Eine Radtour über die Dörfer der südlichen Leinemasch – Von Alt Ricklingen bis Ruthe

Nicht nur die Leinemasch ist reizvoll, sondern auch die Dörfer an ihrem Rand.
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  • Nicht nur die Leinemasch ist reizvoll, sondern auch die Dörfer an ihrem Rand.
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Dieses Mal haben wir uns keine große Tour vorgenommen. Etwa 35 Kilometer soll sie lang sein. Dabei widmen wir uns in erster Linie nicht der südlichen Leinemasch, in der wir oft unterwegs sind und über die ich mehrmals berichtet habe, die wir aber auf dem Rückweg durchradeln werden. Sondern es geht uns um die Dörfer, die hauptsächlich westlich der Leineaue liegen und die zumindest in ihrem Kern ihre Ursprünglichkeit bewahrt haben. Dabei beginnen wir unsere Rundtour am südlichen Ende des Maschsees, fängt doch dort die Leineaue an.

Vom Strandbad geht es zunächst an der Maschseequelle vorbei, die leider nicht mehr wie in früheren Zeiten sprudelt, zur Leine. Sie ist es, die diese ganze Landschaft, die wir erkunden wollen, nach der letzten Eiszeit geschaffen hat, und ihr werden wir auf der Rückfahrt immer wieder begegnen. Nach überqueren der Brücke und unterqueren der Eisenbahnlinie, erkennen wir nach rechts im Dickicht einen kleinen Trampelpfad. Er führt zu einem Teich, den wir als Kinder Froschteich nannten. Er war einmal das Ricklinger Freibad. An einigen Stellen erkennt man noch die alte Betoneinfassung. Durch die Anlegung eines Parkplatzes ist er allerdings heute deutlich kleiner als damals.

Weiter radelnd überqueren wir den kleinen natürlich wirkenden Kanal, der zur Expo 2000 angelegt wurde, damit die Fische über die Ihme das Leinewehr umgehen können. Kurz dahinter gelangen wir an einer Viehweide mit saftigem Gras durch die Senke der Masch, die bis an den Ricklinger Deich heranreicht. Bei Hochwassern steht sie komplett unter Wasser. In selteneren Fällen sogar so hoch, dass das Deichtor, das Düsterntor, geschlossen werden muss. Und mancher, der die Wassertiefe und die Strömung unterschätzt hat, ist dort bei einem Durchquerungsversuch in Not geraten. Einmal musste sogar eine Person mit einem Hubschrauber gerettet werden. Ein anderes Mal konnte ich selbst eine Frau aus der Strömung ziehen, die sich, den Boden unter den Füßen verlierend, an einen Baum geklammert hatte. Ihre beiden Hunde erreichten nur mit letzter Kraft in den Fluten paddelnd den Deich. An diesem Tag jedoch bekommen wir keine nassen Füße, haben wir doch schönstes, frühlingshaftes Wetter. (Siehe auch: Hochwasser an der Leine)

Kurz vor dem Deich plätschert, aus dem Deistervorland kommend, die kleine Ihme entlang, die in Ricklingen Beeke genannt wird. Längst ist auch in ihr der Biber heimisch. Ein Stück weiter, Bach aufwärts, hat er einen Damm angelegt. Gleich dahinter erreichen wir durch das Düsterntor Alt Ricklingen. Es hat einen schönen Ortskern zu bieten, der noch dörflichen Charakter vermittelt. Zur Linken gelangen wir zum Edelhof, einem ehemaligen Rittergut. Die Adelsgeschlechter der von Ricklingens, von Altens und von Platens haben es nacheinander einst bewohnt. Um diesen schönen Platz mit seiner großen Kastanie haben sich die alten bäuerlichen Häuser gruppiert. Ein idyllisches Fleckchen. Besonders interessiert uns die kleine Edelhof-Kapelle, die um 1340 erbaut wurde. Sie ist das älteste Gebäude Ricklingens.

