Deutschlandreise - Teil IV: Von Trier bis Passau

Weit vor uns in der Konstantinbasilika thront Kaiser Konstantin II, Herrscher über das riesige Imperium Romanum. Heute sind wir in die größte Stadt nördlich der Alpen gekommen, Colonia Augusta Treverorum, inzwischen Treveris genannt, um dem Kaiser unsere Ehrerbietung zu erweisen. Soeben eingetreten, scheinen unendliche Weiten zwischen uns und dem Kaiser zu bestehen. Mit jedem Schritt nach vorne werden wir gefühlsmäßig immer kleiner und lassen uns überwältigen von der riesigen Basilika. Unendlich lang scheint mir die Zeit, bis wir dann doch endlich vor dem Kaiser stehen und uns verneigen. Kaum den Kopf gehoben, kann ich dem starren, auf mich gerichteten Blick des Kaisers nicht widerstehen und senke wieder den Kopf, nehme dennoch wahr, dass sich der Kaiser erhebt und auf mich zukommt, schon bald vor mir steht, sein Schwert aus der Scheide zieht und ausholt - da wurde ich wach, saß senkrecht im Bett und war in Schweiß gebadet. 

Nun, dieser Albtraum ist gerade ein paar Stunden her. Jetzt befinden wir uns wieder auf dem Weg zu unserem Sportflugzeug und lassen den gestrigen Tag mit ihren zahlreichen Eindrücken Revue passieren. Ja, Trier ist einen Abstecher wert. Wir waren in den Kaiserthermen, an der Porta Nigra, dem nördlichen Stadttor der damals römischen Kaiserresidenz, natürlich in der Konstantinbasilika und haben uns das mittelalterliche Trier angeschaut, bestens versorgt mit einer sachkundigen und redegewandten Stadtführerin, die die letzte Tagesschicht des Touristik-Büros übernommen hatte und uns die sehr wechselhafte Geschichte der Stadt informativ und launig nahebrachte.

Eintauchen in den Süden Deutschlands

Wir steigen ins Flugzeug und freuen uns auf Tag 4 unserer Flugreise über Deutschland. Kurz nach dem Start überqueren wir die Ausläufer des Hunsrücks und folgen dabei dem Lauf der Saar flussaufwärts, überfliegen den idyllischen Ort Saarburg, sehen von oben die bekannte Saarschleife und nähern uns schon bald Saarbrücken, der Hauptstadt des Saarlandes. Von dort geht es Richtung Osten. Unser nächstes Ziel: Speyer. Vorher überfliegen wir den Pfälzer Wald, wie viele andere eins unserer bewaldeten Mittelgebirge, lassen dabei Kaiserslautern links liegen. Dann geht's in die oberrheinische Tiefebene und sehen schon bald den Dom zu Speyer, den Kaiser- oder Mariendom, der inzwischen schon 900 Jahre auf dem Buckel hat und sich die größte erhaltene romanische Kirche auf dem Erdenrund nennen kann. Speyer am Rhein, wohl auch schon von den Römern gegründet, hatte seine Blütezeit im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit, eine wichtige Stadt im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, die einige wichtige Reichstage der damaligen Zeit beherbergte.

