Hainhofen damals
RESI SCHMELZ UND NICK DER WELTRAUMFAHRER

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Erinnerungen an den Fasching in der Kindheit

Früher war nicht wirklich alles besser! Es mangelte vielen Familien an Geld und somit an all den schönen Dingen, die man dafür hätte kaufen können. Aber wie zu allen Zeiten, in denen Menschen nur wenig besitzen, war die Freude an dem Wenigen umso größer. Grundsätzlich wurden alle Fest- und Feiertage in einem viel bescheideneren Rahmen begangen und nicht von Jahr zu Jahr zu einer noch größeren, noch längeren, noch lauteren Party aufgebläht. War z.B. der Besuch des Heiligen Nikolaus damals ein Ereignis, welches sich im engsten Kreis der Familie abspielte, siehst Du heute an diesem Tag Horden von feierwütigen, alkoholisierten Jugendlichen mit roten Zipfelmützen gröhlend durch die Augsburger Fußgängerzonen ziehen. 

Der Fasching spielte im Jahresreigen unserer Kindheit auf dem kleinen Dorf keine allzu große Rolle und beschränkte sich lediglich auf den Faschingsdienstag. Um als "Mäschkerle" nachmittags von Haus zu Haus zu ziehen und mit dem Lied von der "luschdigen Fasenacht" singend die begehrten "Kiachla" zu erbetteln, brauchte man ein Kostüm, das möglichst nichts kosten sollte. Da war es gut, wenn man einen alleinverdienenden Vater mit handwerklichem Geschick hatte. Der bastelte dann sogar für meinen Spielkameraden, den Gottfried, aus einem großen Karton der berüchtigten Resi-Schmelz-Margarine das passende Instrument, damit er stolz wie Bolle mit seiner Baßgeige als lustiger Straßenmusikant um die Häuser ziehen konnte. Das Allergrößte war aber mein ebenfalls in Heimarbeit aus alten Pappschachteln gefertigter Roboter mit batteriebetriebenem Propeller. Zur damaligen fernsehlosen Zeit, noch lange vor Raumschiff Orion, waren Roboter für uns tatsächlich Gestalten „von einem anderen Stern“ und wir kannten die Maschinenmenschen nur von aufregenden Bildern aus den Groschenheftchen mit den Abenteuern von "Nick, dem Weltraumfahrer". Seinen metallenen Glanz erhielt der Eigenbau durch eine dick aufgetragene Schicht Silberbronze, mit der Vater ansonsten im Frühjahr die maroden Ofenrohre strich. Für einen Faschingsdienstag lang war ich damit die ungekrönte Nummer 1 der Maschkerer in der Dorfstraße.

Die ersten sündteuren schwarzweißen Fernsehapparate, die nach und nach die Wohnzimmer eroberten, beeinflußten mehr und mehr die Auswahl der Kostüme. Den urkomischen Charlie Chaplin aus der Stummfilm-Serie „Als die Bilder laufen lernten“ liebten alle Kinder und um sich in den zerlumpten „Tramp“ zu verwandeln, reichten die mottenkugeligen Klamotten von Oma und Opa aus, die man in den miefenden Kleidertruhen auf dem Dachboden fand. Zum großen Renner wurden aber bald die Outfits von Cowboys und Indianern, mit eindeutiger Übermacht der Revolverhelden, denn die trugen die begehrten Schießeisen am Gürtel und mit einem hundertschüssigen „Blättele-Colt“ in der Hand fühlte sich selbst der kleinste Hosenmatz wie Little Joe von der Ponderosa-Ranch. In Familien mit schmaler Haushaltskasse waren jetzt die Mütter gefragt, um ein solches Westerngwand selbst zu schneidern. Die Vorlage dazu fand man gratis in den schwergewichtigen Versandhauskatalogen von Neckermann und Quelle.

Der Straßenfasching der Dorfkinder ist im Lauf der Jahrzehnte fast völlig verschwunden. Zum einen gibt es keine echten Dorfkinder mehr, die unbeschwert weil unbeaufsichtigt im Freien spielen dürfen und zum anderen müssen Eltern, die ihre Kleinen für die Party in der Kita verkleiden, penibel darauf achten, daß deren Kostüm keine indigenen Völker oder ethnische Minderheiten beleidigt und bedenken, daß Spielzeugwaffen nicht gerne gesehen sind, solange wir Erwachsenen mitten in Europa allen Ernstes Krieg spielen. Für den rothäutigen  Häuptling Winnetou und den kaffeebraunen Waisenknaben Jim Knopf ist die moralinsaure Luft dünn geworden und die „3 Chinesen mit dem Kontrabaß“ werden auch nicht mehr an unsere Tür klopfen und das bekannte Bettellied anstimmen:

Luschdig isch dia Fasenacht
wenn mei Muaddr Kiachla bacht
Wenn se aber koine bacht
Pfeif I auf dia Fasenacht!

Heute würde sich das wohl eher so anhören:

Im Karneval schmeckt obergeil
Mutters kross geback'nes Hefeteil
Doch wenn sie keine produziert
ist der Nachwuchs voll frustiert!

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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