Durch ein kleines Waldstück und am Ricklinger Freibad vorbei, erreichen wir den Großen Ricklinger Teich. Immerhin knapp zwei Kilometer ist er lang. Die Landschaft, auch mit den sich anschließenden Teichlandschaften, die der Kiesabbau bis in die Siebzigerjahre hinterlassen hat, hat sich seitdem zu einer eindrucksvollen Natur entwickelt. Künstlichkeit ist ihr nicht mehr anzusehen, alles wirkt natürlich. Es ist ein Paradies für Wasservögel und Fische. Sogar große Welse soll es darin geben. Und beim Schnorcheln habe ich selbst oft die Fische aus der Nähe betrachten können. Die Aale winden sich dabei wie Schlangen über den schlammigen Grund.

Rechts die großen Sendemasten liegenlassend, erreichen wir Hemmingen. Wir folgen der Hauptstraße jedoch nur ein kurzes Stück und biegen dann nach links in einen Feldweg ein, der durch Streuobstwiesen führt, auf denen Heidschnucken und Schafe am Gras zupfen. Der Ort hat einen besonders schönen dörflichen Ortskern. Hier fühlt man sich tatsächlich in frühere Zeiten versetzt, als das Leben noch so ganz anders war. Ein Leben der Bäuerlichkeit, das nichts mit der Hektik der heutigen Stadt zu tun hat. Das gilt besonders auch um den Bereich der kleinen Kapelle herum. Diese wurde um 1400 wahrscheinlich aus den Bruchsteinen der Wilkenburg errichtet und als Wehrkapelle genutzt. Bei Bedrohungen konnten sich die Bauern darin verschanzen. Ihr heutiges Aussehen hat sie im 16. Jahrhundert erhalten.

Weiter radeln wir durch die sich anschließende Feldlandschaft, nach links einen Blick auf das Rittergut des Adelsgeschlechtes der von Altens werfend, deren verschiedenen Linien man an vielen Orten in und um Hannover herum antreffen kann, zum Sundern, einem Auwald, der fast immer unter Wasser steht. Eine eindrucksvolle, urwüchsige Natur, die sich aus einem alten, abgetrennten Leinearm gebildet hat. Darin befindet sich auch die Mausoleumsruine Graf Carl von Altens, der einst bei der Schlacht von Waterloo keinen geringen Anteil am Sieg gegen Napoleon hatte. Leider ist die Ruine im Laufe der Zeit ziemlich verwüstet worden und wurde sogar von den Dörflern als Steinbruch missbraucht. Immerhin gelang es vor einigen Jahren einem Förderverein die Ruine zu sanieren, so dass die Reste erhalten bleiben werden. Ein Denkmal des Grafens steht übrigens vor dem Niedersächsischen Landesarchiv am Waterlooplatz. (Siehe auch: Die Mausoleumsruine Graf Carl von Altens im Naturschutzgebiet Sundern)

Danach wenden wir uns dem Ort Wilkenburg zu, der sich ebenfalls wie Ricklingen hinter einem Deich verschanzt und dessen Burg es schon lange nicht mehr gibt. Sie gehörte einst zum Rittergut der von Altens, das 700 Jahre in deren Besitz war. Sehenswert ist die kleine St.-Vitus-Kirche. Auf immerhin 900 Jahre Geschichte kann sie zurückblicken. Im unteren Bereich aus groben Steinen errichtet, darüber aus Fachwerk. Besonders beeindrucken auch die vielen erhaltenen alten Grabsteine, immerhin 30 an der Zahl. Sie stammen aus der Barockzeit von 1650 bis 1730. Ein Grabstein weist auch auf den Tod einer 27jährigen Frau hin, die 1723 bei einem Leinehochwasser ertrunken ist. An den meisten historischen Kirchen wurden solche Grabsteine leider entsorgt oder sind nur noch vereinzelt vorhanden. Danach erklimmen wir den Deich, blicken über die weite Wasserfläche eines Sees und suchen dann die kleine Straße "Dicken Riede", zu deren Ende wir fahren. Dort blicken wir über die weite Feldlandschaft, und dort steht eine Informationstafel. Die weist auf das einstige Römerlager hin, dass sich vor 2000 Jahren an dieser Stelle befand.
Das einstige Marschlager ist das einzige nichtüberbaute nördlich des Limes und zugleich das nördlichste in Deutschland. Es ist 500 mal 600 Meter groß und bot etwa 20.000 Legionären platz. Die haben dort bei ihrem wochenlangen Aufenthalt Etliches hinterlassen. Bisher konnten die Archäologen über 3000 Funde sichern. Teile von Pferdegeschirren, Sandalennägel, Münzen und vieles mehr. Erst im Jahr 2015 wurde es entdeckt. Aber auch wenn es die höchste Denkmalschutzstufe hat, so ist es leider doch vom Kiesabbau bedroht und könnte in absehbarer Zeit verschwinden. Bürgerproteste können dieses Vorhaben hoffentlich stoppen. Wer mehr über diesen Feldzug der Römer erfahren möchte, der besonders bei einem großen Kampf am Harzhorn seine Spuren hinterlassen hat: https://www.myheimat.de/bad-gandersheim/kultur/als... Nach Würdigung dieser Landschaft, die erst zu einem kleinen Bruchteil ausgegraben ist, radeln wir weiter Richtung Harkenbleck.

