chiemgau gefunden hat, in dem sie mit zwei anderen Typen demnächst wohnen will.
Viecher wollen sie dort haben, ihr Gemüse selber anbauen und versuchen, dort so autark und unabhängig wie möglich zu leben.
Ich hab’ das alles recht interessant gefunden.

Als die Kneipe dann zu machte und wir heimgehen mussten, war so etwas wie eine neue Freundschaft zwischen uns entstanden. Wir haben Telefonnummern ausgetauscht und uns gegenseitig versprochen, dass wir in Kontakt bleiben.
An dem Abend jedenfalls ist die Heike alleine heimgefahren - und auch ich bin voller heimgefahren, als ich ursprünglich vorhatte.

Jedenfalls hat mich die Heike in der Folgezeit immer wieder mal angerufen, mich gefragt, wie es mir geht und erzählt, wie toll das jetzt auf dem Bauernhof dort draußen im Chiemgau funktioniert und was sie dort alles machen und wie glücklich sie dort alle sind.
„Komm’ halt mal vorbei und schau dir alles an!“ hat sie jedes Mal gemeint.
„Du kannst jederzeit reinschneien, es ist ja immer jemand da und übernachten kannst’ zur Not auch!“ Platz hätten sie ja genug.
„Ich würd’ dich so gerne mal wieder sehen“, hat sie noch gemeint, was mir wiederum ein bisschen Hoffnung gemacht hat, denn gelaufen ist ja zwischen der Heike und mir bis dahin noch überhaupt nichts.
„Mach ich, mach ich ganz bestimmt mal, wenn ich Zeit hab oder zufällig mal in der Gegend bin.“ hab ich jedes Mal versprochen.
Seither sind bestimmt zwei Jahre vergangen, in denen ich mein Kommen immer wieder aus den unterschiedlichsten Gründen aufgeschoben hatte. Vielleicht aber auch nur deshalb, weil halt jeweils woanders grad’ mehr gelaufen ist.

Am vergangenen Wochenende hat es dann endlich gepasst bei mir.
Vielleicht aber auch nur deshalb, weil halt gerade im Moment anderweitig nichts gelaufen ist.
Ich hab die Heike also am Freitag angerufen und ihr gesagt, dass ich am Wochenende gern einmal kommen möcht’, - ich meine, in den Chiemgau hinaus, zu ihr!
Das passt gut, hat die Heike gemeint, weil sie eh alleine ist. - Die andern Beiden sind übers Wochenende zu irgendeiner Demo nach Norddeutschland und sie selber könnte ja nicht weg, wegen der Viecher.
Aber ich könnt’ ihr ja vielleicht ein bisschen zur Hand gehen bei der Arbeit auf dem Hof, wenn’s mir Spaß machen würde.
Und übernachten könnt’ ich schon auch bei ihr - aber das wüsste ich ja eh.
„Wär’ schön, wenn du bis zum Sonntagabend bleiben könntest!“, hat sie dann noch gemeint.

Zwei Tage mit der Heike allein, hab’ ich gedacht, na ja - vielleicht geht da sogar endlich einmal was…? Jucken würd’s mich ja schon lange.
Die Gelegenheit jedenfalls wäre gut, hab’ ich so bei mir gedacht und ich wäre ganz schön blöd, wenn ich die sausen lassen würde!
Und überhaupt; jünger wird’s ja auch nicht, die Heike! -
Und ich schon gleich gar nicht!
Und - nachdem sie mir den Weg beschrieben hatte, bin ich auch sofort losgefahren.

