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Auszeichnung der UNO für Misburger Mergelgrube HPC1 als einzigartiges Natur-Biotop

  • Eine einzigartige Natur, die Misburger Mergelgrube.
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Etwa 200 Menschen haben sich am Nachmittag des 18. April bei fast schon hochsommerlichem Wetter an der Aussichtskanzel im Grünbereich am Ende der Portlandstraße in Misburg versammelt. Es gibt einen besonderen Grund dazu. Die Vereinten Nationen würdigen das 40 Meter tiefer liegende Naturschutzgebiet als „Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ mit einer Auszeichnung. Hannovers Umweltdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette und Prof. Hansjörg Küster vom Institut für Geobotanik der Leibniz-Universität nehmen an der Abbruchkante der Mergelgrube mit dem Namen HPC 1 unter dem Applaus der vielen Interessierten die Ehrung vor. Anschließend wird eine Führung durch diese einzigartige Natur angeboten. Festes Schuhwerk ist dafür Voraussetzung, geht es doch bergab und durch unebenes Gelände.

Doch was ist nun das Besondere an diesem 1962 stillgelegten Tagebau? Wohl nur die wenigsten Hannoveraner, ausgenommen die Bewohner der angrenzenden Stadtteile, kennen die besondere Landschaft im Südosten der Landeshauptstadt. Diese lag vor rund 65 Millionen Jahren in der Kreidezeit unter einem Meeresspiegel. Es waren Schnecken, Muscheln und anderes Meeresgetier, das seine Kalkgehäuse und auch organischen Substanzen hinterließen, die im Laufe von Myriaden von Jahren einen Kalk-Ton-Boden entstehen ließen, den so genannten Mergel. Seit etwa 150 Jahren wird er in diesen Bereichen des Seckbruchs, einer einst feuchten Wiesenlandschaft, abgebaut und dient zur Herstellung von Zement. In Misburg und Höver kann man am Rande der Gruben die beiden Fabriken sehen, die den Mergel verarbeiten.
In der Grube HPC 1 nun konnte sich die Natur seit über einem halben Jahrhundert frei entfalten und regenerieren. Sie hat den natürlichen Zustand angenommen, der für diese Mergelgegend charakteristisch ist und wie er früher einmal war. Man macht also in dieser Landschaft einen Ausflug ins 19. Jahrhundert, bevor der Abbau begann. Nur dass diese nun auf einer tieferen Ebene liegt.

Eine sumpfige Landschaft breitet sich in dem 500 Meter im Durchmesser messenden Kessel, umgeben von 30 bis 40 Meter hohen weißen Mergelwänden, die ein wenig an die Kreideküsten von Rügen denken lassen, aus. Ein feuchtes Kalkniedermoor ist entstanden. Und durch den säurearmen und salzhaltigen Boden hat sich eine ganz spezielle Pflanzenwelt entwickelt. 180 unterschiedliche Arten konnten an diesem Standort festgestellt werden, von denen so manche auf der Roten Liste steht. Zu ihnen gehören auch verschiedene Orchideenarten wie z.B. das Fleischfarbene Knabenkraut und die Echte Sumpfwurz. Außerdem konnten zwei Arten der Armleuchteralge festgestellt werden, die in Niedersachsen seit 1897 sonst nirgendwo mehr gefunden werden konnte. Auch der fleischfressende Wasserschlauch konnte nachgewiesen werden. Und dann findet man auch Pflanzen, die des salzigen Bodens wegen sonst nur an Meeresküsten vorkommen. Man sieht also, dass diese Natur besonders schützenswert ist.
Damit das so bleibt, muss der Mensch allerdings eingreifen. Das Grundwasser muss abgepumpt werden, da die Grube sonst volllaufen würde. Auch die Gehölze müssen im Zaum gehalten werden, da sie sonst den Großteil des Geländes für sich vereinnahmen würden. Besonders wertvoll aber sind gerade die freien Wiesenflächen, die immer mal wieder gemäht werden müssen, um die Artenvielfalt zu erhalten.

Bei der Führung bekommt man, auch wenn die Natur dieser Landschaft im April noch etwas trostlos wirkt, interessante Einblicke. Nachdem man sich zunächst von der Aussichtskanzel, die jederzeit betreten werden kann, einen guten Überblick verschafft hat, geht es anschließend durch die größtenteils ebene Grubensohle. Die eine oder andere Orchidee kann man ausmachen. In den Tümpeln jede Menge kleiner Frösche. Auch Kammmolche leben darin. Und eine Reporterin des Stadt-Anzeigers beobachtete in einem Gewässer sogar eine schwimmende „Wasserschlange“, wie sie erzählt. Vermutlich eine Ringelnatter. Auch Zauneidechsen leben auf dem Kreideboden.
Während wir oben am blauen Himmel einen Roten Milan erkennen können, flüchtet ein Reh über die steilen Kreidewände, dass von so viel ungewohntem Trubel aufgeschreckt wurde. Ein Hase hoppelt in den Wald hinein. Auch Wildschweine und Waschbären sind, so erzählt es mir später ein Anwohner, schon gesichtet worden. Auf den Teichen schwimmen Graugänse, in den kleinen Tümpeln geht der Eisvogel auf Jagd. Doch ein Tier ist es, das der ganze Stolz dieses Geländes ist. Es ist der Uhu, der in den Bäumen am Kraterrand sein Zuhause hat und für den die steilen Kreideflanken und das offene Gelände ein gutes Jagdrevier sind. Seit mehreren Jahren brütet er hier. Im vorigen Jahr soll das Paar vier Junge aufgezogen haben. Man sieht also, die Artenvielfalt ist groß, egal ob im Pflanzen- oder im Tierbereich. Von gewöhnlich bis ganz speziell ist alles vertreten.

