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Das Leben mit all seinen Facetten

Albert | Foto: SP
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Guten Tag liebe Leserinnen und Leser,

in den letzten Tagen habe ich angefangen, mich ein wenig intensiver mit dem Tagebuch zu beschäftigen. Natürlich habe ich als aufmerksamer Bewohner des Hundehaus schon sehr viel davon gehört und als mich Sissi nun gefragt hat, ob ich ein wenig über unser aktuelles Leben erzählen will, wollte ich mir zuerst einen Eindruck verschaffen.
Es ist spannend die Seiten zurückzublättern zu den Anfängen, ganz weit zurück, muss ich dazu auch sagen. Ich lese Namen, die ich zuvor noch nie gehört habe, von Zeiten, die vor meiner Geburt lagen und erlebe Geschichten, die mich berühren und auch ins hier und jetzt begleiten. Gerade die Zeit als das Tagebuch von Nando geführt wurde - ein großer schwarzer Mischling mit etwas drahtigem Fell - na, da kann ich doch gleich eine Verbindung herstellen. 
Sicherlich geht es Ihnen auch oft so, dass Sie manchmal zurückblicken und die Erlebnisse an sich vorbeiziehen lassen. Manchmal tut ein wenig Abstand auch ganz gut, eröffnet neue Blickwinkel und gibt einem die Möglichkeit die Gegenwart teilweise ebenfalls in ein anderes Licht zu setzen.
Als ich hier im Tierheim eingezogen bin, war ich nicht wirklich sicher, was ich mit dem Wesen Mensch anfangen sollte. Ich habe recht unbehelligt von Menschen gelebt und konnte viel selbst entscheiden. Hin und wieder habe ich gehört, wie man mich hier einen etwas verwöhnten Hund nennt, der gerne seinen Kopf durchsetzen will. Wahrscheinlich stimmt das schon so ein wenig, aber es hatte sich ja auch vorher nie jemand für mich Zeit genommen oder sich mal wirklich mit mir beschäftigt. Ich hatte zwischendurch eine gute Familie, aber irgendwie habe ich mich doch nicht so wohl gefühlt wie ich zu Beginn dachte und unsere Wege haben sich wieder getrennt.
Mittlerweile arbeite ich sehr intensiv an meiner großen Liebe zum Wesen Mensch. Ich bin anscheinend ein sogenannter Frauen-Hund und mit Kindern werde ich einfach nicht warm, aber Frauen mag ich wirklich gern. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht auch ein paar Menschen-Männer als Freunde habe. Ich brauche einfach nur ein wenig länger, wenn die Hände größer und die Stimme tiefer ist. Aber prinzipiell mag ich Menschen schon sehr gern. Ich habe nur ein Problem damit, wenn ich mich mit mehreren Menschen beschäftigen soll. Ich weiß nicht, ob ich so ein richtiger Familienhund bin, der sich einfach so in ein bestehendes Rudel einleben kann. Normalerweise habe ich gerne eine Bezugsperson, dann komme ich nicht durcheinander und weiß, was ich zu erwarten habe. Aber ich habe hier schon ganz viel gelernt und ich habe verstanden, dass ich viele Dinge bisher falsch gesehen habe. Ich habe eine Patenmama, die ich wirklich sehr gern habe und die viel mit mir Gassi geht. Hin und wieder bringt sie ihren Mann mit und das ist in Ordnung für mich. Vielleicht fehlt auch nur der richtige Mann, damit ich mich in einer Familie zu Hause fühlen kann. Zu Hause ... das klingt schon sehr schön.
Aber ich will nicht zu viel über mich reden, Sissi hat mir aufgetragen, Ihnen aus dem Hundehaus zu berichten, also tue ich das auch.

