Hainhofen damals
FROLLEIN, I WOISS WAS!

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Erste Erfahrungen mit dem weiblichen Lehrkörper

Frollein, Frollein … so meldete sich das „brave“ Schulkind Ende der 50er Jahre, wenn es beim kleinen Einmaleins die richtige Antwort wußte und zeigte dies gleichzeitig mit einem aufgeregten Fingerschnalzen an. Ein „Fräulein Lehrerin“ unterrichtete generell in den unteren Klassen der Volksschulen, die frecheren Schüler der Oberklasse vertraute man stets der Obhut der strengen männlichen Lehrkräfte an, die mangelnden Respekt und chronische Begriffsstutzigkeit mit körperlicher Züchtigung kurierten. Im Religionsunterricht übernahm diesen Part der Herr Pfarrer klassenübergreifend mit gleicher Härte des Tatzensteckens. Da genoß man während seiner ersten Schuljahre doch noch lieber die mütterliche Nestwärme seines „Frolleins“ und hütete ihre Fleißbildchen wie Liebesbeweise zwischen den Seiten seines Lesebuchs.

„Fräulein“, diese eigenartig diskriminierende Verkleinerungsform, war bis in die jüngste Zeit die gebräuchliche Anrede für jede unverheiratete Frau und sollte wohl zum Ausdruck bringen, daß die so Angesprochene eben keine richtige, vollwertige Frau sei. Lehrerinnen hatten bis in die 50er Jahre hinein grundsätzlich unverheiratete Fräulein zu sein, denn der Status der Ehelosigkeit war seit 1880 gesetzlich im sog. „Lehrerinnen-Zölibat“ verankert, welcher erst 1951 offiziell aufgehoben wurde! Wollte ein „Fräulein“ aus dem Schuldienst heiraten, mußte es bis dahin de facto seinen Beruf aufgeben und verlor zudem sein Ruhegehalt. Neben den Lehrerinnen waren Verkäuferin und Sekretärin typisch feminine Berufszweige, die deutsche Fräulein gerne ergriffen.

Der Beruf wurde für Frauen ohnehin nur als eine kurze Überbrückungsphase zwischen ihrer Schulzeit und ihrer Heirat gesehen, als eigentliche „Berufung“ galt ein Dasein als Hausfrau und Mutter, also das klassische Klischee des „Heimchens am Herd“. Deshalb blieb Mädchen auch vielfach eine höhere Bildung verwehrt, denn mit dem vorgenannten Frauenbild wäre alles andere für die Elternschaft „unwirtschaftlich“ gewesen. Möglichst bald „unter die Haube zu kommen“ war die anerzogene und alternativlose Perspektive für viele Schulabgängerinnen. Natürlich gab es trotzdem viele erwerbstätige Frauen, denn die o.g. Ideale galten vorrangig für das bürgerliche Milieu. Mädchen aus einfacheren sozialen Schichten durften sich hingegen ohne weiteres als billige und oft ungelernte Arbeitskräfte verdingen: als Wäscherinnen, als Haushälterinnen, in Altenheimen und vor allem als unterbezahlte Fabrikarbeiterinnen am Fließband verrichteten sie die Tätigkeiten, die echten Männern nicht zugemutet wurden. Im übrigen galt bis 1977 (!) in Deutschland ein Gesetz, nachdem eine verheiratete Frau zur Ausübung eines Berufs die Zustimmung ihres Ehegatten benötigte.

Ab den 60er Jahren veränderte der neue, liberale Zeitgeist auch die Situation der Fräulein im Schuldienst. Das über verklemmte Jahrzehnte lang geformte biedere Erscheinungsbild voller Keuschheit, wie es das altjungferliche Fräulein Rottenmeier aus den 1880er Heidi-Romanen verkörperte, verblasste nach und nach. Spätestens als Lilo Pulver als „Fräulein Ingeborg“ in Billy Wilders Komödie „Eins, zwei, drei“ im hautengen geblümten Kleid à la Monroe den Säbeltanz barfüßig auf dem Tisch der Botschaft steppte, war das „Deutsche Fräuleinwunder“ bis in die USA geschwappt. In den Unterklassen der schwäbischen Dorfschulen dauerte der Umschwung freilich schon noch ein bißchen länger, aber der obligatorische „Dutt“ und andere unerotische Hochsteckfrisuren machten peppigeren Haarschnitten und modischeren Outfits am weiblichen Lehrkörper Platz. Das Fräulein Kastner ging in Hainhofen mit den Mädchen sogar auf den öffentlichen Sportplatz zum Völkerballspiel an frischer Luft, auch wenn das Zuschauen für männliche Schüler der Oberklasse noch bei Strafe verboten blieb.

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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