Hainhofen damals
VIER SCHULEN UND EIN KIRCHENSCHIFF

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DIE EHEMALIGE VOLKSSCHULE IN HAINHOFEN STEHT NICHT ALLEINE DA

Die altehrwürdige Volksschule Hainhofen wird auf dem aktuellen Immobilienmarkt zum Verkauf angeboten, ist aber schon seit längerer Zeit in Privatbesitz. Das historische Gebäude ist in einem optisch authentischen Zustand und bildet mit der Pfarrkirche St. Stephan immer noch das stimmige Ensemble eines intakten dörflichen Ortskerns. Doch die ersten Unterrichtsstunden wurden in Hainhofen nicht etwa in diesem architektonischen Schmuckstück abgehalten. Schauen wir uns dazu zwei andere Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft an:

DAS "SIMLACHER-HAUS"

Wir nannten dieses einfache Häuslein zwischen Gasthaus zum Lamm und Pfarrhof immer so, weil darin in unserer Zeit eine Frau Simlacher wohnte, die immer ein wenig grantig erschien und deshalb in der Beliebtheitsskala der Dorfjugend ziemlich weit unten stand. Der Hainhofer Heimatpfleger Robert Pfaud (1905 - 1992) verortete in dieses Haus das allererste „Klassen“zimmer der Gemeinde, ohne daß es hierzu eine exakte zeitliche Einordnung gäbe. Man muß dabei bedenken, daß bis ins 19. Jahrhundert hinein in ländlichen Regionen das Rechnen und Schreiben nicht in extra dafür gebauten Schulen gelehrt wurde, sondern der Unterricht fand normalerweise in den privaten Wohnungen der meist schlecht bezahlten Lehrer statt.

Das unscheinbare, niedrige Haus spielte in der Vergangenheit aber noch eine völlig andere markante Rolle im dörflichen Alltag. Darin war nämlich für ein paar Jahrzehnte die erste Backstube der Familie Durner zuhause. Gegründet wurde die Bäckerei von Ignaz Durner im Jahre 1892. Unter dessen Sohn und Nachfolger Josef Durner erfolgte der Umzug in das 1936 erbaute Nachbarhaus schräg gegenüber, in dem der beliebte Bäckermeister Hermann Durner sen. später den Familienbetrieb bis zu seinem allzu frühen Tod erfolgreich weiterführte und den Laden um einen modernen Anbau erweiterte.

DAS "KUMMER-HAUS"

Das Haus erhielt seinen Namen ebenfalls nach der Familie, die es zu unserer Jugendzeit bewohnte. Das Gebäude unmittelbar neben der steilen Treppe zur Kirche ist 1724 urkundlich erwähnt und gilt als zweite Schule in der Geschichte Hainhofens. Da es wegen steigender Schülerzahlen bald an seine Grenzen stieß, mußte es bereits 1813 umgebaut und erweitert werden. Die Altersgenossen meiner Nachkriegsgeneration wissen von dieser schulischen Vergangenheit allerdings kaum etwas. Wir kennen das rote Haus neben dem "Torbogen" nur aus einem anderen Grund: darin war die Spenglerei des Schlossers Eugen Sefferin untergebracht. Ältere Bürger werden sich an die urige holzverkleidete Werkstätte im Anbau erinnern, deren Tor meist offen stand und aus welcher der beißende metallische Geruch von Schweißarbeiten nach draußen strömte. Viele Hainhofer haben hier bei seiner Tochter, der Kummer-Trudl, ihre roten Propangasflaschen für den heimischen Gasherd geholt.

DIE VOLKSSCHULE HAINHOFEN

Im Jahr 1849 erwarb die Gemeinde schließlich ein weiteres Grundstück am Kirchberg zum Bau einer neuen Schule, doch die Verhandlungen zwischen den zuständigen Behörden über die Notwendigkeit und die Größe des Gebäudes zogen sich kontrovers über Jahre hin und so konnte das Schulhaus erst 1864 endültig seiner Bestimmung übergeben werden.

Ein folgender Neubau an gleicher Stelle aus dem Jahre 1908 gibt schließlich den Baustil des heutigen Gebäudes vor, das sich weitgehend unverändert über all die Jahrzehnte erhalten hat. Der heimische Künstler Alois Linder könnte so 2022 seine vielfach gemalte Ansicht des Kirchbergs fast deckungsgleich erneut auf seine Leinwand bannen. Die auffälligste Umgestaltung erfuhr das Schulgebäude in den frühen 1950er Jahren, als über dem Unterrichtsraum im Erdgeschoß ein weiteres Stockwerk aufgesetzt wurde und die Schüler fortan je nach Alterstufe die Unter- oder die Oberklasse besuchten.

Hainhofen war lange Zeit das Zentrum eines sog. Schulsprengels, zu dem auch die Nachbargemeinden Westheim und Schlipsheim gehörten. Die besonders in strengen Wintern recht beschwerlichen Schulwege blieben den auswärtigen Schülern erst erspart, als in Westheim 1896 und in Schlipsheim im Jahr 1906 eigene Schulhäuser errichtet wurden. Für die Volksschule Hainhofen selbst begann die Uhr ab den späten 60er Jahren zu ticken: noch vor der großen Gebietsreform und Bildung der Einheitsgemeinde Neusäß begann man einzelne Klassen nach Westheim, Schlipsheim oder Neusäß auszulagern und nach 1972 war dann endgültig Schluß mit Schulabschluß am Kirchberg. Heute haben die Hainhofer Schüler wie so viele andere lange Schulwege vor sich. In der Mehrzahl können sie diese bequem und klimatisiert im Schulbus oder im „Elterntaxi“ zurücklegen, aber man muß keinesfalls ein ewiggestriger Nostalgiker sein, um rückblickend zu resümieren, daß es für jeden Erstklässler kindgerechter wäre, am Morgen zu Fuß und ganz ohne Schülerlotsen zu „seiner Schule“ im eigenen Dorf zu marschieren zu können.

Quellen:

„Blick in die Neusässer Schulgeschichte“, Matthias Lutz, 2011
in Band IX der Neusässer Beiträge zur Denkmalpflege

„Neusäß, eine Schulstadt“, Hugo Hofmann, 1988
in „Neusäß, die Geschichte von 8 Dörfern auf dem langen Weg zu einer Stadt

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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