Wir sind überraschenderweise gerade sehr voll und das noch vor den sogenannten Sommerferien. Unsere Menschen befürchten, dass dann diese Fundhunde noch mehr werden, als es jetzt schon der Fall ist. Ich habe gelernt, bei meiner Studie des Tagebuchs, dass Tierheime immer wieder große Probleme haben, mit Fundtieren. Gerade im Bereich "Katze" ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass eine Fundkatze wieder von ihrer Familie abgeholt wird. Das ist wirklich schlimm. Ich würde davon ausgehen, dass Familien immer nach ihren Angehörigen suchen, wenn diese nicht mehr nach Hause kommen. Scheinbar ist das bei Katzen nicht wirklich der Fall. Eine Erklärung konnte ich auch im Tagebuch auch nicht finden, habe mir aber fest vorgenommen, dieses Thema mit Sissi und ihren Mitbewohnern im Katzenhaus zu besprechen. Dafür muss es doch einen Grund geben.
Zumindest war es aber, so habe ich es dem Tagebuch entnommen, bisher im Hundehaus anders. Ein Fundhund wurde im Normalfall innerhalb ein paar Tage von seinen Besitzern abgeholt. Scheinbar oft mit den Worten: "Ich habe nicht daran gedacht, bei Euch oder der Polizei anzurufen und nachzufragen, aber danke, dass Ihr unseren Hund sicher aufgenommen habt.". Unsere Menschen sagen, dass es heutzutage leichter ist, den Menschen mitzuteilen, dass ein Tier sich verlaufen hat und ihm Tierheim angekommen ist. Wenn diese neuen modernen Medien nicht ausreichen, dann nutzen unsere Menschen auch Zeitungen, um auf Fundtiere aufmerksam zu machen.
Wie gesagt, im Normalfall ist das bei uns Hunden dann ausreichend und die Familie kann wieder zusammen gebracht werden.
Aktuell haben wir aber im Hundehaus tatsächlich 3 Fundhunde sitzen, die scheinbar nicht vermisst werden.
Unsere Fundhunde bekommen schon immer recht früh einen Namen. Zum einen funktioniert "Hey Du" bei uns Hunden nicht so wirklich und zum Anderen glaube ich, dass unsere Menschen dadurch eine gute Beziehung zu unseren Neuzugängen aufbauen. Ja, ich habe geschrieben Neuzugänge. Das tut mir leid, aber leider will kein Mensch unsere 3 Fundhunde vermissen. Unverständlich, aber nun ja, vielleicht dann doch Realität. Aber ich versuche optimistisch zu bleiben und verrate Ihnen deswegen die neuen Namen noch nicht. Vielleicht kommt schon morgen ein vollkommen verzweifelter Besitzer und dann wissen unsere Menschen die richtigen Namen.
Es ist so schade, wenn der Mensch kein Interesse an seinem Familienmitglied hat - wenn es denn eines war. Ich gucke mir die 3 an und frage mich, wie ich ihnen erklären soll, dass alles wieder gut wird und sie sich keine Sorgen machen müssen.
Es gibt nur die 2 Möglichkeiten: Ihre Familie kommt und sie dürfen wieder nach Hause, nachdem unsere Menschen auch geprüft haben, ob sie da gut aufgehoben sind oder unsere Menschen suchen für sie ein neues gutes Zuhause bei Menschen, die sie immer vermissen und suchen werden, wenn sie sich mal verlaufen sollten.
Ich kann verstehen, dass, wenn man hier neu einzieht und davor aufregende Tage alleine unterwegs hinter sich hat, nicht wirklich glauben kann, dass alles gut werden wird. Aber es dauert selten lang, bis man versteht, dass der Einzug hier die Chance auf ein gutes Leben ist und nicht das Ende der Welt.
Ein Beispiel dafür sind Bonnie und Elsa. Beide sind hier zusammen als Fundhunde eingezogen, waren unsicher und unglücklich und mittlerweile genießen sie es die Damen im Hundehaus zu sein. Da auch alle 3 Fundhunde Jungs sind, sind wir aktuell Paolo und meine Wenigkeit Albert und die 3 Fund-Jungs und eben unsere 2 kleinen Mädchen. Bonnie und Elsa sind zwar beide nicht groß, aber habe wirklich genug Selbstbewusstsein für eine Dogge. Auch wenn sie gemeinsam im Tierheim abgegeben wurden, ist es besser, wenn sie sich einzeln auf die Suche nach einer neuen Familie machen. Glauben Sie mir, Sie wollen keine 2 kleine große Diven im Haus haben.... Nicht falsch verstehen, ich wüsste nicht, welche der beiden ich niedlicher finde, aber da steckt schon ganz viel Hund in diesem kleinen Körper. 
Aber es ist ja auch oft so, dass das Aussehen einen ersten Eindruck schafft, der gänzlich falsch ist. 