In den Chiemgau hinaus hab ich knapp eine Stunde mit dem Auto gebraucht und bis ich - trotz Wegbeschreibung - den Hof von der Heike gefunden hab’, - noch einmal zwei.
Und dann ist sie vor mir gestanden in all ihrer prallen Pracht, rotbackig, vermutlich von der frischen Landluft. Und zugenommen hatte sie scheinbar auch ein bisschen, weil ihre selbergestrickten Pullover früher nicht so gespannt hatten um die Oberweite herum.
„Schön, dass du da bist!“ hat sie gemeint und mich an ihre zugenommene Oberweite gedrückt, dass mir fast die Luft weggeblieben ist und hat mir ein Busserl links und rechts auf meine eher blassen Stadtbackerl gegeben.
„Komm rein, ich hab gerade Tee gemacht!“ und hat mich an der Hand hinter sich her gezogen ins Haus.
Und ich bin ihr willig gefolgt.
‘Vielleicht geht heut schon was!’, hab’ ich gedacht, ‘vielleicht sogar jetzt gleich?’ Mir wär’s schon danach gewesen! Jedenfalls hab ich das in dem Moment ganz deutlich gespürt! Ich meine, dass mir danach gewesen wäre, denn ab dem Moment war nicht nur der Heike ihr selbergestrickter Pullover zu eng, sondern mir auch mei Hos’n.
Ernüchterung trat bei mir allerdings wieder ein, als sie mich in die Küche schob, auf die hölzerne, harte Eckbank schubste und eine riesengroße Teetasse vor mir auf den unbetischdeckten Tisch knallte.
Beim Tee holen kicherte sie vom Ofen her:
„Du, vor ein paar Tagen hab ich in der Zeitung gelesen, dass die Männer alle sechs Minuten an Sex denken! - Die Frauen dagegen nur alle zwölf Minuten!
Ist doch komisch - oder?
Also ich denke komischer Weise immer an Sex, wenn ich mir die Hände wasche.“ meinte sie. „Jedes Mal wenn ich auf den Seifenspender drücke, denke ich, mir wichst einer in die Hand!“
Die Tatsache, dass ich noch keine zwölf Minuten da war und sich die Heike seitdem auch die Hände noch nicht gewaschen hatte, ließ mich zumindest weiter hoffen.
Sie schenkte uns Tee ein und ließ sich neben mich plumpsen.
„Wie geht’s dir? Hast du ‘ne Freundin? Was machst du zurzeit? Schreibst du noch? Was gibt es Neues bei dir? Wie lang’ haben wir uns eigentlich nicht mehr gesehen? Hast dich ja kaum verändert!
Also mit den beiden komm’ ich hier ganz gut zurecht, wir haben halt viel Arbeit hier, aber schön ist’s trotzdem, mir geht’s eigentlich ganz gut hier, ich weiß nicht, wie du das in der Stadt überhaupt aushalten kannst, ist doch alles so dekadent, so pervers geworden, ich meine, was man da so ab und zu in der Zeitung liest, wie’s da so abgeht in der Stadt, also mich bringen dort keine zehn Pferde mehr hin, hier ist alles irgendwie netter, ruhiger, - einfach schöner…!“ plapperte sie los, ohne Punkt und Komma.
„Na ja, “ sag’ ich, „ganz so schlimm ist es ja auch nicht!“
„Ach hör doch auf!“, meinte sie, „die ganze Gesellschaft ist doch so abartig geworden! Dreht sich doch alles nur noch um Geld und Sex! Die Leute sind doch nur noch am überlegen, wie sie sich den nächsten Kick verschaffen können!
Und die Männer sind dabei am schlimmsten!“ - setzte sie noch eins drauf.
„Was hast’ denn da an deiner Hand?“, hab’ ich gefragt, weil sie an der linken Hand einen Finger eingebunden gehabt hatte.
„Ach, geschnitten hab ich mich gestern beim kochen“, meinte sie.
„Du hast richtige ‘Gärtnerhände’!“ meinte ich dann schnippisch und provokant.
„Wer - ich? - Wieso?“ fragte sie überrascht.
„Na ja, ich kann mir vorstellen, alles was Du in die Hand nimmst, wächst!“ (ist halt so ein Spruch, mit dem ich die Mädels immer bisschen anteste!)
„Ich hab doch gewusst, dass du ein richtiges Ferkel bist und auch an nichts anderes denkst!“ meinte sie kichernd.
„Komm’ mit, ich zeig dir mal alles. Gehen wir mal raus zu den Viechern in den Stall.“
Sie sprang auf und zog mich wieder hinter sich her.
„Und du hast echt keine Freundin?“, meint sie so beim hinausgehen.
“Ja, und was machst dann so....? Bist also nach wie vor noch Single, oder?“.
„Teilzeitsingle!“, murmle ich.
„Ach so..., ab und zu geht also schon a bissel was - oder?
Und ich hab’ schon gemeint, du bist anders herum oder sonst irgendwie pervers oder so, weil du es, seit wir uns kennen, eigentlich noch nie probiert hast mit mir zu vögeln!“ - meinte sie in ihrer manchmal erschreckend offenen und direkten Art.
Irgendwas musste ich in der Vergangenheit falsch gemacht haben bei ihr, dacht’ ich in dem Moment.
„Also, was du von mir denkst...!“ hab’ ich mich entrüstet.
„Na ja, man macht sich halt so seine Gedanken über die Menschen. Und ansehen tut man es einem ja am allerwenigsten, oder...?
Ich meine, wie sie so drauf sind und so, die Männer!?
Bisschen komisch ist es schon, wenn ein Mann in deinem Alter noch alleine durch die Gegend rennt - musst du doch zugeben, oder?“
Die hat doch keine Ahnung, denke ich, dass ich jede Woche ein- bis zweimal nicht alleine bin und in meinem Leben auch schon mindestens... - ja was weiß ich wie oft - nicht alleine war!

Sie zeigte mir den Hühnerstall, Enten watschelten ein paar auf dem Hof umher, weiter hinten auf der Koppel stand regungslos ein Esel und schaute blöd in die Gegend und daneben grasten ein paar Schafe.
Sie zog die Tür vom Stall auf. Drinnen stand eine Kuh und käute wieder.
„Die haben wir vor ein paar Wochen angeschafft“, meinte die Heike stolz.
„Toll! Und die gibt Milch?“, hab’ ich gefragt.
„Na klar!“, meinte sie.
„Kannst du melken?“, schaute sie mich plötzlich an.
„Hab’ ich zwar noch nie, aber so schwer kann’s ja nicht sein, oder?“, hab’ ich gemeint.
„Kannst dich heut’ Abend gleich drüber machen, wenn du magst!“, meinte sie, „Ich kann heut nicht so, wegen meiner Hand,- weißt schon!
Und die andern beiden sind ja heute nicht da“.
„Na ja, probieren kann ich’s ja mal. Aber bloß, wenn du mir nicht dabei zuschaust!“, hab ich bedenkenvoll geäußert.
„Um Fünf Uhr muss gemolken werden!
Na ja, so schwer ist es ja auch nicht!“, hat sie gemeint, „probieren kannst es ja mal!“.

