Risiko für Landwirte, Verbraucher und Umwelt
Die „Neue Gentechnik“ – das Trojanische Pferd zur Etablierung der Agrogentechnik?

v. l. Johannes Enzler, BUND Naturschutz Kreisgruppe Augsburg, Ernst Haile, BUND Naturschutz Kreisgruppe Aichach-Friedberg, Harald Ulmer, BN Agrarreferent, Barbara Altmann, Firma Rapunzel, Josef Schmid, AbL Bayern | Foto: BUND Naturschutz, Kreisgruppe Augsburg
  • v. l. Johannes Enzler, BUND Naturschutz Kreisgruppe Augsburg, Ernst Haile, BUND Naturschutz Kreisgruppe Aichach-Friedberg, Harald Ulmer, BN Agrarreferent, Barbara Altmann, Firma Rapunzel, Josef Schmid, AbL Bayern
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Die “Neue Gentechnik“ und ihre Risiken für Landwirte, Verbraucher und Umwelt war Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der BUND Naturschutzkreisgruppen Augsburg und Aichach-Friedberg in Blumenthal.

Harald Ulmer, Agrarreferent beim BUND Naturschutz Landesverband Bayern, stellte zunächst die Funktionsweise der „Neuen Gentechnik“ vor: Im Gegensatz zu bisherigen gentechnischen Eingriffen wird dabei kein Erbgut einer fremden Art in Pflanzen- oder Tierzellen übertragen, sondern künstliche Enzyme, die als Genscheren funktionieren, werden in den Zellkern eingeschleust und können bestimmte Gensequenzen eines Organismus verändern. Im Prinzip passiert das auch bei natürlichen Mutationen, trotzdem ist die Methode ein technischer Eingriff, bei dem nicht vorhersehbar ist, ob nur die gewünschte oder auch andere Eigenschaften verändert werden. Bei der Aussaat derartig manipulierter Pflanzen können auch unerwünschte Effekte auf das Ökosystem ausgelöst werden und eine Rückholbarkeit ist in den meisten Fällen nicht mehr möglich.

Die von den Befürwortern der „Neuen Gentechnik“ versprochene Möglichkeit, z. B. hitze- oder trockentolerante Sorten in Verkehr zu bringen, ist bisher nicht gelungen. Meist waren bisher nur Punktmutationen möglich, die z. B. eine lilagefärbte Tomate oder eine fluoreszierende Petunie hervorgebracht haben. Außerdem leidet die Landwirtschaft unter Wetterextremen: Auf Dürreperioden folgen Starkregenereignisse, Hitze und Kälte wechseln oft innerhalb der Vegetationsperiode.

Der Referent ging auch auf die gesetzlichen Regelungen zur Gentechnik ein: Der Europäische Gerichtshof hatte 2018 entschieden, dass die „Neue Gentechnik“ unter die bisher schon gültige EU-Gentechnikrichtlinie fällt. Diese Richtlinie fordert das Vorsorgeprinzip, ein Zulassungsverfahren, die Rückverfolgbarkeit, ein Anbauverzeichnis, strenge Haftungsregeln und eine Kennzeichnungspflicht. Die EU-Kommission hat nun eine Aufweichung dieser strengen Regeln vorgesehen: Risikoprüfung und Zulassungsverfahren sollen entfallen, es soll keine Haftungsregeln mehr geben und die Transparenz für Verbraucher wird deutlich eingeschränkt. Außerdem soll eine Verordnung die bisherige Richtlinie ersetzen, was zur Folge hat, dass die Mitgliedstaaten keine strengeren Regeln erlassen können. Im Februar dieses Jahres hat das EU-Parlament den Kommissionsvorschlag mit einigen Änderungen durchgewunken. Nun muss der Ministerrat noch zustimmen. Die einzelnen Mitgliedstaaten sind sich dabei aber noch nicht einig und daher besteht noch Hoffnung, dass die „Neue Gentechnik“ weiterhin strengen Regeln unterworfen bleibt.

Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bayern beklagte in seinem Statement, dass die Abhängigkeit der Landwirte beim Saatgut durch patentierte Sorten zunehmen wird: ein Nachbau solcher Sorten ist nicht mehr möglich, und beim Saatgutkauf fallen Patentgebühren an. Der bisherige Verzicht auf den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten sei ein Alleinstellungsmerkmal und gewähre einen Wettbewerbsvorteil beim Absatz von landwirtschaftlichen Produkten. Schließlich erklärte Barbara Altmann, die bei der Firma Rapunzel für das Nachhaltigkeitslieferkettenmanagement zuständig ist, welche Auswirkungen die Deregulierung der Gentechnikgesetzgebung auf den Naturkosthandel hätte: für das Risikomanagement würden enorme Kostensteigerungen drohen, analytische Nachweismethoden würden an ihre Grenzen stoßen und die Gefahr der Kontamination von Erntegut beim Transport, Lagerung und Verarbeitung nähme stark zu. Das Unternehmen Rapunzel engagiert sich daher bei der Unterstützung der Bio-Saatgutzüchtung, die eine Alternative zu den Inverkehrbringern von gentechnisch verändertem Saatgut wie Bayer oder Corteva darstellen. Ihr Fazit: Möglichst viele Menschen über die Risiken der „Neuen Gentechnik“ aufklären und den Widerstand zur Deregulierung der Gentechnikgesetzgebung aufrechterhalten.

Bürgerreporter:in:

Verena Fischer

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