Waldemar Hartmann: „Ich lag schon dreimal in der Aussegnungshalle der ARD“

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Sein legendäres Interview mit einem vulkanisch schnaubenden Rudi Völler rückte ihn nahe an die Grenze zur medialen Unsterblichkeit, die Abnahme des Schnauzers sorgte für wohlwollende Zustimmung in der Damenwelt und markige Sprüche über Fußballer („Lothar Matthäus konnte nicht kommen, weil er bei der Geburt seiner neuen Freundin dabei sein wollte“) festigten seinen Kultstatus. Waldemar Hartmann ist einer der bekanntesten und beliebtesten Sportmoderatoren Deutschlands. Jetzt startet der gebürtige Nürnberger eine zweite Karriere und bezeichnet sich selbst als den „ältesten Comedy-Neuling“ der Welt. Mit seinem Programm „Born to be Waldi“ tourt er durch die Lande, spricht über verbale Flachpässe von Profifußballern und plaudert nonchalant aus seinem reichhaltigen Moderatorenleben. myheimat unterhielt sich mit Waldemar Hartmann über seine vielfältigen Beziehungen zur Region Augsburg, den richtigen Bierpreis in Kneipen, einen Pointenfilter im Kopf, den einzigartigen Humor Harald Schmidts und eine beeindruckende Begegnung mit Box-Legende Muhammad Ali.

myheimat: Herr Hartmann, es ist ja bekannt, dass Sie eine besondere Beziehung zu Schwaben und speziell zu Augsburg haben. Sie eröffneten 1971 die Kneipe „Waldis Club“ in der Fuggerstadt. Am 21. Februar 2009 hatte das Lokal, das inzwischen Sputnik hieß, zum letzten Mal geöffnet. Haben Sie das Ganze aus der Ferne noch verfolgt?
Waldemar Hartmann: Ich bin ein paar Mal vorbeigefahren und wollte einmal, als ich eine Lesung in der Thalia-Buchhandlung in Augsburg hatte, das Lokal besuchen. Warum haben die zugesperrt? Ich vermute, es war zu schön für die Lage. Ich wollte damals die „jungen Reichen“ dahaben und einen so genannten Schlüsselclub etablieren. Jeder bekam einen Schlüssel. Damit wollte ich eine „Club-Atmosphäre“ schaffen. Das Konzept ging leider nicht ganz auf, denn die anderen potentiellen Besucher dachten, dass es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte. Außerdem fing ich ja 1966 als Discjockey im „Big Apple“ an. Ich sammelte viele Platten. Am Montagabend gab es immer den „Oldie-Abend“. Von der Pädagogischen Hochschule saßen immer Stammbesucher an zwei Tischen, die dann um 12 Uhr auf den Tischen standen und Rocco Granatas „Marina“ mitsangen. Das war ein großer Erfolg. Den Besuchern gefiel es gut, aber das Bier war ihnen zu teuer. Ich bot das Bier billiger an und schon war die Bude voll. Mittwochs, donnerstags und freitags standen die Besucher Schlange!

myheimat: Welchen Berufswunsch hatten Sie damals? Journalist oder Wirt oder beides?
Waldemar Hartmann: (lacht) Also ich wollte weder Lokomotivführer noch Pilot werden. Mein erster Berufswunsch war Rechtsanwalt, der zweite Architekt. Dann wurde ich Discjockey und Wirt, bis ich schließlich auf den Journalismus stieß. Ich hatte immer eine gewisse Affinität zum Schreiben und war auch schon bei der Schülerzeitung tätig. Die Produktionsabläufe im Journalismus kamen mir entgegen, denn der relativ späte Dienstbeginn lag mir. In der damaligen „Neuen Presse“ bekam ich dann eine Klatsch-Kolumne mit dem Titel „Waldis Nightspots“ eingeräumt. Walter Kurt Schilffarth sagte damals zu mir: „Du bist eh jeden Abend dort, wo die Musik spielt. Da muss ich nicht extra jemanden hinschicken.“ Dann absolvierte ich ein Volontariat, war Freier Mitarbeiter und landete schließlich bei der Augsburger Allgemeinen. Robert Deininger war zu jener Zeit Sportchef. Zuerst schrieb ich im Bereich Lokalsport, dann stieg ich sozusagen in das übergeordnete Ressort „Sport“ auf. Da die damaligen Chefredakteure fürchteten, dass mein bürgerlicher Name Werbung für mich sein könnte, bekam ich das Pseudonym Hartmut Waldmann verpasst. Jeder wusste natürlich trotzdem, dass ich hinter diesem Namen stecke.

myheimat: Kurt Hogl, damaliger Chef der Bayern-Abteilung beim Bayerischen Rundfunk, bewegte Sie dazu, als Freier Mitarbeiter nach München zu gehen und dort Hörfunksendungen zu moderieren. Wie wäre Ihr Leben wohl verlaufen, wenn diese Begegnung nicht stattgefunden hätte?
Waldemar Hartmann: (lacht) Mit meinem Freund Hans-Roland Fäßler habe ich diese Frage schon häufiger erörtert. Wir sind uns einig, dass wir beide noch sehr viel dicker wären, zu den „Augsburger Top Tausend“ zählen würden, eine große Gastronomie-Karriere gemacht und wahrscheinlich drei Herzinfarkte bekommen hätten. Und dann wären wir auf irgendeine Diät in Oberstaufen gesetzt worden.

