"Mein Team hat einen richtig guten Job gemacht": Ein Interview mit Bürgermeister Klaus Habermann

Grund zur Freude: Prof. Dr. Hans Frei (2.v.r.) überreichte den Schwäbischen Museumspreis an Bügermeister Klaus Habermann und Sarah Schormair, rechts der ehemalige Museumsleiter und jetzige Bezirksheimatpfleger Christoph Lang | Foto: Helmut Beck
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  • Grund zur Freude: Prof. Dr. Hans Frei (2.v.r.) überreichte den Schwäbischen Museumspreis an Bügermeister Klaus Habermann und Sarah Schormair, rechts der ehemalige Museumsleiter und jetzige Bezirksheimatpfleger Christoph Lang
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myheimat: Herr Habermann, lassen Sie uns ungewöhnlicherweise für ein Jahrbuch-Interview mit einer Frage zum krisenhaften Weltgeschehen starten. Am 24. Februar 2022 begann Russland einen Krieg gegen die Ukraine. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie von dieser Nachricht erfahren haben? Können Sie uns auch Ihren Gefühlszustand etwas näher beschreiben?

Habermann: Wenn ich ganz ehrlich bin, große Sorge. Ich bin ein Kind der Nachkriegszeit, meine Eltern waren Heimatvertriebene, ich selbst bin in Aichach geboren und habe eigentlich seither nur Zeiten erlebt, wo es bergauf ging! Und plötzlich wieder Krieg in Europa? Ausgelöst von einem Despoten, der mit rationalen Maßstäben nicht mehr zu messen und auch mit vernünftigen, humanitären Argumenten nicht mehr zu überzeugen ist. Einfach nur furchtbar und beängstigend!

myheimat: Gab es in Aichach Solidaritätskundgebungen für die Ukraine?

Habermann: Ja, gleich unmittelbar nach Kriegsbeginn eine große Friedensdemo am Stadtplatz und eine Sammlung von Hilfsgütern im SAN Depot sowie ein Benefizkonzert im DHG. Und von Beginn des Krieges an gab es ein unglaublich großes Engagement des Rotary Clubs SOB-AIC, der mit seiner Kleiderkammer und zahllosen Transporten von Hilfsgütern in die Ukraine bayernweit Zeichen gesetzt hat. Ich bin da als Bürgermeister schon stolz drauf!

myheimat: In unserem letzten Jahrbuch-Interview sagten Sie, dass Ihnen „weniger Corona Sorge bereiten würde als vielmehr die steigenden Preise im Bau- und Energiebereich sowie die allenthalben erkennbaren Materialverknappungen“. Das könne der Wirtschaft „auf Dauer“ weh tun. Beinahe schon prophetische Worte, wenn man auf das Jahr 2022 zurückblickt. Fürs Jahr 2023 sehen die Prognosen auch düster aus. Fürchten Sie eine langanhaltende Rezession?

Habermann: Tja, manchmal wäre es gut, nicht Recht zu behalten. Aber hilft ja nix: die Zeiten sind schwierige, auch für unsere Unternehmen, aber bislang sind die hervorragend durch die Krise gekommen. Ich sehe das an den guten Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr und ich höre das bei meinen zahlreichen Firmenbesuchen auch von den Firmenchefs selber. Ich bleibe optimistisch, auch weil wir so breit aufgestellt sind und ja im Gewerbegebiet Acht 300 viele neue Firmen dazu gewonnen haben.

myheimat: Verlassen wir die Weltpolitik und wenden uns der Kommunalpolitik in Aichach zu. Das Interesse an Bauplätzen ist auch in der Paarstadt sehr groß. Anträge auf Baulandausweisungen werden im Stadtrat und in den Ausschüssen regelmäßig behandelt. Vier Baugebiete sind in Vorbereitung. Wann kann denn voraussichtlich gebaut werden?