Nehmen Sie z.B. große schwarze Hunde. Was ist falsch mit uns? Diese Frage hat schon damals Nando gestellt und ich habe auch nach wie vor keine Antwort gefunden. Schwarze Katzen? Alles klar! Da denkt jeder an Aberglauben und Hexen und böse Zauberer oder so etwas und auch wenn der Mensch von heute sich selbst als modern und aufgeschlossen bezeichnet, so scheint dieses "Wissen" tief verwurzelt zu sein. Aber was ich denn mit großen schwarzen Hunden? 
Vielleicht können Sie liebe Leser mir hier eine gute Erklärung geben, denn dann lasse ich mir vielleicht doch noch Strähnchen oder Punkte von unseren Menschen färben.
Sie sehen, bei uns im Hundehaus ist wirklich viel los und ich kann nur hoffen, dass die Sommerzeit jetzt nicht noch weitere Fundhunde bringt, die nicht vermisst werden.
Ich kann verstehen, dass unsere Menschen da hin und wieder die gute Laune verlieren. Es wird erwartet, dass hier die Lösung für Probleme gefunden werden und zwar sofort, die aber nicht hier geschaffen wurden. Ein Tier in die Familie zu holen ist eine große Entscheidung, eine wichtige Entscheidung, eine Lebensfrage für das Tier. Daher müssen vorher die Umstände geklärt werden. Man kann nicht erwarten, dass das Tier sich nach 2 Jahren in Luft auflöst, wenn sich irgendwelche Umstände geändert haben, wie, dass man z.B. wieder jeden Tag in die Arbeit gehen muss. Natürlich können sich Umstände unerwartet ändern und natürlich wollen unsere Menschen immer helfen, aber es kann nicht erwartet werden, dass unsere Menschen die Probleme der Welt lösen oder auf ihren Schultern tragen. Ich muss einfach einmal ein wenig aufklären, dass auch unsere Menschen nur Menschen sind, Schlaf brauchen und auch mal Feierabend haben. Auch unsere Menschen, selbst wenn sie Superheldinnen sind, können nicht alles alleine schaffen.
Wenn Sie also ein Problem mit Ihrem Tier haben, dann seien Sie so fair Ihrem Tier und unseren Menschen gegenüber und reden Sie mit unseren Menschen. Aber bitte denken Sie daran, dass auch Menschen, die in einem Tierheim arbeiten, nur 1 Kopf, 2 Arme, 2 Beine und 2 Ohren haben, sie atmen und essen müssen, genauso wie sie auch schlafen müssen, um sich um uns kümmern zu können. Versuchen Sie zu verstehen, dass es das Ziel sein muss, gemeinsam eine Lösung für Ihr Tier zu finden und schieben Sie es nicht einfach ab, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ich weiß, denn ich habe es gelesen, dass nicht nur unsere Menschen dieses Problem haben.
Jedes Tierheim kämpft mit diesem Umstand und wir Schützlinge, die wir in einem Tierheim leben und auf unsere Menschen vertrauen müssen, können Sie alle da draußen nur bitten, Rücksicht zu nehmen und Verständnis zu zeigen, denn wir brauchen unsere Menschen zum Überleben. Menschen, die in einem Tierheim arbeiten und für uns da sind, sind nicht einfach austauschbar -das ist nicht überzogen, das ist einfache Realität.
Bitte helfen Sie unseren Menschen und allen Tierheimen, damit sie sich um uns Schützlinge kümmern können.

So, damit hätte ich ganz geschickt ein Thema angesprochen, welches mir sehr am Herzen liegt. Seit ich hier lebe, haben sich unsere Menschen immer für mich eingesetzt und kümmern sich rund um die Uhr um mich - um alle anderen auch, aber ich finde es einfach wichtig, das immer und immer wieder zu sagen. Unsere Menschen hier, sind aktuell meine Menschen, meine Familie und man steht zu seiner Familie.

So und damit verspreche ich Ihnen, dass Sissi beim nächsten Eintrag wieder einiges aus dem Katzenhaus erzählen wird, sie wird Neuzugänge vorstellen und wenn wir Glück haben, dürfen wir auch mal wieder über einen Auszug berichten - das hoffen wir zumindest.

Wir alle hier wünschen Ihnen eine gute Zeit und vergessen Sie uns nicht.
Ihr
Albert

P.S.  Eine Frage werde ich Sissi auch noch stellen ... warum haben denn Mila und Shircan noch nie im Tagebuch geschrieben? Wenn jemand weiß, was hier tagtäglich passiert, dann doch unsere Hofkatze und unser Hofkater, oder?

Tierheim Höchstädt

Bürgerreporter:in:

Sabine Pollok aus Dillingen

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