Aus "Putschemull" wurde ein modernes Klinikum

Geld, Gold und Urkunden sollten an Bau des Krankenhauses erinnern
Hermann Manskes „Schatzkiste“ spurlos verschwunden

Von Lothar Rolf Luhm

Das Lehrter Stadtarchiv ist eine wahre Fundgrube, in der so mancher Schatz aufbewahrt wird: Jahrhunderte alte Urkunden, bunte Postkarten, Zeitungsartikel und allerlei Wissenswertes in vergilbten Folianten. Allerdings ist noch nicht alles aufgefunden und ausgewertet, was im Laufe der Jahrzehnte von der Gemeinde- oder Stadtverwaltung ausgemustert und irgendwo auf Böden oder in Kellern abgelagert worden ist. Einiges soll sogar auf der Müllkippe gelandet sein. Vor allem an Fotografien und schriftlichen Beilagen von historischen Fundstücken ist Archivar Jens Mastnak interessiert, die irgendwo ausgegraben und der Stadt zu treuen Händen übergeben wurden, wie zum Beispiel jene Dokumente, die bei Neubauarbeiten am Lehrter Krankenhaus im Oktober 1966 von Arbeitern gefunden wurden. Doch die Kassette mit dem historisch wertvollen Inhalt ist seit einigen Jahren spurlos verschwunden.
Vor über hundert Jahren hatte der größte Mäzen Lehrtes, der Fabrikant Hermann Manske, beim Bau des ersten Lehrter Krankenhauses eine Kassette der Erde übergeben , die im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert war, wie der inzwischen verstorbene Oberinspektor Hans Jansen seinerzeit erklärte. Gefunden wurden eine handgeschriebene Schenkungsurkunde des Fabrikanten Hermann Manske nebst Bauzeichnungen auf Seide sowie einige Goldstücke und weitere Münzen aus der Kaiserzeit. Interessant war vor allem das persönliche Vermächtnis in dieser Urkunde, in der es unter anderem heißt:
„Im Jahre 1895 erbaute ich , der Fabrikbesitzer Hermann Manske, geb. am 26.12.1839 zu Preußendorf, Deutsch Krone, ein Krankenhaus, und übergebe dasselbe der Gemeinde Lehrte ohne irgendwelche Privilegien für mich und meine Nachkommen als Geschenk“. Weiter ist auf dem etwas vergilbten Schriftstück vermerkt, dass das geschenkte Grundstück eine Größe von 84,70 ar und das Krankenhaus einen Wert von 36000 Goldmark habe. Das Haus hatte 15 Betten, acht für Männer und sieben für Frauen. Für die Inneneinrichtung brachten Lehrter Bürger selbst einen Betrag von 6800 Mark auf. Weiter schreibt der Stifter, dass ihm mehr als alles andere das Wohl der Arbeiter am Herzen liege. Die immer mehr zunehmende Zahl der Arbeiter in dem aufstrebendem Industrieort Lehrte - so Manske – mache den Bau einer Pflegestätte notwendig . Außerdem wolle er sich dafür bedanken, dass die Lehrter Feuerwehr bei einem Großbrand in seiner Zementfabrik größeres Unheil verhüten konnte. Ferner ist in der Schenkungsurkunde vermerkt, dass Lehrte um die Jahrhundertwende rund 4500 Einwohner zählte, eine zwölfklassige Volksschule und auch eine einklassige katholische Schule besaß.

Eine zeitlang hatte der Anfang 2009 versstorbene Oberamtsrat Günther Becker die „Schatzkiste“ in seinem Tresor im Hauptamt der Stadt aufbewahrt. Als dann mit Wirkung vom 1. Januar 1971 der damalige Landkreis Burgdorf Eigentümer des Krankenhauses wurde, musste die Stadt wider Willens auch die gefundenen Dokumente herausrückten, erinnerte sich Günter Becker. Geld und Gold sollen sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in der Kassette befunden haben. Dieses hatte vorher schon irgend jemand in Verwahrung genommen.
Wie dem auch sei. Die wertvollen Urkunden sind derzeit nicht auffindbar. Vorhanden ist im Stadtarchiv nur ein notariell beglaubigter handgeschriebener Schenkungsvertrag, beglaubigt vom Königlich Preußischen Notar Dr. Theodor Nindel zu Burgdorf, ausgestellt in der Villa Nordstern bei Ilten am 20.12. 1894.
Interessant in dem Vertrag ist der Hinweis, dass weder Krankenhaus noch Grundstück verkauft oder belastet werden dürfen. Weiter wurde festgelegt, dass die Schenkung den Namen „Krankenhaus Lehrte H, Manske Stiftung führen soll, wozu sich Gemeindevorsteher Leopold Längner ausdrücklich im Namen der Gemeinde per Unterschrift verpflichtete. Seine Majestät der Kaiser und König erteilte per Erlaß vom 15. Juni 1895 Schenkung und Stiftung seine Genehmigung.

