Ein neues Jahr...

Joy
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bedeutet alles auf Anfang und damit willkommen in meinem Tagebuch.
Ich habe mir, nach Pinos Auszug ein wenig mehr Zeit genommen, um mich mal genau im Tierheim umzusehen. Also, das mache ich ja schon sehr lange, aber nun habe ich die Sichtweise wie ich die Dinge, Menschen und Tiere betrachtet geändert. Bisher habe ich mir einfach jeden Tag meine Umgebung angesehen und mich gefreut am Leben zu sein, dass es mir gut geht, dass ich viele Menschen habe, die sich um ich kümmern und versuchen mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen - was bei mir ja nicht ganz so einfach ist.
Ja, ich weiß schon, dass mir durch meine Augen OP etwas an der Mimik fehlt und, dass ich für viele Menschen sicherlich nicht gerade der Inbegriff der Schönheit bin und natürlich sind meine Eigenheiten auch nicht gerade immer wieder der große Pluspunkt wenn es um Beliebtheit geht. Aber nichts desto trotz lieben mich unsere Menschen hier. Das weiß ich, auch wenn sie manchmal ganz viel mit mir schimpfen, weil ich mal wieder nur neben das Katzenklo gepinkelt habe.
Aber mal von Anfang an, damit mich auch die Leser kennen lernen, für die ich sozusagen ein Neuzugang bin.
Mein Name ist Joy und das bedeutet eigentlich übersetzt Freude. Aber mein Leben hat alles andere als mit großer Freude angefangen. Ich wurde zusammen mit ein paar Artgenossen in der Nähe vom Tierheim, in einer kleinen Transportbox ausgesetzt. Ich hatte das Pech nicht alleine in der Box zu sitzen. Mein Kumpel Jamie war schwer verletzt, er blutete sehr stark und ich saß mit ihm zusammen in dieser Box und konnte zu dem Zeitpunkt auch nichts sehen. Ich roch nur seine Panik und meine Angst und dann wurden wir Gott sei dank von den Menschen im Tierheim gefunden. Wir waren 4 Katzen, die wohl einfach nicht mehr erwünscht waren und wussten überhaupt nicht, was wir falsch gemacht haben. Ich weiß bis heute nicht, warum wir weg mussten, aber ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass uns nichts besseres hatte passieren können. Wir wurden alle 4 mit sehr viel Liebe und Fürsorge verpflegt und bei mir wurde festgestellt, dass ich mit einer großen OP würde wohl das erste Mal in meinem Leben richtig sehen können. Die Menschen hier haben nicht gezögert und sobald ich stabil genug war, wurde ich operiert. Und was soll ich sagen, ich habe zwar nicht mehr der Gesichtsausdruck von damals, dafür kann ich aber sehen - und das finde ich ehrlich gesagt umwerfend. Das Ganze war im Jahr 2018. Meine Kumpels von damals sind alle schon lange vermittelt und auch wenn ich nicht weiß, wie es ihnen jetzt geht, bin ich mir sicher, dass sie alle glücklich sind. Ich selbst war ja auch nicht die ganze Zeit hier. Ich wurde zuerst zu ein paar Artgenossen vermittelt, aber ich muss sagen, da fühle ich mich einfach nicht wohl. Ich kann mit meinen Artgenossen nichts anfangen und das ist auch nicht böse gemeint, aber ich kann sie einfach nicht leiden. Außerdem habe ich eben dieses kleine Problem mit der Reinlichkeit. Trotzdem hatte ich auch Glück und eine nette Dame hat sich in mich verliebt. Sie wollte mir eine Chance geben und ich fühlte mich bei ihr eigentlich sehr wohl. Sie hat nicht versucht, dass ich auf ein Katzenklo gehe, sie hat mir so weiche Unterlagen gegeben und da habe ich dann ganz brav ein Geschäft gemacht. Ich weiß, ich bin ja immerhin eine schlaue Katze, dass das nicht ganz die Lösung ist, aber ich komme einfach irgendwie mit Katzenklos nicht klar. Würde ich eine Selbstdiagnose wagen, würde ich sagen, dass ich keine Plastikschüsseln und keine Katzen als Nachbarn mag und mich deswegen weigere so ein Ding zu benutzen. Meine Menschen hier sind der Meinung, dass sich das mit Freigang vielleicht legen könnte. Nun ich muss gestehen, dass ich darüber noch gar nicht nachgedacht habe. Freigang? Das wäre sicherlich eine Alternative. Aber ich sollte dennoch Menschen um mich haben, die mit mir kuscheln und sich um mich kümmern, denn ich liebe es zu schmusen. Ich weiß, ich habe den Ruf eine ganz harte Katzendame zu sein, die sich um nichts und niemand kümmert und die ihr Leben komplett alleine bestimmen will. Ja, das mag schon irgendwie sein. Wahrscheinlich wäre jeder in dieser Box mit einem langsam verblutenden Kumpel neben sich verrückt geworden und hätte versucht die Flucht zu ergreifen. Ich saß da und habe einfach gehofft, dass das alles irgendwie vorüber gehen wird. Ja, ich habe einen starken Willen und bin auch wirklich ein Dickschädel. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann halte ich damit nicht hinter den Berg. Aber gleichzeitig brauche ich Streicheleinheiten und nette Worte, brauche jemanden, bei dem ich mich auf den Schoss setzten darf und schnurren kann, jemanden der nicht nur eine hübsche Katze aus der Fernsehwerbung will, dem es egal ist, dass ich angeblich nicht hübsch genug bin und der sehen kann, was ich nicht richtig ausdrücken kann, weil mit Teile des Augenlides fehlen. Ich will kein Mitleid, mir geht es gut und ich habe zu viel überlebt, um auf Mitleid angewiesen zu sein. Ich will einen Menschen, der mich liebt und mich deswegen zu sich nimmt. Ich bin eine tolle Katze und ich kann Freude zeigen - mensch muss es halt auch sehen wollen.
Ich werde dieses Jahr 9 Jahre alt und ich hätte wirklich noch viel vor.

