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GEDANKEN ÜBER FALLOBST

Der Birnbaum an der ehemaligen Volksschule trägt viele Früchte, die niemand erntet | Foto: Helmut Weinl
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  • Der Birnbaum an der ehemaligen Volksschule trägt viele Früchte, die niemand erntet
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Eine Fototour zu ungeliebten Früchten

Am Hohlweg im Westen

Ich spaziere hinter Hainhofen raus zur "Schönen Aussicht", wo es tatsächlich immer schön aussieht. Beim Hohlweg mit den alten Obstbäumen kommt mir wie immer das uralte Zitat in den Sinn: "Kommt dr Fuchs da Hohlweg ra, um und um voll Letta ...". Den vielen Neubürgern müßte man jetzt erklären, daß diese Zeile beschrieb, wie ein mit matschigem Lehm beschmutzter Fuchs den Weg hinunter lief.

Früher standen an der rechten hohen Böschung mehrere stattliche Kirschbäume, "Dauners Kirschen" nannte man sie und damit waren die Besitzverhältnisse eindeutig geklärt. Klauen war streng untersagt. Eltern haften für ihre Kinder! Die Vögel hielten sich nicht daran, wir Lausbuben auch nicht. Heute steht davon nur noch ein trauriger Rest, Besitzansprüche darauf macht niemand mehr geltend aber Kinder klettern längst nicht mehr auf Bäume.

Auf er anderen Seite werfen knorrige Apfelbäume ihre Schatten in den Hohlweg, dazwischen ein Busch mit tintenblauen Pflaumen. Droben an den Ästen hängen noch viele pralle gelbgrüne Äpfel. Nicht die leicht errötende, feine "Pink Lady" mit ihrer makellosen Haut oder der coole Newcomer Mr. Braeburn, sondern rustikale Sorten, die schon am Baum ein paar Schönheitsflecken tragen. Die Mühe sie zu pflücken macht sich keiner mehr. Selbst Adam würde den süßen Apfel der Erbsünde für seine Eva heute beim Discounter besorgen. Die reifen Früchte fallen hinunter in den Hohlweg, platzen auf, locken mit ihrem betörenden gärenden Duft Wespen, Bienen und Schnecken an, bis sie irgendwann von den groben Stollen eine Traktorreifens zermatscht werden.

An der Streuobstwiese

Droben am Weg zum "Schwäbischen Himmelreich" gibt es eine Streuobstwiese. Wie aus dem Lehrbuch. Geplant und angelegt von den "Grünen", um Stubenhockern die Natur näher zu bringen. Ein Infoboard klärt auf, wie eine Hecke aufgebaut ist, und zu welcher Tageszeit welche Vögel singen. Weiter hinten im Wald gibt es sogar einen beschilderten Lehrpfad und für weitere Fragen hätte man ja Tante Google auf seinem Smartphone dabei. Finde ich nett, aber ich brauche dieses didaktisch aufbereitete Naturerlebnis nicht und erfreue mich einfach an der Aussicht. Die Äpfel liegen auch hier unbeachtet in der Fahrspur des Feldwegs oder verfaulen bereits direkt am Baum.

An der alten Volksschule

Neben dem Tor zum Schulhof steht immer noch ein turmhoher Birnbaum. Seine Früchte stürzen zu Dutzenden hinunter auf den geteerten Kirchberg und platzen auf dem rauhen Asphalt. Wespen fallen gierig darüber her. Autoreifen machen Birnen und Insekten platt. Früher stahlen wir die saftigen Birnen unerlaubt vom Baum oder wir zogen sie mit langen Diebesfingern unter dem Lattenzaun hindurch. Eine Mutter fährt vorbei mit einem dieser überlangen elektrischen Lastenrädern. Im überdachten Vorbau sitzt abgasgeschützt das Kind und spielt auf seinem Smartphone. Den Nachwuchs in der Kita abliefern, dann die Einkäufe erledigen. Bei ALNATURA mit Zertifikat fürs gute Gewissen. Die Birnen vom alten Schulbaum hätten die beste Ökobilanz, ganz ohne Siegel.

Tie a yellow ribbon ...

Als ich in Neusäß ein gelbes Band an einem Obstbaum flattern sehe, spielt im Kopfkino Tony Orlando seinen schmalztriefenden Song, bei dem die Holde als Zeichen ihrer Liebe ein solches Signal in den "old oak tree" hängen sollte. Heute gilt dieses im amerikanischen Bürgerkrieg entstandene Symbol in den USA als sichtbarer Ausdruck der Solidarität der Bevölkerung mit seinen Soldaten. Wenn es bei uns neuerdings in einem Apfelbaum hängt, wartet aber nicht die Geliebte sehnsüchtig auf den rückkehrenden Lover, sondern das gelbe Band sagt dem Vorübergehenden: "Du darfst mich kostenlos ernten!"

So richtig viel Zuspruch findet das Angebot jedoch nicht. Die Auswahl im Supermarkt oder beim Discounter ist vielfältig, das Kernobst ist keimfrei verpackt und gepimpt für eine lange Haltbarkeit. Sonderangebote sind an der Tagesordnung und Paybackpunkte gibt’s obendrein. Einen knackigen jungen Jakobiapfel, bei dem die Kerne noch weiß sind oder eine saftige Wasserbirne direkt vom Baum mag heute niemand mehr essen. Und so fallen die Früchte von den Ästen am Wegrand als Fallobst ins hohe Gras oder auf die Straße.

Und den Bildern, die ich bei diesem Rundgang vom Boden aufgesammelt habe, wird es ähnlich gehen.

Einen runzligen Apfel, der von einer fetten Schnecke verspeist wird, finden viele unappetitlich.

Ein Foto, das nicht beachtet wird, ist das nicht auch Fallobst?

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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