Mannheim lassen wir links liegen, weit im Süden können wir den Schwarzwald erahnen, der mit den Vogesen auf französischer Seite den Oberrheingraben einrahmt. Wir fliegen indessen über den Rhein, erreichen Baden-Württemberg und steuern auf die Studentenstadt Heidelberg zu. Idyllisch wirkt die Stadt am Unterlauf des Neckars. Kai-Uwe senkt über dem Fluss die Flughöhe und wir erhaschen so, wenn auch nur wenige Augenblicke lang, tolle optische Impressionen. Schon treiben uns die Motoren unserer Maschine aber weiter, folgen dem Neckar, verlassen ihn, sobald er sich flussaufwärts Richtung Stuttgart nach Süden wendet, um durch eine für meine Begriffe recht langweilige Landschaft auf die bayerische Grenze zuzufliegen. Ich muss ausgiebig gähnen. Solch eine Flugreise ist doch strapaziöser als ich im Vorfeld dachte. Dabei brauche ich mich noch nicht einmal wie Kai-Uwe aufs Fliegen konzentrieren, sondern habe die Freiheit, meine Augen schweifen zu lassen. Aber Kai-Uwe, das weiß ich aus Erfahrung, ist ein harter Hund. Nur vereinzelt tauchen jetzt Waldgebiete unter uns auf. Nach einer Zeit ohne besondere Eindrücke, während der wir unser Lunchpaket der Verdauung anheimgeben, ohne uns dabei mit einigen Lästerungen darüber zurückzuhalten, kommt der bayerische Großraum Nürnberg in greifbare Nähe. Mir kommt Herzogenaurach nordwestlich von Nürnberg in den Sinn, wo immer noch die Zentrale des Global Players Adidas beheimatet ist. Adidas, ein Kürzel für den Firmengründer Adolf Dassler, dessen Bruder Rudolf nach nicht zu überwindenden Meinungsunterschieden das Konkurrenzunternehmen Puma gründete. Während ich noch meinen Gedanken nachhänge, befinden wir uns schon über Nürnberg, von wo die erste deutsche Eisenbahn im Jahr 1835 nach Fürth fuhr, damals eine Revolution im Verkehrswesen. Es waren nur sechs Kilometer, aber es war ein Signal. Als großer Sohn Nürnbergs gilt sicher der bekannteste deutsche Renaissancekünstler Albrecht Dürer. Kai-Uwe macht mich auf den Main-Donau-Kanal aufmerksam, der unscheinbar wirkt, aber die Schifffahrt vom Rhein über Main, Main-Donau-Kanal, Donau bis hin zum dem Schwarzen Meer erlaubt.

Kai-Uwe macht einen Schwenk nach Südosten. Es geht Richtung Regensburg an der Donau, die im Schwarzwald entspringt und ins Schwarze Meer mündet. Leicht zu merken. Wir überqueren die Fränkische Alb und damit das letzte Mittelgebirge, das wir auf unserem Deutschlandflug überfliegen. Wie kleine Rinnsale entdecken wir die Flüsse Naab und Regen, wie sie sich Regensburg nähern. Ein alter Merkspruch aus meiner Schulzeit kommt mir in den Sinn: Iller, Lech, Isar, Inn, fließen rechts zur Donau hin, Altmühl, Naab und Regen, kommen links entgegen. Aber schon kommt der Regensburger Dom in Sichtweise, nur etwa 200 Jahre jünger als der Dom zu Speyer, aber schon geprägt von der damals sich allmählich durchsetzenden, aus Frankreich kommenden Bauart der Gotik. Gotik, sage ich gern, ist für mich das geniale Zusammenspiel tragender Pfeiler, die allerlei Spielraum dazwischen erlauben wie etwa beeindruckende gotische Fenster. Die Romanik musste noch auf Massivität setzen und hatte nur begrenzte Spielräume für Öffnungen. Ein zumeist zielführendes Unterscheidungsmerkmal sind auch die Rundbögen der Romanik und die Spitzbögen der Gotik.

Wir folgen der Donau flussabwärts in Richtung Südsüdost. Links säumen unseren Blick die über 1000m hohen Berge des Bayerischen Waldes, rechts ruht sanft der fruchtbare und deshalb landwirtschaftlich stark genutzte Dungau mit seinen eiszeitlich bedingten Lössböden. Der Dungau und andere Gaulandschaften sind vergleichbar mit den Börden am Nordrand der deutschen Mittelgebirge. Der Dungau jedenfalls eröffnet uns unabhängig davon schon mal den Blick ins Alpenvorland, auch wenn er dafür nicht unbedingt typisch ist.

Inzwischen kommt unser heutiges Etappenziel in Sichtweite, Passau an der österreichischen Grenze, wo die Donau Deutschland Adieu sagt, um sich dann durch Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien ihren Weg zum Schwarzen Meer zu bahnen. Aber jetzt geht's um Passau, für mich ein Inbegriff des Urbayerischen und Katholischen. Mal schauen, ob diese Einschätzung sich bestätigt. Wir landen sicher und pflegen unser Ritual: Wir klatschen uns ab. Morgen steht die letzte Etappe unserer Deutschlandreise an.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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