So, das war jetzt mal ziemlich viel über mich selbst, aber ich denke, es ist wichtig, dass Sie denjenigen, der das Tagebuch schreibt auch wirklich kennen.
Ich freue mich darauf, in dieser außergewöhnlichen Zeit für Sie da zu sein, Ihnen zu erzählen, was bei uns im Tierheim passiert, da Sie uns zur Zeit ja nicht besuchen dürfen. Ich habe mich bei unseren Menschen schlau gemacht, mir viele Gespräche angehört, mich über diese Dinger in Ihren Gesichtern informiert und weiß, dass es für Sie Menschen gerade nicht einfach ist. 
Ich werde versuchen, Ihnen viele schöne Geschichten zu erzählen - so hoffe ich zumindest - und denke, dass Pinos Auszug letztes Jahr für uns alle ein Startschuss war. Wie es zumeist ist, passieren die besonders guten Dinge dann, wenn keine damit rechnet und man schon fast aufgegeben hat. 
Lassen Sie uns also gemeinsam ein neues Jahr im Tagebuch anfangen und hoffen, dass ich Ihnen bald ein paar ganz tolle Neuigkeiten berichten kann. Was ich Ihnen schon jetzt versprechen kann ist, dass ich beim nächsten Eintrag ganz viele neue Bilder für Sie haben werde. Wenn ich so gerade in meinen Fundus sehe, dann muss ich dringend dafür sorgen, dass wir alle unsere Bewohner endlich mit Foto vorstellen können. Aber das hole ich sofort nach - versprochen.

Bleiben Sie tapfer und gesund und vergessen Sie uns nicht.
Ihre
Joy

Tierheim Höchstädt

Bürgerreporter:in:

Sabine Pollok aus Dillingen

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