„Wir wollen uns nicht einmischen“ – Interview mit Stefan Hipp

Stefan Hipp
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Luis Walter: Ihr Vater und Großvater waren Vorreiter in der Biobewegung: Was ist es für ein Gefühl, diesen Boom zu erleben, der in den letzten Jahren dem Biomarkt widerfahren ist?
Die enge Freundschaft zu Dr. Hans Müller, den Begründer der ökologischen Landwirtschaft, hat meinen Großvater überzeugt, dass das die einzige richtige Art ist, Anbau zu betreiben. Wir haben dann die eigene Landwirtschaft in den 50er Jahren umgestellt. Dabei hatten wir große Kämpfe durchzustehen, vor allem gegen die Großbauern. Die letzten Jahre haben aber bewiesen, dass dies der richtige Weg war und wir sind auch in Zeiten dieser Biowelle nach wie vor davon überzeugt. Wir machen mehr und mehr biologische Eigenerzeugung und wir glauben auch, dass das weiterhin der richtige Weg sein wird.

Gibt es eine natürliche Grenze für ökologischen Anbau? Gegner sagen, dass gar nicht genügend Anbauflächen vorhanden wären, um alle Menschen ökologisch zu ernähren.
Ich denke schon, dass es genügend Anbauflächen gibt. Die Nachfrage wächst allerdings momentan stärker als das Angebot, das liegt aber in Europa auch daran, dass viele Erzeuger und Bauern nicht von der biologischen Anbaumethode überzeugt sind, die wollen einfach ihre konventionelle weitermachen. Aber es sind sicher Flächen vorhanden, vor allem, wenn man nach Osteuropa schaut, wo es nach wie vor Flächen gibt, die brach liegen oder noch weiter: Russland, Ukraine, all diese Agrarländer, wo hunderttausende von Hektar noch brach liegen. Von der Fläche her ist das bestimmt kein Problem.

Luis Walter: Woher bezieht Hipp seine Rohware?
Ganz unterschiedlich: Gemüse und Fleisch kommen fast ausschließlich aus Deutschland, zum Teil aber auch aus Österreich und Italien, speziell Karotten, die hier einfach erst ein wenig später kommen. Wir bekommen Obst aus ganz Europa, Spanien, Italien, aus der Türkei, aus der Ukraine und aus Georgien. Die tropischen Früchte kommen natürlich von weiter weg. Pfirsiche zum Beispiel aus Südafrika, die eine ganz spezielle Sorte sind. Wir bekommen Bananen und Mangos aus Zentralamerika, aus Costa Rica. Was wir aber in der Nähe bekommen können, versuchen wir natürlich auch dort zu bekommen.

Welche Waren kommen aus der nächsten Umgebung?
Karotten und Kartoffeln kommen aus der Schrobenhausener Gegend, auch aus der Pfalz kommt viel Gemüse und Fleisch zum Beispiel aus Arenshausen, Rindfleisch kommt aus dem Chiemgau oder aus Österreich, auch aus Mecklenburg. Manche Erzeugnisse gehen aber halt einfach nicht – was hier nicht wächst, bekommt man hier leider auch nicht. Das Interessante ist aber, dass, wenn man die Umweltbilanz anschaut, es keineswegs so ist, dass Nähe automatisch das Beste für unsere Umwelt ist. Ein Containerschiff, das von Costa Rica nach Hamburg fährt, belastet die Umwelt viel weniger als der Laster, der die Ware dann quer durch Europa karrt. Das wird oft falsch eingeschätzt. So ein Frachtschiff kann unglaublich viel Ladung bei relativ geringem Energieverbrauch aufnehmen. Es ist natürlich wieder was anderes, wenn man eine Kiste Tomaten mit dem Flugzeug um die Welt fliegt, so etwas ist Blödsinn.

Diana Deniz: Warum gibt es Hipp nicht in Bioläden?
Das ist in erster Linie auf die Philosophie der ursprünglichen Biolädenbesitzer zurückzuführen. Wenn man Naturkostläden aus den 70er Jahren anschaut, die allerdings auch weniger und weniger werden, dann haben die einfach große Firmen wie uns nicht haben wollen, das empfanden sie als imageschädigend. Dabei sind wir 100% bio, da finden Sie sicherlich nichts Besseres auf dem Markt. Das ist also eine reine Mentalitätssache. Aber in den reinen Bio-Supermärkten, die es immer mehr gibt, sind unsere Produkte genauso zu finden.