Urkunden aus Manskes „Schatzkiste“ entdeckt

Aufgetaucht ist eine Kopie der bisher noch nicht wieder aufgefundenen Schenkungsurkunde aus der sogenannten „Schatzkiste“, die Fabrikbesitzer Hermann Manske 1895 bei der Grundsteinlegung zu dem von ihm gestifteten Krankenhaus einmauern ließ. Andere Erinnerungsstücke, wie zum Beispiel eine Münzsammlung und ein kompletter Briefmarkensatz aus der Kaiserzeit, sind spurlos verschwunden. Als bei Umbauarbeiten am Krankenhaus im Oktober 1966 die Zinkkassette entdeckt wurde, wir berichteten am 24. Juli 2003 erneut darüber, enthielt sie neben Bauzeichnungen auch je ein Exemplar des Lehrter Beobachters und des Burgdorfer Wochenblattes vom 23. Februar und vom 10. Dezember 1895. Ferner Porträts der Stifterfamilie und auch jene handgeschriebene Schenkungsurkunde, die nach einer Aktennotiz vom 10. Oktober 1991 vom Landkreis Hannover im damaligen Landkreis-Archiv in Neustadt abgelegt worden sein soll.
Sie konnte bisher nicht wieder entdeckt werden, wohl aber eine Originalkopie der Schenkungsurkunde, die Wolfgang Grotstück, Kaufmännischer Direktor des Krankenhauses Lehrte der Region Hannover, wie seinen Augapfel hütet, ebenso die beiden vorgenannten über 100 Jahre alten Zeitungen. Inzwischen bemüht sich Stadtarchivar Jens Mastnak, entweder das Original oder zumindest eine Kopie dieser wertvollen Urkunde für die Stadt Lehrte zu bekommen.
In dem 20seitigen Schriftstück bringt Hermann Manske zum Ausdruck, dass mit der Schenkung keinerlei Privilegien für ihn und seine Nachkommen verbunden seien. Er schildert in seinem Vermächtnis Lehrter Verhältnisse und bekräftigt ausdrücklich, dass das Krankenhaus vor allem als Zufluchtsstätte für kranke Lehrter Arbeiterfamilien gedacht sei. In der Urkunde wird auch auf die beigelegten Münzen - Kupferpfennige, Groschen, 2-Mark-Stücke aus Silber sowie 1-Mark- und 10-Mark-Stücke aus Gold – und auf die Namen jener Gemeindemitglieder hingewiesen, die mit einer Spende zwischen einer und 300 Mark zur Einrichtung des Krankenhauses beigetragen haben. Insgesamt kamen 6866 Goldmark zusammen, darunter ein Betrag von 1500 Mark eines Unbekannten.
Glücklich ist Direktor Grotstück, dass er „seinem Krankenhausarchiv“, jetzt eine Kopie des bisher ihm nicht bekannten Schenkungsvertrages beifügen kann, den Hermann Manske am 20. 12. 1894 vom Königlich Preußischen Notar Dr. Theodor Nidel zu Burgdorf in seiner Villa Nordstern bei Ilten beglaubigen ließ. Das Original befindet sich im Besitz der Stadt Lehrte. Interessant, jedoch keinesfalls schädlich ist zum Beispiel der Hinweis in der Urkunde, dass weder Krankenhaus noch Grundstück verkauft oder belastet werden dürfen. Aus allen Unterlagen, so Wolfgang Grotstück, ist zu erkennen, daß das Krankenhaus von der Gemeinde zur Stadt, von der Stadt an den Landkreis Burgdorf und von diesem an den Landkreis Hannover und weiter an die Region Hannover niemals verkauft, sondern stets unentgeltlich weitergegeben wurde. lrl

Bürgerreporter:in:

Lothar Rolf Luhm aus Lehrte

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