Forman Brothers mit "Obludarium" auf dem Tollwood - eine Kritik

Die drei Gestalten im Hintergrund waren die Publikumslieblinge von "Obludarium". | Foto: Irena Vodáková
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Matej und Petr Forman sind die Zwillingssöhne des Regisseurs Milos Forman („Einer flog über das Kuckucksnest“). Als Forman Brothers residieren sie derzeit mit ihrem Gefolge auf dem Tollwood-Festival. Ihre Show „Obludarium“ feierte am Mittwoch ihre gut zweistündige Deutschlandpremiere in München.

Angekündigt hatten die Veranstalter „eine der aufregendsten, außergewöhnlichsten, poetischsten und freakigsten Varietéproduktionen der Gegenwart“. Aber handelte es sich bei „Obludarium“ wirklich um Varieté, um darstellende Kunst oder um einen satirischen Seitenhieb auf Kuriositätenkabinette und Monstrositätenschauen vergangener Zeiten? Eine klare Antwort darauf gibt es nicht. Die Zuschauer waren sich aber in zwei Dingen weitgehend einig: „Bequem ist anders“, aber das Zelt überzeugte als eigenwillige, jedoch gelungene Konstruktion. Eigenwillig war auch die Produktion. Schon zu Beginn, als einer der Forman Brothers je 30 Gäste vor der ersten Attraktion des Abends – noch im Freien – abstellte: einem „Strongman“, der heißes Eisen schmiedete und dessen Haut von zahlreichen Wunden übersät war. Nicht gerade aufregend, vier Minuten vor einem Schmied zu stehen, der als stärkster Mann der Welt angepriesen wurde, ohne den Beweis anzutreten. Danach führte Forman die Besucher in das Vorzelt, wo ein Puppenspieler in einem Kassenhäuschen etwas veranstaltete, was keine artikulierte Faszination bei der Hälfte der Menschentraube hervorrief, die Sicht auf die Darbietung hatte. Derweil kam die zweite Gruppe zum Schmied. Etwas mehr als 120 Zuschauer fanden so schließlich zeitversetzt den Weg ins Zelt. Nicht alle blieben in der langatmigen und vor allem in der ersten Hälfte langweiligen Produktion ohne Pause auch drin.

Selbst die Moderation eines der beiden Brüder war auf Langeweile getrimmt. Kostüme und Nummern wirkten Jahrzehnte alt, die Tricks durchschaubar unspektakulär – sofern man in den hinteren Reihen der Performance bei dem diffusen Licht überhaupt folgen konnte. Glücklicherweise kam es für das Verständnis nicht so sehr auf Worte an, denn was nützt es dem bayerischen Publikum, wenn die Forman Brothers tschechisch, englisch, ein bisschen italienisch und viel französisch aber nur rudimentär deutsch sprechen und singen? Unheimlich lange zog sich das Lied „Frère Jacques“ mit der treffenden Liedzeile „dormez-vous?“ („Schlafen Sie?“) hin, bis aus dem Kanon ein temporeiches Glücksspiel wurde und die Nummern im hinteren Teil des Programms eine deutliche Steigerung darstellten.

Diese durchaus anspruchsvollen und bisweilen vergnüglichen Varietéelemente, bei denen vor allem denjenigen Akteuren Respekt gebührt, die ihre im Vordergrund agierenden Kollegen mit Hilfe des Flaschenzug-Prinzips gekonnt in Szene setzten, retteten den Abend leider nicht mehr. Zu oft erzeugte die Live-Blasmusik eine Stimmung, die nicht so recht aufkommen wollte. Zu oft hätten Tanzjuroren kleine Patzer und verbesserungswürdige Synchronität bemängelt. Zu lange wurde das Publikum mit einem strippenden Halbwookieweibchen, das sich am Ende als – hier wird nichts verraten – herausstellte, und glanzloseren Nummern hingehalten. Im Prinzip gab der weniger euphorische Forman-Bruder auf der Bühne zu, dass erst die schöne Darbietung, bei der drei Gestalten mit überdimensionalen, lieblich-hässlich gestalteten (Pappmaschée?-) Köpfen nicht auf ihren Stühlen sitzen bleiben wollten, „magnifique“ („fabelhaft“ bzw. „großartig“) war. Als Running Gag tauchte das groteske Trio immer wieder auf und beanspruchte auch das Finale für sich. Ein klares Ende hatte die Produktion trotz Finale nicht, denn nach der anschließenden Applausrunde für die Darsteller ging die Show nahtlos in einen kostenpflichtigen, von den Forman Brothers und ihrem Ensemble gesteuerten Barbetrieb über.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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