Ein Kompass, aber bitte ohne Mama

Andere Jungen bekommen von ihrem Papa ein Fahrrad, einen Fußball, einen Kompass, eine eigene Kamera oder ein Taschenmesser.
Und ich?
Ich bekomme eine Mama!

Gestern hat mein Papa wieder zu mir gesagt, dass ich bald eine neue Mama bekomme.
Man hat mir beigebracht, dass man danke sagt, wenn man etwas bekommt. Also habe ich schon mal im Voraus danke gesagt und gefragt, was mit der anderen Mama passiert ist.
„Mit welcher Mama?“, hat der Papa gefragt.
„Mit der letzten, die da war“, hab ich geantwortet.
Mein Papa hat gesagt, dass diese Mama keine gute Mama war und Papa deshalb für mich eine neue Mama suchen musste.
Ich habe ihn daraufhin angesprochen, dass er das immer sagt und jedes Mal verspricht, die neue Mama wird besser sein, als die vorhergehende. Aber so ist das gar nicht. Die Mama, die vor der anderen Mama da war, die in der Kirche die Orgel gespielt hat, wo sie mich manchmal mit hin genommen hatte, die war viel besser als die, die später da war.
Und die eine Mama, die mir manchmal Geld für Eis gegeben hat, die war gar nicht so schlecht, aber der Papa hat gesagt: Nein, die ist zu fett.
Ich verstehe nicht, warum die Mama von meinem Freund Peter fett und gut ist, aber für mich eine fette nicht gut sein soll?
Und von der Mama die vor der Mama da war, von der Papa gesagt hat, dass sie fett ist, hat Papa gesagt, er kann das nicht länger mitansehen, dass meine Mama eine Mama ist, die ständig nur das ganze Geld ausgibt. Aber das war gar nicht wahr, denn diese Mama hat mir gar kein Geld für Eis gegeben, sondern das ganze Geld nur für schöne Kleider ausgegeben.
Und von der Mama, die mir immer die schönen Geschichten vorgelesen hat, von der hat Papa gesagt, es ist gut, dass diese Mama nicht mehr da ist, weil das mit ihr nicht so war, wie es am Anfang ausgeschaut hat.
Ein bisschen hat Papa da schon recht gehabt, denn diese Mama hatte am Anfang eine ganz andere Haarfarbe, als zum Schluss.
Diese Mama hat mir nicht Leid getan, aber die nächste hat mir schon Leid getan, weil sie nämlich beim Abschied geweint hatte.
Nach dieser Mama, als eine andere Mama da war, da war Weihnachten.
Die hat dann viele Plätzchen gebacken, mit Schokolade und Streusel drauf. Aber als ich dann morgens aufgestanden bin, da war diese Mama auch wieder weg.
Und als die nächste Mama dann kam, kriegte ich von ihr einen Kompass.
Ich habe mich sehr darüber gefreut und Angst gehabt, wenn sie wieder geht, dass sie mir den Kompass wieder wegnimmt.
Aber sie ist weggegangen und ich habe den Kompass trotzdem behalten dürfen.
Eine Woche später habe ich ihn dann aber trotzdem im Wald oder auf der Wiese verloren – den Kompass.
Da habe ich geweint und Papa hat gesagt, er kauft mir einen neuen. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich einen neuen Kompass kriege. Ich habe gar nicht lange warten müssen, da hat Papa mir einen neuen aus der Stadt mitgebracht und gesagt, dass ich auch wieder eine neue Mama bekomme.
Aber ich wollte doch nur einen Kompass!
Nur einen Kompass - ohne Mama!

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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