Wie in Marburg beinahe die erste Automobilfabrik der Welt entstand

Geplanter Standort der ersten Autofabrik der Welt: Marburg Afföllerwiesen
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Viele Entwicklungen haben ihre Zeit und scheinen irgendwie in der Luft zu liegen. So entwickelten in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts deutsche Ingenieure unterschiedliche Arten von Verbrennungsmotoren, um sie als Antrieb für Schiffe, Landfahrzeuge und später auch für Flugzeuge nutzbar zu machen. Klangvolle Namen, wie Rudolf Diesel, Nicolaus Otto, Wilhelm Maybach, Gottlieb Daimler und Carl Benz sind daher heute noch so bekannt wie eh und je.

Während Carl Benz 1885 mit der Konstruktion seines dreirädrigen Motorwagens Nr.1 das erste moderne Automobil erfand, ging zeitgleich der Marburger Louis Broeg eigene Wege. Als Stadtbaumeister (1873 – 1908) und Architekt entstanden unter seiner Leitung u.a. die Weidenhäuser und die Schützenpfuhlbrücke. Doch daneben experimentierte er mit Verbrennungsmotoren und konstruierte unabhängig von Carl Benz zunächst ebenfalls einen dreirädrigen Motorwagen, um mit ihm den Bau der Wasserleitung zwischen Wehrda und Marburg besser überwachen zu können. Im Jahr 1885 baute Louis Broeg diesen Wagen in einen vierrädrigen um, der von einem von Gottlieb Daimler entwickelten Motor angetrieben wurde. Dessen berühmte Motorkutsche folgte erst ein Jahr später.

Als Carl Benz auf den Marburger Konstrukteur aufmerksam wurde, nahm er sofort Kontakt zu Louis Broeg auf. Gemeinsam planten sie die erste Automobilfabrik der Welt, die auf den Afföllerwiesen eröffnet werden sollte. Doch der damalige Bürgermeister, Ludwig Schüler, fegte die unterschriftsreifen Pläne als Narrenwerk vom Tisch. Auch wenn das Fahrzeug damals als ‘Gespensterwagen‘ verspottet wurde, so bleibt sein Konstrukteur, Louis Broeg, einer der großen, leider unbekannten Pioniere des Automobilbaues. Ob ihm in Marburg wenigstens eine Gedenktafel gewidmet wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Eine vertane wirtschaftliche Chance für Marburg, die allerdings auch gravierende Auswirkungen auf das Stadtbild und die Bevölkerungsstruktur gehabt hätte. Die erste Automobilfabrik der Welt wurde schließlich viele Jahre später, 1899 von Henry Ford als ‘Detroit Automobile Company‘ in den USA eröffnet.

Geplanter Standort der ersten Autofabrik der Welt: Marburg Afföllerwiesen
Ländliche Idylle statt Industriestandort: Eine vertane Chance für die Wirtschaft, für die Natur ein Gewinn
Patent Motorwagen von Carl Benz ( Nachbau) | Foto: Foto: Softeis; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Benz-1.jpg?uselang=de
Daimlers Motorkutsche von 1886 (Modell). Ähnlich hat auch der "Gespensterwagen" von Louis Broeg ausgesehen | Foto: Foto: user Enslin; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stuttgart-cannstatt-daimler-kutsche-1886.jpg?uselang=de
Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Töpfer aus Marburg

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17 Kommentare

Bürgerreporter:in
Hans-Rudolf König aus Marburg
am 25.04.2013 um 16:54

Sehr interessant. Marburger OBs zeichneten sich stets durch Provinzialität aus. Selbst die erfolgreiche Marburger Tapetenfabrik vertrieb Herr Gassmann in die offenen Arme von Kirchhain. Schliesslich ist MR eine Uni! Aber dafür kann man sich nichts kaufen.

Bürgerreporter:in
Karl-Heinz Töpfer aus Marburg
am 25.04.2013 um 22:05

In der Tat befürchtete das intellektuelle Marburg, die Stadt als Arbeiterstadt an die Sozi's zu verlieren. Die jüngere Stadt-Geschichte lehrt uns, dass es dazu heute keiner Autofabrik mehr bedarf.

Gelöschter Nutzer
am 26.04.2013 um 09:51
Gelöschter Kommentar