Hainhofen damals
UND ÜBER UNS NUR DIE STERNE

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Aus einer Zeit als Camping noch "Zelteln" hieß

Einmal im Leben will jeder richtige Junge indianermäßig in einem Zelt übernachten. Das ist wohl ein männlicher Urinstinkt wie Grillen, Dampfstrahlen oder Autofelgenpolieren. Wie in der Liebe kommt dabei dem "ersten Mal" eine besondere Bedeutung zu. Mangels Erfahrung geht die Premiere in beiden Sparten allerdings oft blamabel in die Hose, aber sie prägt einen fürs weitere Leben.
Ein Zelt zu besitzen war in den frühen Sechziger Jahren nicht alltäglich, aber wir hatten ja Sepps Papa, der arbeitete nebenzu bei der US Army und so waren wir für unser erstes Outdoor-Abenteuer bestens ausgerüstet. Außer dem oliven Zweimannzelt hatten wir Luftmatratzen, die penetrant nach Gummi rochen, dicke Schlafsäcke, die leichten Bodenfrost aushielten, zwei riesige Taschenlampen, bei denen man farbige Glasscheiben vorschalten konnte und sogar einen funktionsfähigen Kompaß bei uns. Dessen Handhabung verstanden wir zwar nicht, aber er sah sehr professionell aus.

Unseren Zeltplatz hatten wir fürs erste Mal nicht allzu weit vom sicheren Elternhaus gewählt, genau genommen lag zwischen unseren Luftmatratzen und den gewohnten Federbetten nur die Dorfstraße und ein kleiner Graben. Der Aufbau des Zelts in der "Anlage" ging erstaunlich gut, denn es verfügte nur über zwei Stangen und wenige Halteschnüre samt eisernen Häringen. Abends um 6 Uhr marschierten wir mächtig stolz und vollbepackt über die Straße und bezogen unser Domizil, welches kein Zweimannzelt, sondern quasi ein Zweibuben-und-1-Hund-Zelt war, denn wir hatten Anka, den treubraven Hofwächter mitgenommen, der als Schäferhund ideal erschien, uns beide wirkungsvoll zu beschützen. Zunächst mampften wir unser Abendessen: Kekse und Corned Beef aus Armeebeständen der Besatzungsmächte und als Nachspeise einige Dubble Bubbles. Währenddessen war es schon duster geworden und wir testeten die Reichweite unserer coolen Taschenlampen, indem wir die bunten Lichtkegel über die Schloßmauer tanzen und die Baumstämme hochklettern ließen. Die dunklen, riesigen Schattenbilder machten uns jedoch schnell Angst und wir zogen uns samt Wachhund ins sichere Zelt zurück. Ein kleines Transistorradio hatten wir auch dabei und freuten uns diebisch, daß wir nach dem obligatorischen "Betthupferl" um 7 Uhr nicht in selbiges hüpfen mußten. Schlafen trauten wir uns aber ohnehin nicht, denn ständig glaubten wir draußen etwas zu hören. Schlich da einer in böser Absicht ums Zelt, war da nicht eben ein deutliches Knacken zu vernehmen, huschte da nicht ein lautloser Schatten vorbei? Wir stopften uns gerade beruhigende Pfefferminzdrops in den Mund, als alles ganz schnell ging. Draußen stromerte Nachbars Katze durchs Gras und unsere Anka hasste Miezen, insbesondere die vom Nachbarn. Da er den Reißverschluß nicht öffnen konnte, hetzte unser Wächter laut bellend und zähnefletschend einfach so ins Freie und riß dabei das halbe Zelt mit. Der Katze gelang im Tohuwabohu mühelos die Flucht, wir hängten den tollpatschigen Hofhund an die ihm zugedachte Kette und reparierten murrend unsere demolierte Behausung.

Es wurde dennoch eine kurze Nacht, denn kaum kuschelten wir uns erneut in unsere Schlafsäcke, um noch eine pappsüsse Bluna als Schlummertrunk zu geniessen, begann es hörbar zu tröpfeln. Schnell zeigte sich, daß unser amerikanisches Zelt nicht für einen Auslandseinsatz im feuchten Schwabenländle geeignet war, denn sobald man den schützenden Stoff innen berührte, drangen an dieser Stelle von außen die Regentropfen ins mobile Schlafgemach. Den Rest gab uns der erste Blitz, der begleitet von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag die Nacht für eine Sekunde taghell erleuchtete. Kreidebleich stürmten wir über die Straße und retteten uns atemlos in den sicheren Hausgang, wo uns der Schneidermeister schon längst erwartet hatte. Asyl fanden wir für den Rest dieser Nacht in seiner vertrauten Werkstatt, wo wir quasi eine Art Indoor-Camping veranstalteten. Das fühlte sich bedeutend sicherer an, als den Gefahren durch streunende Katzen und den tobenden Naturgewalten ausgesetzt zu sein und so fanden wir irgendwann doch noch unseren Schlaf ... obwohl einem die kopflosen Ankleidepuppen in der Ecke auch ganz schön Angst machten, wenn man im Halbdunkel die Augen öffnete …

Am Tag danach war unser Bedarf an Erfahrungen mit indianischen Schlafgewohnheiten erstmal gedeckt und das hielt auch den ganzen Sommer und die folgenden an. Im Zelt zu nächtigen wurde erst Jahre später wieder interessant, als man in das picklige Alter kam, in dem man darin weniger schlafen, als die Nacht zum Tage machen wollte. Für diese Teenager-Parties mit Lagerfeuer brauchte es weitaus grössere Zelte und die bekamen wir wie früher aus dem Armeebestand des Schneidermeisters. Drunten in den Schmutterwiesen oder droben an der Wasserreserve wurde am Freitagabend mit den pubertierenden Kumpels das Partyzelt aufgebaut, das Brennholz fürs Lagerfeuer vorzugsweise nach Einbruch der Dunkelheit beim Welzhofer „mitgenommen“, die Würstl ganz legal beim Härtinger gekauft und der Kasten Bier und die Flasche Asbach Uralt aus der Gemeinschaftskasse finanziert. Ab und zu lockte der weithin sichtbare Schein eines Lagerfeuers mitten in den Wiesen auch mal eine Gersthofer Polizeistreife an, aber da wir keine Drogen, sondern nur Hasenbräu und HB konsumierten, verlief die Kontrolle meist schiedlich friedlich. Unsere Hoffnung, unser nächtliches Feuer würde die Mädels aus dem ganzen Schmuttertal anziehen wie das Licht die Motten, blieb hingegen leider unerfüllt und so war es meist eine reine Männerrunde, die sich um die lodernde Glut scharte und deren melancholischer Gesang bis spät in die Nacht über die nebelfeuchten Auen ertönte: „Einst ging ich am Ufer der Donau entlang, ohoho, olalala ...“

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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