CALYPSO - DER ZAUBERKLANG DER KARIBIK

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Port of Spain, Trinidad. Odysseus wurde bekanntlich von der Nymphe Calypso für sieben Jahre in eine Höhle eingesperrt. Ob sie ihm dort gezeigt hat, wie Calypso getanzt wird?

Als ich im zarten Alter von zwölf Jahren begann, Schallplatten zu sammeln, trug meine erste schwarze Scheibe den schönen Titel „Mama looka booboo“, gesungen von einem „King Flash“. Mit meinem Schulenglisch verstand ich vom Titel und Text nur „Bahnhof“, denn dieses „Pidgin-Englisch“ aus der Karibik hatte ich noch nie zuvor gehört. Doch der Klang, der Rhythmus, die packende Stimme des Sängers und die frische Präsentation des Songs gingen sofort unter meine Haut, an der bisher alle deutschen Schlagerschnulzen erfolglos abgeprallt waren. Das war’s doch! Lebendige Musik mit Herzklopfen! Und so begann ich mich für Calypso zu interessieren, lange bevor ich zum Rock and Roll Fan wurde.

Wenn wir das Wort Calypso hören, denken wir wohl eher an Harry Belafonte und seinen „Banana Boat Song (Day-o)“ oder an das Forschungsschiff von Jacques Cousteau, als an eine griechische Nymphe. Doch das war’s dann wohl auch schon mit unserem Wissen zum diesem seltsamen Wort.

Deshalb hier ein kurzer Blick zurück in die Geschichte. Im Zeitraum von der Entdeckung Amerikas 1492 bis ins Jahr 1870 wurden mehr als 11 Millionen afrikanische Sklaven nach Amerika verkauft. Viele von ihnen wurden in die französischen und englischen Kolonien in der Karibik an weiße Farmer geliefert. Sowohl die Weißen als auch die Neger brachten ihre Bräuche und Musik aus den Heimatländern mit. Die Franzosen z.B. ihren Karneval, die Sklaven ihre rhythmische „Kaiso“-Musik aus Westafrika.

Da die Sklaven bei der Arbeit nicht reden durften, teilten sie sich Neuigkeiten durch Gesang mit, so wie es einst die mitteleuropäischen Troubadoure im Mittelalter als reisende Zeitungen taten. In den Sklaven-Gesängen wurde vorwiegend über die Weißen geschimpft und geflucht oder gar zur Revolte aufgerufen. Die Unterdrücker verstanden diese Sprache nicht. Kurzum, man hatte im Calypso eine Nachrichtenquelle und ein Kommunikationsmedium geschaffen, mit dem man über die weißen Herren und ihre Politiker ungestört herziehen konnte. Nach getaner Arbeit auf dem Feld und im Haus kamen die Sklaven abends zusammen, um gemeinsam zu musizieren und zu singen.

1880 wurden von den Sklavenhaltern jegliche Musikinstrumente untersagt. Jetzt blieben nur noch Bambusstöcke als Rhythmusinstrumente, die auch schon bald verboten wurden. Ab 1937 wurde dann vorwiegend auf präparierten leeren Ölfässern musiziert (Steel Bands). Im Jahre 1912 entstand in New York zum ersten Male in der Musikgeschichte eine instrumentale Calypso-Aufnahme, gefolgt von einem Calypso-Song im Jahre 1914, gesungen vom „Duke of Iron“.

Was für die Weißen ihr „Karneval“ oder „Mardi-Gras“ ist, das ist der „Canboulay“ (heute Calypso-Carnival) für die Schwarzen. Statt Büttenreden werden dort satirische Songs zum besten gegeben, die auch schon einmal heftig unter die Gürtellinie gehen oder recht schlüpfrig sein können. Voraussetzung ist, man versteht den Dialekt, der von Insel zu Insel unterschiedlich ist. Jeder Sänger schreibt seine eigenen Songs, die er in einem Wettbewerb im „Calypso-Tent“, einem speziellen Festzelt mit Bühne, persönlich vorträgt. So wird auf jeder Insel jedes Jahr ein „King of Calypso“ gewählt. In den Songtexten werden auch die Konkurrenten des Wettbewerbs nicht verschont. Sehr oft wird aus dem Stegreif schnell eine weitere Beleidigung dem Song hinzugefügt. Die Sieger schmücken sich gerne mit ironischen Namen wie „King Sparrow“ (Spatzenkönig), „Duke of Iron“ (eiserner Graf), Lord Melody (Graf Melodie),
„Mighty Bomber“ (mächtiger Bomber), Lord Flea (Graf Floh) „King Attila the Hun (König Attila der Hunne), „Lord Cristo“, „Lord Kitchener“, „Houdini“, „Roaring Lion“ (Brüllender Löwe) oder „King Flash“ (König Blitz) , womit wir wieder bei meiner ersten Calypso-Schallplatte angekommen wären: „Mama looka booboo“ bedeutet soviel wie „Mama, schau ein Butzemann“ und damit meinen die im Chor singenden Kinder ihren Vater, der nicht gerade ein Schönheit zu sein scheint.

Nach dem Erwerb jener kleinen Schallplatte begann ich, mich für diese sonnige und lebensfrohe Musik aus der Karibik zu interessieren. Unweigerlich stieß ich dabei auf Harry Belafonte, der diese Musik in den USA populär machte und sie mit Erfolg um die ganze Welt trug. Meine Nachforschungen nach den Quellen dieser Musik erwiesen sich im Deutschland der 50er und 60er Jahre als sehr schwierig – fast unmöglich. Außer den wenigen Belafonte-Platten gab es keine Calypso-Musik in Deutschland. Jede einzelne LP oder Single musste ich mühsam in importierten US-Katalogen aufstöbern und über einen speziellen Schallplatten-Importdienst in Hamburg nach Deutschland einführen. Inzwischen konnte ich dank des Internets viele Raritäten aufstöbern und meiner Sammlung hinzu fügen (siehe Fotos).

Mein größter Traum, einmal in einer „Steel-Band“ mitzuspielen habe ich mir auf einer meiner Reisen erfüllt. Auf der Insel Grenada schlug ich in einer solchen Band auf einer verrosteten Autofelge den 2/4-taktigen synkopierten Calypsorhythmus.
„Yah-man!“

Hier einige Hörproben (ich weiß nicht, ob man diese von D. aus anklicken kann):

http://www.youtube.com/watch?v=0foz1J_9-yY
http://www.youtube.com/watch?v=4xg_Z0IWNGk&feature...
http://www.youtube.com/watch?v=YB55C6tT-6o&feature...
http://www.youtube.com/watch?v=v3vSsA4fqNE&feature...
http://www.youtube.com/watch?v=e_tltxYYSkg&feature...
http://www.youtube.com/watch?v=cfKz_inxVLc&feature...

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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