Kurz hinter dem Ortsausgang von Wilkenburg liegt nach links die Forellenzucht Moeller. Ein Stück weiter geht zur selben Seite ein kleiner Feldweg ab. Ihn folgen wir ein paar Meter und kommen zu einem Beobachtungsstand, von dem wir über den weiten Steinfeldsee gucken können, der bei den Wasservögeln ebenfalls sehr beliebt ist.
Weiter der schnurgeraden Straße folgend, die von einem Obstbaum-Lehrpfad begleitet wird, sehen wir auch zur Rechten eine große Wasserfläche mit Inseln darin. Es ist die Teichlandschaft Harkenbleck, eine Fischzucht. Und weite Wasserflächen prägen diese ganze Gegend des Leinetales, die sich bis hinter die Marienburg hinziehen, schreitet doch der Kiesabbau immer weiter voran. So kann der Mensch manchmal die Landschaft auch zu ihrem Vorteil verändern, entstehen doch statt der üblichen Feldlandschaften wertvolle Naturregionen. Neben dem Steinhuder Meer ist diese Landschaft das bedeutendste Vogelzugsgebiet der Region Hannover. Störche, Grau- und Silberreiher, Kormorane, natürlich Graugänse und viele andere, auch seltene Arten, kann man dort beobachten.

Kurz darauf überqueren wir den Arnumer Landwehrgraben, in dem ich schon einmal einen Biber habe abtauchen sehen. Leider bekommt man die großen Nager nur selten zu Gesicht, da sie nachtaktiv sind. Aber sie haben sich, vor etwa 20 Jahren eingewandert, inzwischen in alle Gewässer ausgebreitet.
Irgendwo in dieser Gegend zwischen Wilkenburg und Harkenbleck muss einst auch eine Germanendorf gelegen haben, die Hütten auf Pfählen errichtet, das etwa vom ersten bis zum vierten Jahrhundert besiedelt war. Archäologen konnten viele Funde machen. Aber Menschen sind schon lange vor der Zeit bevor sie sesshaft wurden, als Jäger und Sammler durch diese Gegend gezogen. Bei Schliekum im Leinekies, etwas weiter südlich, konnten 70.000 Jahre alte Fragmente von Neandertalerknochen gefunden werden. Und sogar die von Frühmenschen, des Homo erectus, die mehrere Jahrhunderttausende alt sein sollen. Sie stammen also aus einer Zeit, lange bevor unsere direkten Vorfahren aus Afrika nach Asien und Europa eingewandert sind.

Dann erreichen wir Harkenbleck, das wie alle Dörfer auf unserer Tour, am Rande des Leinetals liegt, so dass man an vielen Stellen einen Blick auf die mehr oder weniger steilen Hänge des Urstromtals hat. Mittelpunkt ist, von diversen Hofanlagen umgeben, die romantisch wirkende Kapelle. Vor 600 Jahren wurde sie aus Bruchsteinen als Wehrkirche mit kleinen Schießscharten errichtet. Unter ihr befindet sich die Gruft der Familie von Reden. Es lohnt sich, auch wie viele andere historische Gebäude, sie mal am „Tag des offenen Denkmals“ zu besuchen.