Kurz und gut.
Wir sind dann wieder ins Haus, haben noch ein bisschen geratscht und unseren Tee ausgetrunken.
Um kurz vor Fünf hab ich die Heike dann gefragt, ob sie eine alte Hose für mich hätte, weil ich mit meiner guten Samstag-Abend-Ausgeh-Bundfaltenaufreißhos’n nicht unbedingt in den Stall wollte.
Die Heike hat mir einen blauen Fetzen her geworfen,
„Da, kannst dem Florian seine Arbeitshos’n drüber streifen!“
Ich hab’ in der Küche meine Samstag-Abend-Ausgeh-Bundfaltenaufreißhos’n ausgezogen und bin in dem Florian sein blauen Fetzen hinein geschlüpft.
„Der Florian muss ein ganz schöner Brack’l sein!“ hab ich ihr zugerufen, weil in die Hose hab’ ich fast zweimal rein gepasst.
„Da, hast du eine Schnur! Binde die Hose halt ein bisschen zusammen, sieht dich ja eh keiner im Stall!“ hat die Heike gemeint und mir so ein Stück Paketschnur rüber gereicht, das gerade auf dem Küchentisch umher gelegen ist.
Dann sind wir gemeinsam in den Stall raus zu der einsamen Kuh, die noch immer wiederkäuend da stand.
Die Heike hat mir dann den Melkschemel hingestellt, einen Eimer geholt, unter die Kuh gestellt, an dem Kuheuter mit Stroh ein bisschen herum gewischt und mir dann mit der gesunden Hand gezeigt, wie man melkt.
„Komm’ probier’s mal!“, hat sie mich dann aufgefordert und ich hab’ mich auf den Schemel gesetzt und gemolken.
So schwer war’s eigentlich nicht.
Und da ist tatsächlich Milch heraus gekommen und in den Eimer gespritzt.
„Jetzt lässt du mich aber allein’!“ hab ich zu der Heike gesagt, „Ich komm’ schon alleine zurecht. Ich kann das einfach nicht haben, wenn mir jemand zuschaut!“ -
- und die Heike hat sich wieder geschlichen.
Die Kuh muss gemerkt haben, dass irgendetwas nicht stimmte.
Vielleicht waren auch nur meine Hände zu kalt.
Das jedenfalls hätte ich ihr zumindest nachfühlen können!
Ich kenn’ das nämlich auch! - kalte Hände!
Ich mag das auch nicht!
Aber ich halte dann meistens trotzdem still!
Jedenfalls hat die Kuh mit den hinteren Haxen ständig umhergezappelt, nach mir, dem Eimer oder sonst etwas zu treten versucht.
Irgendetwas hat ihr jedenfalls nicht gepasst.
Ich hab’ den Eimer und den Hocker weggestellt, hab’ mich umgeschaut im Stall und ein paar Stricke liegen sehen.
‘Dieser blöden Kuh werd’ ich helfen’, hab’ ich gedacht und hab’ ihr die beiden hinteren Haxen mit den Stricken an dem Rost festgebunden, auf dem sie gestanden ist.
Und schon war eine Ruh’ mit dem Umherzappeln.

Ich hab erneut angefangen zu melken, als ich plötzlich mit dem Schwanz eine gewischt bekam.
Wieder hab’ ich den Eimer und den Hocker weg, noch einen Strick geholt, den Hocker hinter die Kuh gestellt, bin hochgestiegen und hab’ den Strick über den Deckenbalken geworfen -
und gerade in dem Moment, als ich den Schwanz der Kuh hoch oben an dem Strick anbinden wollte, ging mir die Schnur um meinen Bauch herum auf und dem Florian seine Hose rutschte mir hinunter bis zu den Knöcheln.
Und im selben Moment steht die Heike hinter mir im Stall!
Beim Hinausgehen hat sie noch irgendwas gemurmelt von „perverse Sau!“ und: jetzt wäre ihr klar, warum ich mit der Kuh alleine sein wollte.
Dann knallte sie die Stalltür zu.
Wenig später bin ich dann doch wieder heimgefahren, weil die Heike nichts mehr mit mir gesprochen hatte.
In Anbetracht dieser für sie offensichtlichen Situation wäre wahrscheinlich sowieso nichts mehr gelaufen mit ihr.

Es gibt halt Dinge im Leben, die kann man einfach nicht erklären!

Beim Heimfahren hab’ ich mir dann noch gedacht:
Wie oft in meinem Leben ist das schon passiert..., dass überhaupt nichts gelaufen ist, weil irgendwelche kalten Händ’ im Spiel waren!

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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