Die zweite Expedition zum Baggersee: Am See

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Waldperlach, 26.5.2011: Ich hatte zwar meine Geländesandalen an, nur hier war es doch arg steil zum See hinunter. Aber ich wusste ja von der ersten Expedition, dass knapp 20 Meter weiter eine Stelle war, an der ich deutlich leichter die Böschung hinunter klettern konnte. Also folgte ich weiter dem Kiesweg.

Von dort aus konnte ich den See bereits durch die Bäume sehen, der Geruch des Wasser wurde immer intensiver. Und dann erreichte ich die Stelle, an der ich bei meinem letzten Besuch bis direkt ans Wasser gekommen bin. Hinunterklettern war kein Problem, aber jetzt war der Geruch des Sees überwältigend!

Das löste bei mir einen Erinnerungsflash aus, an den Steinsee, an mein Schlauchboot, an meine Insel…

Aber der Reihe nach. Anfang der 60er Jahre waren wir sehr oft am Steinsee, meistens an Wochentage, da es an den Wochenenden immer sehr überlaufen war. Von den Kids ging nur mein Cousin in die Schule, alle anderen waren noch zu jung. Mein Cousin sollte im nächsten Jahr in eine deutsche Schule gehen, musste aber erst noch die Sprache lernen. Ich fand das irgendwie schade, da er dann nicht mehr jeden Tag vom Schulbus vor der Haustür abgeholt und am Abend dort wieder abgesetzt wurde. Das gab`s eben nur bei den Amis.

Mit der Sprache war das ein Problem: Wir Kids sprachen untereinander Englisch, mit den Erwachsenen Deutsch und Englisch – laut meiner Mutter einen extremen Mischmasch aus beidem – und daher musste mein Cousin in diesem Jahr richtig Deutsch lernen. Meine Tante hatte deshalb Kontakt aufgenommen mit einer Lehrerin an der Waldperlacher Gänseliesel Schule. Fräulein Kyrein. Der Prototyp einer Lehrerin (old school kann man das wohl nennen) und sie gab meinem Cousin mehrmals pro Woche Deutschunterricht. Sehr erfolgreich sogar.

Nun, in den Sommerferien war sie gelegentlich mit am Steinsee, sorgte dafür, dass wir Kids nicht nur Englisch sprachen und strahlte dabei eine für mich irgendwie ungewohnte und gleichzeitig unheimliche Art von Autorität aus. Das hab ich noch nie gemocht. Aber man ist ja tolerant.

Wir sind oft schon am Vormittag zum Steinsee gefahren und erst am späten Nachmittag wieder zurück. Als Proviant nahmen wir immer riesige Mengen an belegten Broten, Semmeln und Obst mit. Wobei das Obst meistens vom Transport her angematscht war. Was mich aber nicht weiter störte. Ich war sowieso die meiste Zeit im Wasser, in meinem Schlauchboot.

Und das hatte es in sich! Es war klein, dreieckig, mit einem blauen Boden in dem am Bug ein dreieckiges Fenster eingelassen war. Es hatte zwei Schwimmkammern, eine große gelbe und oben eine kleinere rote. Durch die Sicherheitsventile war es wahnsinnig schwer aufzublasen und auch das Ablassen der Luft erforderte einiges an Übung. Als ich das Boot in der PX gesehen hatte war klar: das musste ich haben! Es roch extrem nach PVC – vermutlich empfinde ich den Geruch deshalb immer noch als angenehm – und leistete mir jahrelang treue Dienste. Irgendwann Mitte der 60er Jahre passte ich dann nicht mehr hinein, außerdem hatte das Boot dann auch schon entschieden zu viele Löcher... Seufz.

Wir Kids tobten uns immer im Nichtschwimmerbereich am See aus, und dort gab es eine Insel. „Meine“ Insel! Im Bereich der überhängenden Ränder der Insel schwammen kleine Fische zwischen den Steinen am Grund, die ich durch das Fenster in meinem Boot beobachten konnte, ebenso in Ufernähe am Rand des Nichtschwimmerbeckens...

Immer wenn ich den Grund beobachtete, dachte ich an das ferngesteuerte U-Boot meines Vaters, das er in den 50er Jahren hier ausprobiert hat: Es funktionierte alles einwandfrei, aber als beim ersten Tauchversuch die Antenne unter Wasser kam, riss der Funkkontakt ab und das Boot tauchte immer weiter. Mein Vater und seine Freunde haben zwar lange danach gesucht, aber es blieb im schlammigen Grund des Steinsees verschollen. Und deshalb ist der Steinsee vermutlich einer der wenigen Seen in Bayern, auf dessen Grund ein gesunkenes U-Boot liegt. Seit über 60 Jahren…

Langsam ebbte der Erinnerungsflash ab, ich fand mich im Hier und Jetzt am Ostufer des Baggersees in Waldperlach wieder. Ein phantastischer Anblick! Ich wollte gerade noch einmal tief Luft holen, den Geruch wahrnehmen – aber das verkniff ich mir. Wer weis, was dann wieder an Erinnerungen hoch kommt? Schließlich wollte ich nicht eine Kopfkino Show besuchen, sondern Fotos schießen. Jede Menge Fotos!

Wird fortgesetzt...

Bürgerreporter:in:

B Göpfert aus München

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