Das Lächeln von Aran

... auch auf Aran müssen Iren und Touristen nicht auf Guinness verzichten ...
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  • ... auch auf Aran müssen Iren und Touristen nicht auf Guinness verzichten ...
  • hochgeladen von Friedrich Schröder

Noch heute, dreißig Jahre nach dieser Begegnung, habe ich immer wieder das wunderbare Bild vor Augen. Es begleitet mich, seit ich auf Aran war. Damals, so glaube ich auch heute noch, stand ich ganz unter dem Bann der Vergangenheit Irlands und der mystischen Bedeutung der Araninseln für die Kelten. Bevor ich dort hinfuhr, hatte ich mich mit Literatur eingedeckt. Ich wollte nicht unwissend oder gar ungebildet in dieses Land der Sagen und Mythen fahren. Ich wollte nur verstehen lernen, warum die Iren so sind, wie sie sind.

Warum Iren so sind, wie sie sind, wird immer ihr Geheimnis bleiben, lernte ich schnell. Es bleibt also nur die Rolle des Beobachters, wie Heinrich Böll es in seinem Irischen Tagebuch beschrieb. Es sind einzelne, eindruckvolle Erlebnisse, die sich einprägen und von Bild zu Bild einen Film in Szene setzen in dessen Handlung man eine aktive Erinnerungsrolle spielt. So, wie es an einem Sonntag auf Aran geschah. Ich kam von einem langen Spaziergang zurück, der mich entlangführte an der wilden, zerklüfteten Südküste der Insel, über blankpolierte Sandsteinbankette hinweg, mich wegduckend bei Angriffen von Heringsmöwen.

Gedankenverloren schlenderte ich über Stock und Stein, an schulterhoch aufgeschichteten Mauern aus Kalksteinscherben vorbei, als ich plötzlich heißen Atem in meinem Gesicht spürte. Erschrocken blickte ich auf in das neugierige Gesicht eines Esels, der seinen Kopf neugierig über den Rand einer aufgeschichteten Scherbenmauer reckte. Aus dem zottigen grauen Fell seines Kopfes lugten zwischen langen, seidigen Wimpern zwei wunderbare braune Augen, in denen ich mich spiegelte. Während der Esel mit seinen langen Ohren wedelte, um Fliegen zu vertreiben, warf er die Lippen auf, als ob er lachen wollte, seine großen, gelben Zähne dabei bleckend.

Auf einer Anhöhe mündete der Schotterweg schließlich in eine befestigte Straße, von der man den Flugplatz von Inishmore überblicken konnte. Die meisten Touristen ziehen den kurzen Flug von Galway der teils stürmischen Überfahrt mit den kleinen Fähren vor, die länger als zwei Stunden dauert. Ich entschied mich damals für das Boot. Und obwohl die See kabbelig war, verlief die Überfahrt planmäßig und ohne Grummeln im Bauch. Delfine waren unsere Begleiter auf der Fahrt zur Insel. Je näher wir kamen, umso unruhiger wurde ich. Was würde mich erwarten. Würde ich etwas von dem Zauber der verborgenen Mythen spüren?

Die Erinnerung an meine Ankunft schob sich vor meine Gedanken, die noch bei der Vogelwelt an der Steilküste weilten, und vor allem bei der Begegnung mit drei riesigen Heringsmöwen, die Scheinangriffe auf mich flogen. Wer störte wohl wen, fragte ich mich und ging die Straße entlang zu meiner Pension. Links am Straßenrand die inseltypischen Hochgräber, steinerne Stehlen, in deren Aushöhlungen die Toten bestattet wurden. Denn richtige Gräber konnten nicht gegraben werden – die Insel besteht völlig aus Kalkstein.

Es war ein sonniger Sonntag. Eine Prozession kam mir von der Kirche her entgegen. Es war der Tag der Kommunion, denn weißgewandete Mädchen und Jungen in dunklen Anzügen wurden angeführt von einem Mädchen mit dichtem, kupferrotem, schulterlangem Haar, auf dem eine weiße gestickte Krone ruhte. Sie trug eine übergroße Kommunionskerze in beiden Händen vor sich her, konzentriert und unbeirrt. Die Augen des Mädchens waren nach unten gerichtet, so als achte sie auf Steine auf dem Weg, über die sie hätte stolpern können. Ich verweilte an der Straße. Plötzlich, das Mädchen hatte mich fast erreicht, blickte es auf und sah mir direkt in die Augen. Ihre Augen waren so blau, als seien zwei Tropfen Himmel in ihr Gesicht gefallen. Ein strahlendes Lächeln huschte über ihr sommersprossiges Gesicht. Dieses Lächeln grub sich in meinem Herzen ein und verankerte sich in einem Winkel meiner Erinnerungen. Ich hatte meine Begegnung mit meinem irischen Mysterium. Ich habe es bis heute nicht vergessen - das Lächeln von Aran.

P.S.: Die Bilder sind etwas blaustichig, sind vom Dia digitalisiert worden. Pardon.

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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