Von Harkenbleck könnte man in die Leinemasch hineinfahren und über die Alte Leine, die Harkenblecker Furth und die Leine nach Grasdorf hinübergelangen. Wir folgen jedoch auf dem noch ziemlich neu angelegten Radweg der Redenener Straße, die nach einem Kilometer den gleichnamigen Ort erreicht. Betrachtet man diesen von der Masch aus, dann kann man gut erkennen, wie er am Hang des Leineurstromtals liegt. Am Tor des Rittergutes der von Redens stoppen wir kurz und werfen einen Blick auf die schöne Gutsanlage mit den Wirtschaftsgebäuden, dem Herrenhaus und dem großen Taubenschlag. Einen solchen durften in früheren Zeiten nur diejenigen aufstellen, die ihren Hof schuldenfrei unterhielten. So erzählte es mir einmal Herr von Reden selbst. Und wir freuen uns über die vielen Schwalbennester unter einem Dachgiebel, die wohl bald wieder rege frequentiert werden. An manchen Sommertagen ist der Himmel voller Schwalben. So etwas sieht man heutzutage immer seltener, gibt es doch immer weniger offene Stallgebäude und Misthaufen. Zu meiner Kinder- und Jugendzeit in den fünfziger und sechziger Jahren war das noch Normalität. Und die weißverputzten Wände auf dem Lande waren oft schwarz von Fliegen. Natürlich hing in den meisten Zimmern ein klebriger Fliegenfänger. Und man wundert sich schon, wenn man im Calenberger Land herumkommt, über die große Anzahl der Rittergüter. Das liegt am fruchtbaren Lössboden zwischen Leine und Deister. Ein Gut benötigt deswegen, da die Erträge hoch sind, relativ wenig Feldfläche, so dass Platz für viele Gutshöfe ist. (Siehe auch: Das Calenberger Land zwischen Leine und Deister)

Den Redenschen Gutsparks links liegenlassend, führt die Straße, auf der, von Wilkenburg an nur wenige Autos fahren, am Ortsausgang ein Stück bergab. Sozusagen ins Leinetal hinunter. Hinter einer Kurve schlängelt sich nach rechts der Fuchsbach durch schöne Landschaft nach Pattensen hin. Auch er ist längst von Bibern besiedelt, die überall ihre Spuren hinterlassen haben. Gefällte oder angenagte Bäume, Biberburgen oder Dämme. Sind sie es auch, die dafür gesorgt haben, dass das Feld rechts der weiterführenden Straße unter Wasser steht? Auch zur Linken sieht man ihr Werk. Dort schlängelt sich der Koldinger Mühlengraben, ein längst abgetrennter einstiger Hauptlauf der Leine, zwischen Weiden und Kopfweiden entlang. Je nach Wasserstand mal schmaler, mal breiter. Ein schöner Anblick, wie auf einem alten Gemälde holländischer Meister. (Siehe auch: Das Naturschutzgebiet Alte Leine)

Dann erreichen wir auch schon Koldingen. Gleich nach rechts befindet sich die ehemalige Teichmühle, eine von zwei Amtsmühlen des Dorfes. Die andere musste vor 300 Jahren aufgegeben werden, da der Leinearm nicht mehr genug Wasser führte. Die historische Teichmühle, die einst zwei Wasserräder hatte, gibt es seit immerhin 800 Jahren. Sie wurde in den letzten Jahren von ihrem Besitzer aufwendig saniert und erstrahlt nun in neuem Glanz. Weitere Jahrhunderte wird sie überstehen können. (Siehe auch: Wind- und Wassermühlen in und um Hannover)
Gleich hinter der Bundesstraße nach Pattensen steht über dem Hang des Leinetals das Amtshaus, ein schlossähnliches Gebäude der Weserrenaissance. Es wurde genau an der Stelle errichtet, wo als Vorgängerbau eine Burg des Bischofs von Hildesheim stand. Die eigentliche Coldinger Burg, die vor 600 bis 700 Jahren von den Grafen von Hallermund erbaut wurde, stand jedoch unweit davon an anderer Stelle. An der kleinen Straße „Drostei“ befand sich früher, von Leinearmen umgeben, das Burgplateau.
Nachdem wir mit den Rädern am Amtshaus die steile Straße zur kleinen Kapelle hinauf erklommen haben, wird es wieder flach. Die kleine Straße führt zwischen vielen Höfen mit Pferdekoppeln entlang. Koldingen scheint ein Pferde- und Reiterdorf zu sein.
Folgt man dem asphaltierten Feldweg geradeaus, so gelangt man, am Schwarzen Busch mit seinem mysteriösen Kreuzstein vorbei, nach Ruthe. Der Weg führt durch eine freie Feldlandschaft mit Blick auf die Berge von Deister, Osterwald und Thüster Berg. (Siehe auch: Der Kreuzstein am Schwarzen Busch)

