Fasching - Lust zum Anderssein
- Hindelanger Butzelarve
- hochgeladen von Maskenmuseum Michael Stöhr
Fasching, Fastnacht, Karneval, ein Fest, ein jährliches Groß-Ereignis, auf das weltweit Milliarden hin fiebern und dem sie dann schließlich rauschhaft verfallen.
Dabei war dieses Ereignis ja ursprünglich nur eine kleine Vorstufe zur Fastenzeit und diese wiederum nur Vorstufe zum Eigentlichen, dem Osterfest, mit dem christlichen Glauben an die Auferstehung. Für die Meisten hat sich diese Bedeutungsfolge ja tatsächlich ganz umgedreht und nach dem Fasching fängt man bereits an, die Tage des nächsten Jahres bis zum Beginn der “fünften Jahreszeit“ mit der Schnapszahl 11.11.11.11 herunterzuzählen.
Apropos Schnapszahl: Natürlich haben die Mönche und auch alle, die nicht aus äußerem Zwang heraus mussten, schon Ihre Wege gefunden, das 40-tägige Fasten oder zumindest den Fleisch-verzicht („Carne vale“ = Fleisch leb wohl) erträglicher zu gestalten. So wurde alles, was schwimmt , kurzum zum erlaubten Fisch um deklariert. „ Faschang“, der Ausschank von „flüssigem Brot“ , dem besonders kräftigen Fasten-Biererklärt den bayerischen Begriff Fasching. Während die Schweizer Ihre 40 Fastentage ohne Unterbrechung durchhielten und demnach auch etwas später anfangen, darf der Rest der christlich gebundenen Welt die Sonntage jeweils mit Hungern aussetzen. Da musste man sich ja auch meist weit bis zur nächsten Kirche schleppen.
Gemeinsame Ekstase spielt in vielen Religionen und damit im Leben auch vieler Kulturvölker eine wichtige Rolle. Alkohol, der Hemmungen löst, war freilich wesentlicher Bestandteil auch beim griechischen Kult zu Ehren des Dionysos. Maskierte Tierwesen wie die Satyrn und Faune in der Begleitung scheinen noch auf viel frühere Kulte zurück zu weisen. Gemeinsam unter Gesang und Lärm durch die Gegend zu ziehen (Komos= altgriechisch: Gemeinsames Laufen, Odos= Gesang) oder im Theater dem Chor der ziegengehörnten und bocksbeinigen Satyrn zu lauschen (Tragoi= Ziegenböcke) erklärt die Begriffe von Komödie und Tragödie. Nun war der Kult um Dionysos trotz aller alkoholischen Suchtgefahr ein Kult der Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen, Gleichstellung der Menschen jeden Berufes und im Einklang mit der Natur. Letzteres mag man bei unseren Karnevalsumzügen vermissen, die anderen Ziele scheinen auch im Fasching erreichbar
Nun mag es natürlich unsinnig sein, neben der Bindung der Fastnacht an das christliche Fasten und Ostern nach anderen Ursprüngen für das „große Verkleiden“ und gar bei weit früheren Völkern zu suchen. Andererseits ist aber das Bedürfnis nach dem „einmal anders sein“ ein wesentlicher Bereich unserer Psyche. Weltweit gibt es Verkleidungsbräuche, gibt es Masken, es sei denn dieses wiederspricht gerade der herrschenden Glaubensauffassung, die ein barhäuptiges, ungeschmincktes , damit vermutet ehrliches Gegenübertreten mit dem Göttlichen verlangt. Nachdem der Mensch und die beseelte Welt nach monotheistischem Glauben nach dem Bilde Gottes gemacht ist, wäre das Abbild des Menschen stets ja auch ein Vergehen gegen das erste Gebot: Du sollst Dir kein Abbild von Deinem Gott machen.
Wie es scheint, lernen ja aber schon Kinder hauptsächlich dadurch, dass sie im Spiel in die Rollen Ihrer Eltern oder anstrebenswerter Berufe und Tätigkeiten hineinschlüpfen können. Lernen durch Nachahmung und nicht nur durch abgespeicherte Gene ist selbst in der Tierwelt ja fast das Allerwichtigste. Rollentausch und probeweise Wechsel von der eigenen Perspektive zur Perspektive des Anderen ist Grundvorrausetzung für das Verständnis und die Akzeptanz von Menschen untereinander.