Aber zum Beispiel bei Basic und Alnatura doch nicht, oder?
Ja, das stimmt. Aber beispielsweise bei Landmanns sind wir vertreten. Alnatura verkauft nur seine Eigenmarke, die haben auch eine Eigenmarke für Babynahrung, da ist es natürlich klar, dass wir da nicht mit im Regal stehen. Bei Basic liegt es daran, dass die hauptsächlich bei dem Naturkostgroßhändler dennree einkaufen und da sind wir nicht im Sortiment. Denn dennree macht den Hauptumsatz mit den kleinen Naturkostläden, welche größere Firmen ja wie gesagt ablehnen, und da beißt sich die Sache wieder in den Schwanz. Das ist nicht ganz einfach alles.

Diana Deniz: Wie werden die Hipp-Produkte weiterentwickelt? Wann werden Rezepturen verändert?
Wir haben eine große Forschungsabteilung hier in Pfaffenhofen, wir verbessern ständig Rezepte und entwickeln Produkte um. 25% unserer Produkte sind nie älter als drei Jahre. Daran sieht man auch, wie rasant das vorwärtsgeht. Und wenn neue Ernährungsempfehlungen von Professoren, von der EU oder von Gesundheitsverbänden kommen, dann nehmen wir das in unsere Entwicklung mit auf und die Rezepte werden umgestellt. Es wird jetzt beispielsweise für die Milch eine neue Verordnung geben, die EU-weit gilt, da müssen wir umstellen. Parallel geben wir Studien bei Kliniken und Forschungseinrichtungen in Auftrag, wenn es um irgendwelche neuen Trends geht. Ganz wichtig sind zum Beispiel Studien, die Spezial- oder Milchnahrung betreffen.

Markus Zimmermann/Heinrich Wörle: Was denkt die Firma Hipp über die momentanen Diskussion der Managergehälter?
Zunächst einmal: Wir versuchen unseren Mitarbeiter auf jeden Fall eine gerechte Entlohnung für das zu geben, was sie hier einbringen, das sollte selbstverständlich sein. Darüber hinaus geben wir Prämienzahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele. Wenn es speziell um Managergehälter geht, die man so in der Wirtschaft verfolgt, da bin ich dann schon der persönlichen Meinung, dass das oftmals nicht verhältnismäßig ist, gerade wenn der Manager einer Aktiengesellschaft diese Entlohnung bekommt, wenn er den Aktienkurs gigantisch gesteigert hat. Da stellt sich für mich schon die Frage, ob nicht ein langfristiger Erfolg einer Firma der größere Verdienst wäre. Da sollte auch ein Deckel draufkommen sonst wird die Diskrepanz doch hoch.

Sven Mesch: Götz Werner, Chef der dm-Märkte, setzt sich stark politisch ein, fordert beispielsweise ein Grundgehalt für alle Bürger anstelle eines Arbeitslosengeldes. Ist auch Hipp politisch aktiv?
Nein. Hipp hält sich aus politischen Diskussionen raus. Wir machen unsere Arbeit, so, wie wir sie für richtig halten und haben auch sehr klare Vorstellungen davon. Wir haben unsere Ethik-Charta und halten uns daran. Wenn wir unsere Grundsätze an andere vermitteln können, dann machen wir das gerne, aber einmischen wollen wir uns wirklich nicht.

Wie ist Ihr Bezug zum Standort Pfaffenhofen und was wird sich in Zukunft bei Ihrer Firma tun?
Wir haben hier Tradition, hier hat alles begonnen, Pfaffenhofen ist unser stärkster Standort. Ich und mein Bruder sind hier geboren, da ist natürlich eine starke Bindung und hier wollen wir auch bleiben. Was die Zukunft betrifft: Wir hatten 1990 noch eine Million Geburten in Deutschland, letztes Jahr waren es bereits 300.000 weniger! Solche Entwicklungen beobachten wir natürlich genau, auch wenn das für uns bis jetzt noch keinen Umsatzrückgang zur Folge hatte. Aber wir machen inzwischen viel im Bereich Babykosmetik und wollen diesen Bereich auch weiter ausbauen.

Inwieweit ist Ihr Vater in der Firma noch involviert?
Er ist nach wie vor da. Er hat viele andere Dinge, bei denen er aktiv ist und durch die er beschäftigt ist, aber er ist viel hier.

Herr Hipp, vielen Dank für das Interview!

Bürgerreporter:in:

Boris Braun aus Friedberg

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