Gleich zur Rechten sieht man in Ruthe, versteckt in Obstplantagen, das Gelände des Gravitationswellendetektors der Leibnizuniversität, der 2015 nicht unwesentlich zur Entdeckung des Zusammenstoßes zweier Schwarzer Löcher beigetragen hat, eine wissenschaftliche Weltsensation. Der Interferometer dazu, ein Messgerät, wurde in Hannover und Potsdam entwickelt. Zur anderen Seite, zur Linken, sehen wir auf die Stallgebäude der Tierärztlichen Hochschule Hannover, die dort ihre Forschungen durchführt.
An der Hauptstraße wenden wir uns nach links und folgen ihr. Zunächst, unten im Leinetal angekommen, geht es über die Leine. Nach links werfen wir einen Blick auf das ehemalige Brauhaus, das größte und älteste Gebäude des Ortes. 1676 wurde mit dessen Bau aus Bruchsteinen begonnen. Im Jahrhundert darauf wurde ihm ein Fachwerkbau aufgesetzt. Zum Ortsausgang überqueren wir die Innerste, die, aus dem Harz kommend, nur wenig weiter in die Leine mündet. Hinter der Brücke wenden wir uns sofort nach links in einen Feldweg. Damit haben wir den Umkehrpunkt unserer Radtour erreicht. Nun geht es, praktisch parallel zum Weg von Koldingen nach Ruthe, Richtung Koldingen zurück. Zunächst wieder durch Feldlandschaft, dann erreichen wir die Koldinger Seenplatte. Dabei handelt es sich um eine große Wasserfläche, die aus kleineren und größeren Seen besteht, ebenfalls durch den Kiesabbau entstanden. Das Gebiet hat sich ebenfalls zu einer eindrucksvollen Naturlandschaft entwickelt, die besonders im Winterhalbjahr von großen Scharen von Wasservögeln aufgesucht wird. Beobachten kann man diese auch von zwei Aussichtstürmen, die einen guten Überblick bieten. So auch auf eine Insel im Großen Koldinger See, die bis vor wenigen Jahren eine Kormorankolonie beherbergte. Allerdings sind die Bäume darauf inzwischen zusammengebrochen, so dass nur noch Baumfragmente übriggeblieben sind. Der Koth der um die 100 Kormorane hat sie durch ihre Säure zerstört. Nun haben sich die Federtiere auf einer Nachbarinsel niedergelassen, auf der die Bäume allerdings auch schon grau werden. Gleich hinter dem ersten See haben wir mit einem Fernglas Fischadler beobachten können, die ihr Nest hoch oben in einem Elektromast gebaut haben. (Siehe auch: Vogelparadies südliche Leinemasch)

Nachdem wir die Seen hinter uns gelassen haben, folgen wir ein kurzes Stück der Bundesstraße wieder nach Koldingen hinein. Nach links, praktisch direkt am Straßenrand, bewundern wir ein Naturdenkmal, eine ca. 350 Jahre alte Eiche. Kurz dahinter überqueren wir die Straße und biegen nach rechts in einen Feldweg ein, der uns nun erstmals richtig in die Leinemasch hineinführt, waren wir doch davor hauptsächlich an ihrem westlichen Rand unterwegs. Und die Masch soll auch in erster Linie unseren Rückweg bilden, gibt es doch an deren östlichen Rand bis auf Grasdorf keine alten Dorfkerne mehr. Es sind die Orte Gleidingen, Rethen, Laatzen, Wülfel und Döhren, die teilweise im modernen Stadtgebiet von Laatzen oder Hannover aufgegangen sind und die nur sehr wenig Historisches aufweisen können.