Nun wäre es freilich absolut dumm zu meinen, wenn ich mir den Federschmuck eines „Indianer“s aufsetze, könnte ich danach die Probleme und Denkweisen der „First Nations“ besser verstehen. Das geht natürlich nicht über die Verkleidung. Andererseits lässt sich feststellen, dass es manchmal gelingt, eine fremde Rolle, der man eher feindlich gegenüber steht, im Spaß der Karikierung, auch freundliche und verzeihende Aspekte abgewinnen zu können.
So erbosten sich die Arbeiter in der Schweiz im Zuge der Industrialisierung des 19.Jhdts gegen die Fabrikbesitzer, die Maske des Marcher Rölli wurde geschaffen, der auf öffentlichen Veranstaltungen als „Clown“ zum Gespött gemacht wurde und damit viel Aggressionspotential aufschlucken konnte. Ähnliches ist bei den Verkleidungen der „Blauen Jöid“ in der Rhön zu beobachten, die durch das offene Gespött über die Karikatur der Maske möglicherweise sogar das Aggressionspotential der Judenverfolgungen im Naziregime allerdings sehr lokal allein für die Rhön glätten konnte. Eine glatte unpersönliche aber eben auch ebenmäßig schöne Maske half manchem während der Pestzeit wegen Krankheiten Verstoßenem andererseits vielleicht aber eher, seine Krankheit zu verbergen und hinter der Maske Almosen zu bekommen.
Spass, Freude und Optimismus ist, so möchte man meinen, nicht nur zum Genesen aus schwerer Krankheit sehr wichtig, sondern auch zum Verdauen unbewältigter Empfindungen. Im Allgemeinen hört man oft, wenn man nach dem Sinn dieser großen Massen-ekstase Karneval fragt: Einmal im Jahr möchte man doch so richtig aus sich herausgehen, möchte Hemmungen liegen lassen, möchte ohne die üblichen Einschränkungen glücklich sein. Unzweifelhaft gelingt das den meisten aber eben doch nur unter dem Kollektivzwang, den diese „närrischen Tage“ auf alle Teilnehmer ausüben. Ganz besonders skuril hier ein strenger Kostümzwang der Prunksitzungen im Karneval und noch extremer eine durch und durch genau festgelegte Maskenform bei den immer im Hunderter-Pack auftretenden in Reih und Glied vorgefrästen Holzmasken der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Trauen wir uns gar nicht frei von allen Vorschriften zu sein, oder machen wir uns eigentlich befreit, dann gar noch viel mehr penible Auflagen?
Nun mag es wirklich unsinnig sein, bei nachgewiesener Bindung von Karneval (Carne-vale= Fleisch lebe wohl) an den Fleischverzicht des Fastens, nach früheren Wurzeln zu suchen. Auch eine andere etymologische Spur führt nicht wesentlich weiter: ein Carrum navalis, ein mit Karrenrädern ausgestattetes Schiff, für die Schaukämpfe in römischen Theatern, denen freilich jede Comic fehlte. Nun wissen wir aber andererseits, dass am Ende eines Arbeitsjahres zu den römischen Festtagen der Saturnalien, die Arbeiter in einem Haushalt ausbezahlt wurden und auf Wunsch gerne weiter ziehen durften. Eben diese und auch die Sklaven durften jetzt eben einen Tag im Jahr die Gewänder ihrer Herren im gegenseitigen Tausch tragen und wurden -oh du verkehrte Welt- von diesen auch bedient. Bei den frühneuzeitlichen Umzügen konnte man auch bei uns ebensolche zum Schiff umgerüsteten Karren, eben ein „Narrenschiff“, sehen, die eben gerade diese verkehrte Welt zeigen wollten.
Nun sind unsere heutigen Karren ,die bei den großen Karnevalsumzügen durch die Straßen von Mainz, Köln und all den anderen Städten rollen, doch ein wenig aufwändiger. Masken wie die schon von weitem sichtbaren großen Pappmascheeköpfe aus Thüringer Produktion, die wertvollen alten früher handgeschnitzten Holzlarven aus dem Schwarzwald und dem Allgäu, die ledernen Masken der Comedia dell arte und viele andere aus allen Weltregionen kann man- insgesamt weit über 10.000 im internationalen Maskenmuseum in Diedorf bewundern und sich ihre Geschichten erzählen lassen (www.maskenmuseum.de)
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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