Weihnachtsmärkte- Gefühle spielen verrückt...

Auf dem Weihnachtsmarkt prallen ethische Gefühle und Einzelhandelsumsätze, Krippenspiel und Schnäppchenjagd ziemlich krass aufeinander. „Zwischen den Jahren“ ist dann aber die Zeit, sich der Geschenke zu erfreuen – wozu vor allem das Geschenk der Muße gehört. Die beste Zeit, Bücher zu lesen. Adam Smith zum Beispiel. Den ideengeschichtlich Bewanderten empfehle ich, jetzt den Computer abzustellen und es sich am Kamin mit einem schönen ledergebundenen Klassiker gemütlich zu machen – es kommt nichts wirklich Neues. Es geht um „das Adam Smith Problem“, in der unter Experten inzwischen geläufigen Interpretation.

Das Adam Smith Problem

Ökonomen haben ein Talent, Probleme zu diskutieren (und zu lösen), die keine sind – und: Probleme zu ignorieren, die welche sind. Das erste haben wir mit Philosophen, das zweite mit Politikern gemein. Das Problem, das ich hier an- und dann niederreißen will, ist das „Adam Smith Problem“. Es wird in der englisch-sprachigen Literatur, nicht als „the Adam Smith problem“ diskutiert, sondern als „Das Adam Smith Problem“. Das hat weniger damit zu tun, dass man das Wort „Problem“ nur schwer ins Englische übersetzen könnte – wie etwa „Schadenfreude“ oder „Ordnungspolitik“. Es liegt daran, dass im 19. Jahrhundert deutsche Intellektuelle ein Problem mit Adam Smith hatten – und vielleicht noch immer haben.

Das Problem war, dass Smith zwei Bücher geschrieben hat, die scheinbar nicht recht zusammen passen: Eine „Theorie ethischer Gefühle“ und eine „Untersuchung über den Wohlstand der Nationen“. Das erste, moralphilosophische, Werk wurde 1759 erstveröffentlicht. Das zweite – die wohl wichtigste Abhandlung klassisch-liberaler Ökonomik – 17 Jahre später: 1776. Wer beide Werke nicht wirklich gelesen hat, hat das „Das Adam Smith Problem“ schnell zur Hand: In der „theory of moral senstiments“ geht es um individuelle, aber sozial „konditionierte“ Gefühle, noch dazu um ethisch/moralische. Im „wealth of nations“ geht es um den „Marktmechanismus“, um kollektiv nützliche, aber individuell eher ungewollt erbrachte Leistungen an unbekannte Andere; um die sozialen Vorteile der Arbeitsteilung und des Freihandels.

Man kann doch nicht erst ein Buch über ethische Gefühle schreiben und dann die „unsichtbare Hand“ des Marktes loben, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln!? Man kann! Adam Smith hat seine „moral sentiments“ in 6 Auflagen bis zu seinem Lebensende (1790) wiederaufgelegt – ohne seine Theorie über die Bedeutung und den Ursprung ethischer Gefühle geändert zu haben. Er hatte kein „das Adam Smith Problem“.

Die Theorie ethischer Gefühle

Hier geht es darum, wie der Mensch als soziales Wesen fühlt und erkennt, was moralisch richtig ist – und warum er/sie oft auch entsprechend handelt. Smith stellt zunächst fest:

„Man mag den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen …“

Die Prinzipen sind: natürliche Empathie, soziale Anerkennung und eigenes Gewissen. Unsere ethischen Gefühle (und Handlungen) entstehen also aus Dreierlei:

1.Empathie als natürliche Veranlagung, „an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen“. Wir empfinden (gerade in der Weihnachtszeit) Genuß an ihrem Glück und Mitleid mit ihrer Misere – auch wenn wir selbst keine weiteren Vor- oder Nachteile von Glück oder Misere der anderen haben.
2.Hinzu kommt aber auch (gerade in der Weihnachtszeit) das soziale Verlangen, anderen zu gefallen, als tugendhaft anerkannt zu sein. Es ist uns wichtig, dass andere uns schätzen – als tugendhafte Menschen, als liebevolle Familienmenschen oder als ehrbare Kaufleute.
3.Wir wollen nicht nur anderen gefallen; wir wollen uns (gerade in der Weihnachtszeit) der Hochschätzung auch vor uns selbst würdig wissen. Es muss zum Lob der anderen auch die Zustimmung der inneren Stimme kommen, des eigenen Gewissens (bei Smith: „the impartial spectator“).
Kurz: Die natürliche Veranlagung der Empathie veranlasst am ehesten zu ethischem Handeln, wenn zweierlei hinzukommt: Anerkennung durch Zuspruch der Anderen und Selbstachtung nach Maßgabe des eigenen Gewissens.

Zeitgeist-
Quelle:
wdr.de

Bürgerreporter:in:

Wolf STAG aus Essen

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