Am Koldinger Holz legen wir noch einen kurzen Stopp ein. Nach dem Krieg war fast der gesamte Wald von den Alliierten abgeholzt worden. Doch ein Baum wurde stehen gelassen. Eine Stieleiche, die ebenfalls um die 350 Jahre alt und ein Naturdenkmal ist. Durch einen kurzen Pfad erreicht man den eindrucksvollen Baum vom Waldrand aus. Weiter radeln wir durch die Masch, je nach Wegstrecke die wir wählen, auch am Storchennest bei Grasdorf vorbei, in dem jetzt im Frühjahr wie jedes Jahr Jungstörche aufgezogen werden. Und zuvor sind wir durch den Wiesenbereich gekommen, in dem einmal die kleine Retburg lag, die einen Leineübergang gesichert hat.

Kurz darauf erreichen wir Grasdorf. Es ist zwar ebenfalls im Stadtbild von Laatzen aufgegangen, hat sich aber zur Masch hin einen besonders schönen, alten Dorfkern bewahren können. Viel bäuerliches, weißverputztes Fachwerk, viele Gebäude um die 200 Jahre oder noch mehr alt. Das vermittelt den Eindruck eines richtigen Dorfes. In der Alten Feuerwache hat der NABU eine Station, die ein kleines Museum beherbergt. Dort kann man so Einiges über die Natur der Masch erfahren.
Weiter radeln wir durch die Masch, zum Teil durch das Landschaftsschutzgebiet Alte Leine. Vorbei an dem einen oder anderen Teich, der früher mal eine Tongrube war, wurden doch im Mittelalter jede Menge Ziegel benötigt. So zum Beispiel für den Bau der Marktkirche oder des Alten Rathauses.
Zwischendurch verlassen wir die Masch zu einem kurzen Abstecher nach Alt-Laatzen, das seinem Namen aber kaum noch Ehre macht. Zumindest dann, wenn man es mit einem alten Ortskern in Verbindung bringt. Aber uns interessiert die Alte Kapelle, ein Kleinod norddeutscher Backsteinkunst, die südlichste dieser Bauart überhaupt. Im Jahr 1325 wurde sie erstmalig erwähnt, kann also auf ein stolzes Alter zurückblicken. Zwar wurde sie im Krieg bis auf die Grundmauern zerstört, danach aber originalgetreu wieder aufgebaut. Ansonsten konnten wir in Alt-Laatzen nur noch drei bäuerliche Fachwerkhäuser aus früherer Zeit entdecken. Unter ihnen auch das alte Rathaus, das gerade saniert wurde.

Weiter durch die Masch erreichen wir schließlich Döhren, den letzten Ort auf unserer Tour. Auch heute noch erinnert dort einiges nahe des Wehres mit seinem rauschenden Wasser an die Zeit der Wollwäscherei und -kämmerei aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Natürlich der Uhrenturm, das Brückenhaus, das einstige Turbinenhaus des Werks, die Eisenfachwerkbrücke zur „Wollinsel“ und diese selbst, die früher zum Werksgelände gehörte. Besonders schön sind auch die ehemaligen Arbeiterhäuser an der Werrastraße, ebenfalls aus rotem Backstein, die „Döhrener Jammer“ genannt werden.

Das letzte kurze Wegstück geht es nahe der Leine zum Maschsee zurück. Es war einen schöne Tour durch alte Dörfer und mit der Masch wunderbaren Landschaft, von der es in Deutschland leider viel zu wenig gibt. Immer mehr wird die Fläche unseres Landes versiegelt, und deswegen sind solche Naturregionen besonders wertvoll. Wir sollten sie wertschätzen und wo möglich erhalten oder auch wieder renaturieren. Nur das kann den Rückgang der Artenvielfalt aufhalten. Und das ist nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt wichtig, sondern auch für uns Menschen. Denn alles hängt irgendwie miteinander zusammen.

Siehe auch: Parkanlagen und Grüngebiete in und um Hannover

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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