Habermann: Ich gehe davon aus, dass mindestens 2 – 3 neue Baugebiete 2023 Baurecht erhalten werden. Ecknach ist aktuell am weitesten im Verfahren. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob der Nachfragedruck so bleiben wird: Die steigenden Zinsen, neben den ohnehin hohen Grundstücks- und Baupreisen, könnten sich schon auswirken.

myheimat: Zum Auftakt des Jahres gab es durchaus erfreuliche Nachrichten von Kämmerin Sandra Rauh. Das Jahr 2021 lief für die Stadt Aichach finanziell besser als erwartet. Die Zuführung an den Vermögenshaushalt betrug immerhin 6,7 Millionen Euro. Bei Gewerbesteuer und Einkommensteuer konnten höhere Einnahmen erzielt werden als gedacht. Wie stellt sich die Situation des städtischen Haushalts zum Ende des Jahres 2022 aus Ihrer Sicht dar?

Habermann: Ganz hervorragend. Ich habe die überaus negativen Einschätzungen und Diskussionen eh nie verstanden: Wir haben doch in all den Jahren bewiesen, dass wir die Finanzen im Griff haben, aktuell mit der niedrigsten Verschuldung seit den Eingemeindungen in den 70er Jahren. Und auch 2022 werden wir wohl die Kreditaufnahmen kaum benötigen und allein bei der Gewerbesteuer 3 Millionen Euro mehr in die Kasse bekommen.

myheimat: 8,55 Millionen Euro wollte die Stadt Aichach zu Beginn des Jahres für Bauprojekte ausgeben. Bei Kanälen bestand Sanierungsbedarf. Der neue Kreisverkehr an der Augsburger Straße soll einen Unfallschwerpunkt entschärfen. In Untermauerbach sollte der Ausbau der Ortsdurchfahrt beginnen. In Unterwittelsbach wurde mit dem Ausbau der Hollerstraße begonnen. Verbesserungen bei den Geh- und Radwegen an der Augsburger Straße waren vorgesehen und der Grünzug Paar sollte vollendet werden. Welche Bilanz ziehen Sie im Hinblick auf diese Projekte?

Habermann: Wir sind trotz der schwierigen Rahmenbedingungen klasse vorangekommen. Der Kreisverkehr Augsburger Straße ist fertig und richtig gut gelungen, der Ausbau der Ortsdurchfahrt in Untermauerbach läuft und ist im Plan, die Hollerstraße ist fertig, an der Brücke Augsburger Straße wird gearbeitet - was eine Verbesserung für den Radverkehr bringen wird - und der allerletzte Bauabschnitt am Vorzeigeprojekt Grünzug Paar ist in Arbeit! Mein Team hat wieder mal einen richtig guten Job gemacht!

myheimat: Zu den immer schwerer zu erfüllenden Pflichtaufgaben von Kommunen zählt die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Kindertagesbetreuung. Viele Städte müssen mit unvorhergesehenen Ereignissen zurechtkommen. Eine verlässliche Planung in diesem Bereich wird fast unmöglich. Häufig muss ganz kurzfristig auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagiert werden. Hinzu kommt noch der Fachkräftemangel. Beginnen wir mal mit der Situation der Kindergärten und Kinderkrippen. Wie schneidet Aichach hier ab?

Habermann:
Wir haben ja letztes Jahr die neue Kita in Holzbauweise auf dem Neusa Gelände in Rekordzeit in Betrieb genommen und wir planen aktuell eine weitere Einrichtung mit 8 Gruppen im Holzgarten. Das Problem sind allerdings nicht nur die Räumlichkeiten, sondern aktuell vor allem das landauf, landab fehlende Personal dafür. Hier zeichnet sich mehr und mehr ein Konkurrenzkampf unter den Kommunen ab, mit nicht immer sinnvollen Mitteln, z.B. bezahlten Handgeldern. Das Problem ist spätestens seit Einführung des Rechtsanspruches, dass es viel zu wenig qualifiziertes Personal am Markt gibt. Da sind jetzt die gefragt, die solche Gesetze gemacht haben.

myheimat: Ab 2026 gilt dann das Recht auf Ganztagsbetreuung für die Grundschüler. Eine immense Herausforderung für die Kommunen. Sie sind kein Fan der offenen Ganztagsbetreuung. Warum?

