Haberfeldtreiben mit Bauernpräsident Sonnleitner

Wütende Milchbauern planen Haberfeldtreiben auf den Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner
Für diesen Samstag haben ca. 500 Milchbauern am Wohnort von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in Ruhstorf bei Passau zu einem, aus ihrer Sicht falsche Verhalten des Präsidenten des Deutschen und des Bayerischen Bauernverbandes, Haberfeldtreiben aufgerufen.
Nach altem Brauch werden die Milchbauern in schwarzen Hüten und Mänteln erscheinen.

So kam es zu diesem alten Brauch:
Weil die Justitia blind und der Bayer gerechtigkeitsgierig ist. Wenn Lumperei ungesühnt bleibt, rebellt er manchmal. Auf dem Lande blieb das Leutebetrügen, Holz- und Viehstehlen und so manche freche Unkeuschheit, die das ganze Dorf ärgerte, straflos, weil Gerichte ja, wie man aus Tausenden „Krimis“ weiß, Beweise brauchen. Und die waren selten zu beschaffen, obwohl man den Untäter kannte. Manche wurden auch nicht verfolgt, weil sie Hochgestellte waren oder mächtige Gönner hatten, wie’s halt so in der menschlichen Gesellschaft, zu allen Zeiten.
Haberfeldtreiben gab es nur zwischen Tegern-, Sims- und Speichersee und wurde erstmals anno 1622, und letztmal 1923 urkundlich belegt.
Ein Eid, selbst unter Todesdrohung nichts und niemanden zu verraten band alle Haberer. Tage zuvor wurden sie, die rechtschaffenen Unzufriedenen zu einem geheimen Treffpunkt geladen, schlichen nachts in bizarren Gewändern, geschwärzten Gesichts oder mit Masken dorthin. Sie trugen Lärminstrumente und Waffen. Im finstern zogen sie auf ein leeres feld. Der Boden musste trocken sein und kein Schnee liegen, der Fußspuren wegen.
Insgeheim hatte einer die Türen zum Glockenturm vernagelt, damit niemand Sturm läuten könne.
Boten klopften den Delinquenten wach und zogen ihn wie er war, zur Haberfeldstätte. Dort flammten Fackeln auf und das schaurige Gericht begann.
Warum es so hieß, weiß ich nicht und die Benennung ist unklar. Sie kann vom Stoppelfeld, dem Haberfeld, einem bevorzugten Gerichtsplatz, hergeleitet sein oder einem Fabeltier mit Ziegenkopf und Vogelleib, dem „Habergreis“. Verurteilte sollen manchmal in ein Ziegenfell gezwängt und heimgejagd worden sein. Gleichwohl, die Haberer standen also vemummt und bedrohlich im Halbkreis, gespenstisch erleuchtet vor dem Sünder und der Haberfeldmeister sprach die Klage im Namen von „Kaiser Karl im Untersberg“
Weshalb ausgerechnet in dieses Unholds Namen? Das schreibe ich ein andermal.
Dann verlas der Haberfeldmeister eine gereimte Anklage. Er prangerte derb und furchtlos alle jene an, die von der Justiz nicht belangt werden konnten, gleichgültig ob Herr oder Dirn.
Es war ein ritualisierenter Ausbruch der Volkswut über die mangelnde Gerechtigkeit.
Seltsam, so geheim sie vorgehen mussten, es wurde bei jedem Treiben Protokoll geschrieben. Viele Anklageverse sind überliefert. Zum Beispiel:
Zun erstn müass ma an Posthoita vo seine Schandtatn sogn.. Halt, nein! Dieses alte Bairisch kann niemand verstehen. Auch wenn der Reim dabei verloren geht:
Zum ersten müssen wir dem Posthalter
Von seinen Schandtaten sagen.
Den Dienstboten gibt er nix z’ fressen,
und tut sich recht dazu plagen.
Ein Fressen stellt er hin, dass kei Sau hinschmeckert.
Drum werdn ihm seine Leut bald allsamt verrückt.
Venerisch is er auch schon gwesen,
das ist kein Wunder
er hat ja alle Schleifer- und Saumenscha gsprunga..
Nach jedem Reim fragt der Haberfeldmeister: „Is’s wahr odernet? Die Haberer brüllen im Chor: „Ja, wahr is.“ Der Meister: „Na treibt’s zua!“ Darauf vollführen alle wieder den Höllenlärm, der ein paar Minuten dauerte.
Was dann mit den Angeklagten geschah? Nichts. Die Haberer straften nicht, sie klagten nur an und der Delinquent wurde nach Hause gejagt. Die Haberer verschwanden in der Nacht. Erst im 19. Jahrhundert kam es gelegnetlich zu Gewalttaten, wenn Polizei und Militär auf die Treiber lauerten und schossen.
Faßte man einen Haberer, wanderte er für Jahre ins Zuchthaus.
Als der letzte Haberfeldmeister verstarb hatte die Lumperei wieder freie Bahn.
Jetzt darf man nur Hoffen, dass es den Bauernpräsident Gerd Sonnleitner nicht gar so hart trifft.

Bürgerreporter:in:

Christl Fischer aus Friedberg

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