Wie funktioniert guter Journalismus?

In Deutschland gibt es eine neue mediale Subkultur, die ohne Faktenchecks, Journalisten und wahre Behauptungen auskommt. | Foto: Foto: Oliver Cruzcampo, Endstation Rechts
  • In Deutschland gibt es eine neue mediale Subkultur, die ohne Faktenchecks, Journalisten und wahre Behauptungen auskommt.
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Journalisten leben in einer Welt zwischen kritischer Berichterstattung und der Gefahr der Parteilichkeit. Oft reicht ein einfaches Wort, ein Nebensatz oder eine unglückliche Bildunterschrift und Pressevertreter gelten als voreingenommen, zerstörerisch oder einfach unfair. Berichten sie kritisch über eine Partei, gibt es von Mandatsträgern auch gerne eine Mediensperre. Vor allem in der Politik gibt es kaum eine Berufsgruppe, welche so auf einem Drahtseil balanciert, wie die Journalisten. Am vergangenen Mittwoch berichteten nun zwei hochrangige Medienvertreter aus Aichach im Rahmen des SPD-Themenstammtisches im Gasthof Specht von ihrer Arbeit und darüber, wie man mit dem Vorwurf der "Lügenpresse" umgehen kann.

Dabei äußerten sich Dr. Berndt Herrmann von der Aichacher Zeitung und Christian Lichtenstern von den Aichacher-Nachrichten durchaus unterschiedlich zu diversen Themen. Vor allem das Erstarken rechtsnationaler Parteien wie der AfD, auch in Aichach, erschütterte  die Presse. Die Frage, ob und wie Journalisten zum Aufstieg der rechten Populisten beigetragen hatten, sorgte für Diskussionen. So sieht Christian Lichtenstern, Redaktionsleiter der Aichach-Nachrichten, einen klaren Fehler bei den Medien. Schon zu Beginn der großen Flucht ab dem Frühjahr 2015 hätte der Journalismus kritischer und vor allem detaillierter auch über Probleme berichten müssen. "Da hat man vielleicht auch einfach versucht einen positiven Spin zu suchen. Dabei haben die Menschen in ihrem Alltag erlebt, dass es eben nicht so uneingeschränkt positiv ist, wie es geschrieben wurde." Das habe dem Journalismus an Glaubwürdigkeit gekostet. Rufe wie "Lügenpresse", welche zwar in Aichach selten zu hören seien, seien laut Lichtenstern dennoch brandgefährlich. "Man darf nicht vergessen, das war ein Begriff der Nazis um kritische Journalisten mundtot zu machen." 

Berndt Herrmann kritisierte vielmehr eine Selbstgeiselung der Medienvertreter, welche bereitwillig sich zu Sündenböcken machen würden. Zwar habe man vor allen in den überregionalen Medienhäusern durchaus Fehler gemacht, als Lokaljournalist habe man jedoch keinen Einfluss auf den Rechtsruck gehabt. "Wenn in den Talkshows jeden Tag, teilweise gleichzeitig, immer die gleichen Gesichter sitzen und alles zerreden, dann sinkt natürlicher der Informationsgehalt. Gerade da haben dann die Rechten auch einen Hebel und eine Bühne gefunden, weil da Parolen wie am Stammtisch gepoltert werden." Für Herrmann sei die Lektüre einer großen Tageszeitung sowie der Blick in eine Wochenzeitung ausreichend um gut informiert zu sein. "Leider haben wir das Problem, dass wir damit immer weniger Menschen erreichen. Es gibt einfach Leute, die informieren sich nicht mehr wie früher."

Gerade Blogs und soziale Medien würden zu einer neuen Medienlandschaft führen, welche nicht mehr auf Journalisten, Faktenchecks und wahre Behauptungen angewiesen sei, erklärten die beiden Journalisten. "Solche Leute erreichst du nicht mehr, egal wie oft du die Wahrheit berichtest", erzählt Christian Lichtenstern. Diese Menschen seien für die Zeitungen quasi verloren, sagt der Redaktionsleiter der Aichacher Nachrichten. "Wir haben keine Ahnung, wie wir diese Leute noch erreichen sollen. Einfach, weil sie es nicht wollen." Dies sei auch für Politiker, selbst im kleinen Maßstab, ein großes Problem, berichtete Wolfgang Holzhauser. Als Mitglied im Vorstand der Aichacher SPD, der Kreis-SPD und der Jusos in Aichach-Friedberg habe er schon oft Kontakt mit solchen Menschen gehabt. "Bei denen gilt dann die Devise: Aluhut auf und durch", bestätigte er die Eindrücke der Medienvertreter. Generell sei, so Holzhauser, nicht nur der Journalismus einem Angriff ausgesetzt, sondern auch die Politik.

"Wir haben das im Wahlkampf erst wieder erlebt", erzählt der stellvertretende Juso-Chef. "Da wirst du dann sogar mit den Kulis beworfen, die du zuvor ausgeteilt hast. Auf offener Straße wird man als Verräter bezeichnet. Das ist der Wahnsinn." Als Sozialdemokrat in Bayern sei man zwar einiges gewohnt, sagte Holzhauser mit einem Augenzwinkern, doch der Ton, gerade gegenüber Vertretern des linken Spektrums, sei teilweise sehr aggressiv. Einschüchtern lassen dürfe man sich jedoch nicht, bestätigten auch die anwesenden Gäste und Journalisten. Vielmehr müsse man sich der von rechts organisierten Gegenöffentlichkeit stellen. Schon aus dem Grund, da die AfD in der Bundestagswahl auch in Aichach mehr Zweitstimmen als die SPD holen konnte. Mit Reiner Kraft zog sogar ein Vertreter der rechtsnationalen Partei für Aichach-Friedberg in den Bundestag ein. Holzhauser bezeichnete diese Situation als einen "Denkzettel" und als "Hausaufgabe" für die Sozialdemokratie, welche nun deutliche Antworten und Lösungen präsentieren müsse. Schon zum Wohle der Meinungsfreiheit in Deutschland. 

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Holzhauser aus Aichach

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