Habermann: Tja, da geht es ja gleich weiter. Woher soll das Personal kommen, das dann am Nachmittag die Betreuung übernimmt? Inzwischen geht man allerdings schon davon aus, dass verlängerte Mittagsbetreuung, wie wir sie in Aichach in unterschiedlichster Ausprägung haben, Rechtsanspruch erfüllend sein wird. Das würde Druck rausnehmen.

myheimat: Für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune wird die Energieversorgung eine entscheidende Rolle spielen. Im September einigte sich der Aichacher Bauausschuss auf Kriterien, wo Freiflächen-Photovoltaikanlagen entstehen könnten. Was gilt es bei derartigen Solarparks alles zu beachten?

Habermann: Wir sind bei den „Regenerativen“ schon viel weiter als so manche vergleichbare Kommune, was auch das Institut für Energietechnik bestätigt hat. Die haben ja unseren Digitalen Energienutzungsplan erstellt und so manche wichtige Berechnung, z.B. bei der Ausnutzung öffentlicher Dachflächen für PV Anlagen, vorgelegt. Bei PV Freiflächen gilt es natürlich, nicht nach dem „Windhundprinzip“ alles zuzubauen, sondern gute Flächen für die Nahrungsmittelproduktion zu erhalten und landschaftsplanerische Aspekte zu berücksichtigen. Die beschlossenen Leitlinien können uns da sehr helfen.

myheimat: Ein kommunalpolitischer Dauerbrenner ist das Thema „Verkehrsberuhigung in Aichachs Zentrum“. Die großen Busse sollten die Haltestellen auf dem Aichacher Stadtplatz nicht mehr anfahren. Eine solche Lösung würde aber auch Nachteile für viele Fahrgäste mit sich bringen, die dann zum Teil deutlich längere Fußwege in Kauf nehmen müssten. 800 Meter sind es vom Bahnhof aus bis in die Stadtmitte. Und: Wo sollen die Fahrgäste dann einsteigen?

Habermann:
Wir glauben, da inzwischen eine gute Lösung gefunden zu haben. Die geplanten neuen Haltestellen am Feuerhaus in der Martinstraße sind nur einen Steinwurf vom Stadtplatz entfernt und sollten damit auch für ältere Mitmenschen vertretbar sein. Grundsätzlich gehört der Öffentliche Personennahverkehr zur Stadt und in die Innennstadt, gerade in Zeiten der vielbeschworenen Verkehrswende. Und unsere Innenstädte müssen nicht mehr nur „autogerecht“ sein, sondern brauchen mehr Aufenthaltsqualität und Klimafreundlichkeit - vor allem Grünflächen und Sitzgelegenheiten. Wir arbeiten mit Hochdruck daran!

myheimat: Das Jahr 2022 lief veranstaltungstechnisch fast schon wieder auf „vollen Touren“. Corona spielte keine große Rolle mehr. Die Wi-La im Frühjahr, das Volksfest im Juli, das Stadtfest und die BR-Radltour im August sowie der Schwabentag gingen planmäßig über die Bühne. Wie haben Sie diese Events nach so langer „entbehrungsreicher Zeit“ erlebt?

Habermann: Einfach riesig! Natürlich ist durch diese Verschiebungen viel zusammen gekommen, aber wir haben das prima gewuppt und die Menschen haben es genossen. Gerade die BR Radltour war ein gigantisches Event, was ich so in Aichach noch nicht erlebt hatte und ich mache den Job ja schon ein paar Jahre. Und zahllose Bürgerinnen und Bürger und auch Gäste haben mir auch heuer bestätigt: Dieses für eine Stadt unserer Größe unglaublich lebendige Kunst- und Kulturleben macht Aichach noch anziehender und attraktiver!

myheimat: Ein Höhepunkt war sicherlich auch das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Schifferstadt. Wie lief die Festveranstaltung dazu ab?

Habermann: Wir haben das im eher kleinen Rahmen im Alten Rathaus in Schifferstadt begangen und im Dezember werden die Schifferstadter nach Aichach kommen und sogar drei Fenster am Rathaus Adventskalender mitbringen. Freundschaft pur, wie ich finde und die braucht nicht immer die ganz großen Inszenierungen.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen – wie immer an dieser Stelle – noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?

Habermann:
Es waren einmal mehr viele schöne Begegnungen, die ich nicht missen möchte. Ganz besonders in frischer Erinnerung ist mir noch das Zusammentreffen mit der Schauspielerin Jutta Speidel am Rande des Filmfestivals Aichach. Eine ungemein sympathische und geerdete Persönlichkeit.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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