Warum spielen Affen im Naumburger Dom Schach?

4. März 2011
Naumburger Dom, 06618 Naumburg

Natürlich stehen die Stifterfiguren für alle Besucher des Naumburger Doms im Mittelpunkt des Interesses. Es gibt aber noch viele andere interessante Sachen zu sehen. So kann man zum Beispiel an der Nordseite des Ostchores zwei Affen beim Schachspielen entdecken.

Der Sage nach, hat es damit folgendes auf sich:
Als einstmals zwei Domherren darüber stritten, ob Luther mit seiner neuen Lehre dem Papst gefährlich werden könne, meinte der eine voller Sorge, dass die Zeit nicht fern sei, dass Luther auch im Bistum Naumburg Anhänger finden würde. Der andere aber vertrat die Meinung, dass das niemals passieren könnte: „Eher als die neue Lehre nach Naumburg kommt, müsste ich glauben, dass meine beiden Äffchen daheim das Schachspiel erlernen." Ohne sich zu einigen gingen sie nach Hause. Als aber der zuversichtliche Domherr dort ankam, fand er zu seinem Erstaunen seine zwei Äffchen am Schachbrett sitzend vor, die Figuren, wie sie oft bei ihrem Herrn gesehen hatten, hin- und herrückend. Voller Sorge eilte der Domherr zu seinem Amtsbruder zurück und teilte ihm tief erschüttert das Gesehene mit. Zum Andenken daran ließen beide an einem Pfeiler an der Nordseite des Ostchores im Dom zwei schachspielende Affen anbringen, die heute noch dort zu sehen sind.

Das Affen in der Lage sind, Schachfiguren hin- und herzurücken, kann man sich schon vorstellen. Trotzdem darf der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte, die mitunter auch als Küstermärchen aus dem 18. Jahrhundert bezeichnet wird, bezweifelt werden.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also zwei Jahrhunderte bevor Luther die Bühne der Geschichte betrat, wurde der ehemals spätromanische Ostchor des Doms nach Osten hin hochgotisch erweitert. Man kann sicherlich annehmen, dass in diesem Zusammenhang das Kapitell mit den schachspielenden Affen angebracht wurde. Warum aber?

Die katholische Kirche machte sich zu damaliger Zeit offensichtlich Sorgen darüber, dass spielsüchtige Priester ihre seelsorgerischen Pflichten sträflich vernachlässigen könnten. Deshalb wurden ihnen 1215 in Rom auf einem Konzil sämtliche Spiele verboten. Scheinbar herrschte aber Unklarheit darüber, ob das bei der Geistlichkeit so beliebte Schachspiel auch verboten sei. Auf den Synoden in Trier 1227 und 1310, Mainz 1316 und Würzburg 1329 wurde schließlich festgelegt, dass Kleriker nicht Schach zu spielen haben.

Ob unter den Naumburger Geistlichen auch die unerwünschte „Schachspielwut“ ausgebrochen war, ist nicht überliefert. Man könnte aber die Affen im Dom als Karikatur auf diesen „Sittenverfall“ der Geistlichkeit interpretieren.

Bürgerreporter:in:

Gerd Henschel aus Naumburg (Saale)

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