Viermal im Jahr werden in dem eingezäunten Gelände Führungen angeboten. Nach Bedarf auch häufiger. Und noch interessanter ist es vermutlich zu fortgeschrittener Jahreszeit, wenn die Natur so richtig in Schwung gekommen ist. Für Naturinteressierte lohnt ein Besuch in jedem Fall, gibt es doch an diesem Ort eine einzigartige Natur zu entdecken. An welchen anderen Ort gibt es schon eine solche Artenvielfalt. Und gerade die ist es, die es bei dem großen, zum Großteil vom Menschen verursachten Artensterben, zu erhalten gilt. Auszeichnung und Anerkennung für diese ganz besondere Landschaft ist deswegen auch die Ehrung durch die Vereinten Nationen. Mehr dieser wertvollen Biotope würden unser fast vollständig kultiviertes und versiegeltes Land bereichern und zur Biodiversität beitragen.

Siehe auch: Parkanlagen und Grüngebiete in und um Hannover

  • Eine einzigartige Natur, die Misburger Mergelgrube.
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  • Ausgezeichnet wurde das Biotop von der UNO als wertvolles Landschaftsprojekt.
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  • Umweltdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette und Prof. Hansjörg Küster vom Institut Geobotanik der Leibniz-Universität führen mit Ansprachen die Ehrung durch.
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  • Anschließend kann die Mergelgrube bei einer Führung erkundet werden.
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  • Zunächst geht es durch einen urwüchsigen Wald 40 Meter bergab auf den Grund des Kraters. Die Waldrebe, eine Schlingpflanze mit kräftigen Lianen, die wir von mancher Terrasse als Clematis kennen, mag den säurearmen Kalkboden.
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  • Sie erobert in dieser Gegend Wald und Alleebäume. Auch die alte Fördertrasse.
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  • Wie ein Vorhang wird sie diese bald verdecken, wenn sie denn grün geworden ist.
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  • Auf einem Band wurde der Mergel bis 1962 aus der Grube befördert. Im gegenüberliegenden Hafen wurde er auf Schiffe verladen.
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  • Prof. Küster führt eine der drei Gruppen in Teilbereiche der Mergelgrube.
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  • Am Pumpspeicherteich wird das Wasser abgepumpt. Ansonsten würde die Grube innerhalb weniger Wochen volllaufen. Oben links die Aussichtskanzel, die jederzeit zugänglich ist.
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  • Oben angekommen, strömt das Wasser in einen kleinen Teich und von dort über einen Bach in den Stichkanal, der zum alten Misburger Hafen und zum Mittellandkanal führt.
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  • Sumpfig soll das Gebiet aber sein. Dadurch konnte sich ein Kalkniedermoor entwickeln.
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  • Die 40 Meter hohen Kreidewände lassen schon ein wenig an Rügen denken.
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  • In den kleineren Gewässern leben Kammmolche, Frösche und Wasserskorpione. In den größeren leider Fische, die früher von den Mitarbeitern des Zementwerkes ausgesetzt wurden. Sie verhindern die Ansiedlung der Amphibien.
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  • Aber jeder findet in dieser vielseitigen Landschaft seinen Platz. Auch der Eisvogel und sogar der Uhu.
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  • Am Hang die nördliche Fördertrasse.
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  • Der Blick von Norden geht auf die Misburger Fabrik Heidelberg-Zement und andere Industrieanlagen.
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  • Nebenan der alte Misburger Hafen, der einst die erste Mergelgrube der Gegend war.
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  • Der Hafen soll demnächst zugeschüttet werden, um weitere Industrieflächen zu schaffen.
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  • Manch ein Naturschützer ist dagegen. Ein Planfeststellungsverfahren läuft.
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  • Zurück geht es in die Grube HPC 1.
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  • Bei Führungen zu fortgeschrittener Jahreszeit wird sich die Natur vollkommen anders zeigen. Es lohnt, dann wiederzukommen.
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  • Die Brücke über den Stichkanal zur benachbarten Grube.
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  • Ein Stück Kanal aufwärts befindet sich der Misburger Jachthafen.
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  • Die Grube HPC 2 wird zurzeit bis auf 10 Meter unter der Abbruchkante mit unbelastetem Boden verfüllt. Anschließend entsteht dort ein Badesee.
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  • Als einzigartiges Biotop wird jedoch die Grube HPC 1 erhalten bleiben.
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5 Kommentare

> "Hier ist von einem Biotop die Rede"

Ja, und?

> "Das hat mit Kulturbau nichts zu tun."

Du hast mal wieder nicht gelesen, was im Artikel steht.
Da ist die Rede von einer künstlichen Schaffung und dem künstlichen Erhalt.

Ob einem sowas gefällt oder nicht, ist ja Geschmackssache, ändert aber nichts an den von dir ignorierten Fakten.

Es handelt sich nicht um "Kulturbau", Herr Besserwisser!

> "Es handelt sich nicht um "Kulturbau"

Ach, da oben ist nicht die Rede von Menschen und ihren Werken?
Wasn sonst? Aliens? Chemtrail-Kobolde?

*kopfschüttel*

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