Die „Haus- und Notfallapotheke“
Die „medicina profana et sacra“ zur "Friedberger Zeit"

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Im Stadtfest „Friedberger Zeit“ führt uns Apotheker Dr. Hannes Proeller einen Apotheker des 18. Jahrhundert vor Augen. Seine „Bude“ stellt er vor seinem Offizin in der Ludwigstraße auf. Mit seinem Karren zieht er durch die Festzone des Stadtfests und schart nach Art des Dr. Eisenbart den Kammerchor um sich, um Kunden anzulocken und vielerlei Tinkturen, Salben, Pülverchen und Balsams gegen allerlei Beschwerden mit viel Schauspielkunst anzupreisen. Sogar vom Balkon über der Bühne in der Jungbräustraße spricht er zum Publikum über seine Heilerfolge durch seine Mittelchen.

Ein Apotheker im Schloss
Ein Apotheker wird im 18. Jahrhundert in Friedberg erwähnt, als Kurfürstin Therese Kunigunde Karoline von Polen, die zweite Frau von Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern, vom 5. Juni bis 25. November 1720 vom Schloss Dachau her kommend ihren Aufenthalt im Schloss Friedberg nahm. In ihrem Gefolge waren neben einem Obristhofmeister, Hofdamen, Edelknaben und Dienstpersonal für ihr Seelenheil ihr Beichtvater Pater Schmucker, Pater Zigolli und Hofkaplan Lew, für ihr leibliches Wohlbefinden ein Zuckerbäcker und ein Hofapotheker und zu ihrer Belustigung Affen. Die Apotheker hatten in dieser Zeit nicht nur Heilpflanzen, Gewürze und Drogen, Alkoholika und chemische Präparate wie Eisensalz (Glaubersalz) in ihrem Angebot, sondern auch das Monopol für den Verkauf von Zucker. Welche Arzneimittel in eine Apotheke der „Friedberger Zeit“ gehörten, gibt uns die Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ des Pfarrers Johann Leithin Auskunft.

Die Hausapotheke des Pfarrers Johann Georg Leithin von Lechausen im Jahre 1744
Im Jahre 1742, als im Österreichischen Erbfolgekrieg am Fronleichnamstag die untere Vorstadt Friedbergs in Flammen aufging und die Stadt 2800 Gulden Brandschatzung zahlen musste, hatte Pfarrer Johann Georg Leithin, aus Hohenweiler aus Bregenz stammend, die Pfarrei des altbayerischen Dorfes Lechhausen im damaligen Landgericht Friedberg übernommen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1744 wurde sein Pfarrhof von den Kaiserlichen Soldaten total ausgeplündert. Bei dieser Plünderung kam auch seine Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ im Wert von 35 Gulden abhanden. Sie bestand aus medizinischen Mitteln, aus Mitteln der Volksmedizin und aus Mitteln des religiösen Volksglaubens des 18. Jahrhunderts. Pfarrer Leithin führt den Inhalt seiner Hausapotheke auf: „Ein halbdutzend Ärger, und 2 bixen venetianisch meditrat, 2 H. (wohl Hefte) miracul- oder schwarze Pflaster, 1 ½ Ötting, güfftwasßer, 2 große gläsßl Carmeliter-wasser, Item gronneböhr Öhl (=Wacholderbeeröl), 2 dreiysig Gams-Kugl, 2 Pfd Axendia(?), 1 Pfd. malefiz-wax, ein schächtele voll lucas Zetle, 5 häffen allerhand Saltz, bibergail, 1 Pfd. Kapaunen-schmaltz, rothe und weiße Corallen und waß zum Hexenpulver gehört etc.“

Erklärung dieser Hausmittel:
„Ärger“ = Odermennig, Heilkraut bei Erkältungen, stärkt Organe wie Milz, Nieren, Blase, Leber und Galle, „tödtet die würm im leib“.
„Mithidrat“ = Arzneimittel gegen Vergiftungen, aus dem Fleisch von Giftschlangen gewonnen.
Karmelitherwasser: Allheilmittel, in Wein gesottene Melisse.
Gronnebohr = Wacholderöl.
Bibergail = Mittel gegen Krämpfe, Pest, Fieber, Epilepsie und Wahnsinn, gewonnen aus der Drüsensubstanz des Bibers.
Kapaun-, Gänse-,Enten-, oder Hundeschmalz = Mittel zum Einreiben bei Erkältungen der Atem- und Luftwege.
Gamskugeln = Zaubermittel, Kugeln im Magen der Gämse aus unverdauten Pflanzenfasern gebildet.
Malefizwachs = Wachs zur Herstellung von Agnus Dei.
Hexenpulver = Mittel aus verschiedenen pflanzlichen, tierischen und mineralischen Substanzen hergestellt.
Lukaszettl: kleine geweihte Papierzettelchen zum Verschlucken mit Bildern von Heiligen oder geistlichen Formeln.
Korallen: Schutzkraft gegen den bösen Blick, gegen Kopfschmerzen, Epilepsie, Hausausschlag und anderen Krankheiten.
Allerhand Saltz = Schüßlersalze, Glaubersalze, Globuli.
(aus Robert Böck, Die Hausapotheke des Pfarrers Johann Georg Leithin von Lechausen im Jahre 1744, in Aicher Heimatblatt August 1988)
Eine medizinisch profunde Nachfolgerin der Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ des Pfarrers Johann Georg Leithin zur „Friedberger Zeit“ bietet Apotheker Dr. Hannes Proeller in seinem „Offizin“ an: eine „Haus- und Notfallapotheke“ mit hochwertigen handgefertigten Arzneimitteln, Solunaten und pflanzlichen Arzneimitteln.
Apotheker Dr. Hannes Proeller gehört zu den begeisterten und engagierten Friedbergerinnen und Friedbergern, die unser historisches Stadtfest „Friedberger Zeit“ so einmalig machen.

Haus- und Wettersegen
Viele dieser hier genannten Mittel wurden zur Friedberger Zeit in sog. „Haus- und Wettersegen“ mit Klosterarbeiten eingebaut, z. B. Schluckzettel, Agnus Dei, Abwehrzeichen u.s.w.

Text: Gabriele und Dr. Hubert Raab

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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