Hör Mensch, so du zu Tisch willst gan
Der Schuhmacher und Meistersinger Hans Sachs aus Nürnberg verfasste im 16. Jahrhundert ein fliegendes Blatt, in dem er die Tischsitten der Handwerker seiner Zeit festhielt. Darin heißt es:
Hör Mensch, so du zu Tisch willst gan,
Dein Händ sollst du gewaschen han.
Lang Nägel ziemen auch nit wohl,
Die man heimlich abschneiden soll.
Am Tische setze dich nicht obenan,
Der Hausvater wollt das selber han.
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Dem Ältesten anfangen laß,
Danach iß züchtiglicher Maß.
Nit schnaube oder säuisch schmatz,
Nit ungestüm nach dem Brote platz,
Das du kein Geschirr umstoßen tust.
Das Brot schneid nit an deiner Brust
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Greif auch nach keiner Speise mehr,
Bis dir dein Mund sei worden leer,
Red nie mit vollem Mund, sei mäßig,
Sei in der Schüssel nit gefräßig.
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Und kaue mit verschlossnem Mund,
Schlag nit die Zung aus gleich eim Hund
Zu lecken. Tu nit geizig schlingen.
Und wisch den Mund, eh du willst trinken,
Dass du nit schmutzig machst den Wein.
Trink sittlich und mit Lust darein.
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Gezänk am Tisch gar übel stat,
Sag nichts, darob man Grauen hat.
Am Kopf sollst du dich auch nit krauen.
Desgleichen sollen Jungfrauen und Frauen
Nach keinem Floh hinunterfischen.
Am Tischtuch soll sich niemand wischen.
Und leg dein Kopf nit in dein Händ,
Lehn dich nit hinten an die Wänd.
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Danach sollst du vom Tisch aufstehen.
Dein Händ waschen und wieder gehen
An dein Gewerb und arbeiten schwer.
So spricht Hans, der Schuhmacher.
Über jahrhunderte haben sich die Tischsitten entwickelt. Manches hat sich verändert. Und dennoch gilt auch heute noch fast alles, was Hans Sachs vor mehr als vierhundert Jahren forderte.
Sicher, wir essen nicht mehr mit bloßen Händen aus einer Schüssel, aber saubere Hände und Fingernägel werden immer noch verlangt.
Hallo Christl,
Du hast uns ein schönes und informationsreiches Gedicht serviert.Es wundert mich, daß vor fast 400 Jahren schon solche Tischsitten üblich waren.
Gruß Harry