Batumi – viel Schein und Zustrom am Schwarzen Meer

Ali und Nino und das Riesenrad
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  • Ali und Nino und das Riesenrad
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Die Zugfahrt nach Batumi, vorbei an schneebedeckten Bergen, Umspannwerken, Flüssen und Bauerndörfern mit Kühen, dauert knapp sechs Stunden. Auf den letzten Kilometern schlängelt der Zug bisweilen direkt am Meer entlang. Am Bahnhof angekommen, wittern Taxifahrer leichte Beute. Das Erstgebot liegt bei 30 Lari für die sechs Kilometer zum Hotel. Bei Bolt wird mir die Strecke für sechs bis 14 Lari angeboten, also maximal die Hälfte. Aber es ist gerade kein Bolt-Fahrer frei. Ich einige mich mit einem hartnäckigen Taxifahrer, der kein Englisch spricht, mittels Rechner-App auf 18. Die Zieladresse kennt er natürlich, ist schließlich eine der großen Hauptstraßen an der Küste. Nur mit dem Gebäude kann er wenig anfangen. Am Bahnhofparkplatz bietet er noch einigen potenziellen Passagieren eine (kostenlose?) Mitfahrt an und wir nehmen eine junge Familie bis in die ersten Ausläufer des Stadtkerns mit. Der Mann spricht Englisch und übersetzt nochmal, wohin es gehen soll. Auf der Fahrt ins Zentrum manifestieren sich folgende Eindrücke:

  • Batumi ist laut, voll, die Luft strotzt vor Dreck und es werden überall Wolkenkratzer hochgezogen.
  • Man gibt sich modern, setzt voll auf Zuzug.
  • Die Strandpromenande ist gesäumt von Möchtegern(nach)bauten, darunter das Colosseum (Hotel) und ein „White Restaurant“, das auf dem Kopf steht.

Kurzum: Es gefällt mir nicht.

Der Taxifahrer setzt mich vor Orbi Citi, dem C-Block ab. Das ist nicht die korrekte Adresse, aber auch der Security-Mann dort bestätigt: B-Block gibt’s nicht, nur A und C. Zig Mal zeige ich ihm den Ausschnitt auf Google Maps, aber sei es drum, laufe ich eben die 5 Minuten. Vor dem B-Turm angekommen wird mir klar, warum beide überzeugt sind, dass ich dort bestimmt nicht übernachten werde: Es ist eine Baustelle. Was sie offenbar nicht wissen: eine bewohnte Baustelle. Über einen Seiteneingang geht es ins Gebäude.

Die Apartments des Natalia Sea Towers hätten Potenzial, aber:

  • Der Geruch im Bad ohne Fenster und ohne vernünftige Abluftanlage ist nunja – man meidet den Raum so gut es geht.
  • Die Aussicht vom kleinen Balkon mit Glasbrüstung bietet Meerblick auf die eine Seite, Wolkenkratzer und Bergblick auf die andere Seite und eine Großbaustelle samt zugehöriger Geräuschkulisse unten. Wer nicht schwindelfrei ist, guckt lieber nicht runter.
  • Küchenzeile, Sofa, Fernseher, Kleiderschrank, Sideboard im Schlafzimmer – das ist alles ganz manierlich, die Klimaanlage wiederum sieht unappetitlich aus. Gut, für den Preis kann man nicht meckern.

Nachts leuchtet jeder Balkon des A-Blocks grün auf, mit bewusstem Flackern, zwei Sekunden Dunkelheit, vier Sekunden Lichteffekt. Der B-Block bleibt konstant blau. Die Stromrechnung ist zumindest während des Umbaus offenbar nicht auf den Übernachtungspreis aufgeschlagen. Auf der Baustelle werden auch nachts schwere Geschütze aufgefahren, Presslufthammer und Co. zeugen noch nach Mitternacht von fleißigen Bauarbeitern.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt erstrecken sich über die Strandpromenande Batumi Boulevard: Die Statuen Ali und Nino, der „Miracle Park“ mit dem Riesenrad sowie Nachbauten der Akropolis (griechisches Restaurant), eines Leuchtturms oder eines Schiffes (Restaurant). Batumi wird wohl bereits in wenigen Jahren aufgrund des enormen Wachstums zur zweitgrößten Stadt Georgiens vorrücken. Mir hat die Großstadt am Schwarzen Meer, wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, nicht gefallen.

Witterungsbedingt wurde mir von einem Besuch des Mtirala Nationalparks abgeraten. Folglich breche ich meine Zelte im Baustellenturm einen Tag früher ab und fahre zurück nach Tiflis, wo ich mir die Altstadt mit dem Bäderviertel vornehme.

Immobilien in Batumi

Für Kapitalanleger, die Ihr Geld mit Immobilien mehren möchten, sehe ich in Batumi nicht die Goldgrube, als die sie gerne proklamiert wird. Die Kaufpreise für Wohnungen sind nicht niedriger als in den weniger populären Lagen in Deutschland, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet. Einer von meist zwei oder drei Aufzügen pro Wohnturm ist eigentlich immer kaputt und die Bausubstanz ist selbst bei angepriesenen Neubauten von so schlechter Qualität, dass ein sechs Jahre altes Hochhaus auf den ersten Blick innen bereits aussieht, als hätte es 30 Jahre in einem Problembezirk auf dem Buckel; Schimmel inklusive.

Die Preise haben in den vergangenen Wochen stark angezogen, da Georgien generell und Batumi im Speziellen einen Zustrom flüchtender Russen erfährt, die genug Geld haben. Der Mieter eines stilvollen Studio-Apartments berichtet, dass er ab kommendem Monat umgerechnet 500 anstatt 300 Dollar bezahlen soll.

Alle Teile meiner Georgien-Reise lesen:

Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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