myheimat: Jetzt starten Sie stattdessen eine Comedy-Karriere. Würden Sie sich selbst als Comedian, Kabarettist oder Komiker bezeichnen?
Waldemar Hartmann: Das wird ja beinahe zu einer Religionsfrage hochstilisiert. Ich bezeichne mich als den „ältesten Comedy-Neuling“ der Welt. Die Grenzen sind fließend. Ich habe keine Mission, keinen weltverbesserischen Ansatz. Ich will, dass das Publikum nach zwei Stunden rausgeht und sagt: „Wir haben Spaß gehabt!“ Mehr nicht. Wenn ich das erreiche, habe ich viel gewonnen.

myheimat: Ein Comedian lebt auf der Bühne im Wesentlichen von seiner Schlagfertigkeit und Spontaneität. Die Pointen entstehen häufig aus der Situation heraus. Gibt es im Gehirn so etwas wie einen Filter, der allzu derbe Zoten sozusagen in letzter Sekunde aussondert? Oder verliert man an Schlagfertigkeit und Schärfe, wenn man allzu lange über Pointen nachdenkt?
Waldemar Hartmann: Da machen Sie mich auf einen interessanten Punkt aufmerksam. Ich laufe zwar nicht jeder Kritik hinterher und richte danach meine weiteren Auftritte aus. Aber über eine Kritik in der Süddeutschen Zeitung habe ich durchaus nachgedacht. Das führte in diesem Einzelfall tatsächlich dazu, dass ich an meinem Programm noch einmal feilte. Wobei man hier einschränkend hinzufügen muss, dass der jeweilige Auftrittsort auch eine entscheidende Rolle spielt. Im Schmidt Theater auf der Reeperbahn kann ich beispielsweise bestimmte Nummern anders spielen als an anderen Orten. Im Übrigen tröstete mich mein Kollege Michael Mittermeier über die Kritik in der „Süddeutschen“ mit folgenden Worten hinweg: „Entweder willst Du ein volles Haus oder eine gute Kritik in der Süddeutschen!“

myheimat: Harald Schmidt hat Ihnen für Ihr aktuelles Programm eine Nummer geschrieben. Was bewundern Sie an Schmidts Humor?
Waldemar Hartmann: Harald wurde ja auch immer wieder zwischendurch heftig kritisiert. Er hat Berg- und Talfahrten hinter sich. Seit den Olympischen Winterspielen 2006 hat sich so eine gefühlte Freundschaft zwischen uns entwickelt. Ich habe ihn in Turin und Peking bei der Arbeit beobachtet. Es wird ja immer wieder über seine vielen Autoren und Gagschreiber geredet und geschrieben, aber was der Mann in Sekundenschnelle geistesgegenwärtig aus der „Hüfte schießt“, ist phänomenal und raubt einem beinahe den Atem. Außerdem ist seine Anzahl an Gagschreibern nicht so hoch, wie immer behauptet wird. Besonders freute mich, dass er als „Früh-zu-Bett-Geher“ von mir gelernt hat, dass man nicht mit der untergehenden Sonne ins Bett gehen muss, sondern bis zur aufgehenden Sonne an der Theke stehen kann. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Und was ich hier auch ganz offen ansprechen kann. Ich war ja schon dreimal in der „Aussegnungshalle der ARD“. Nur haben die vergessen, den Deckel zuzumachen. Harald hat sicherlich dazu beigetragen, meinen Status in der ARD zu festigen.

myheimat: Kommen wir zu Ihrem aktuellen Programm „Born to be Waldi – 30 Jahre in der Anstalt“. Die Assoziationen zur Biker-Hymne der 68er Generation „Born to be wild“ sind offenkundig. Welches Verhältnis haben Sie zu dieser bewegten Zeit?
Waldemar Hartmann: Da muss ich Sie in gewisser Weise enttäuschen. Ich war 1968 Discjockey im „Big Apple“ in Wiesbaden und arbeitete dort. Ich hatte auch keinen Fernseher und lebte – wenn Sie so wollen – antizyklisch: Tagsüber schlief ich und abends legte ich Platten auf. Insofern ist dieses Jahr „spurlos“ an mir vorübergezogen. Die Bilder von der berittenen Polizei in Schwabing oder den Straßenkrawallen habe ich kaum wahrgenommen. Zur Musik der 68er Generation hatte ich natürlich – berufsbedingt – einen sehr innigen Bezug. Aber ich kann auch mit den „Bee Gees“ etwas anfangen. Dazu gibt es eine nette Anekdote. Die „Bee Gees“ gastierten damals in Vico Torrianis Fernsehshow „Der goldene Schuß“ in der Stadthalle. Sie hielten sich eine Woche in der Stadt auf und kamen jeden Abend in den „Big Apple“ zu mir. Die „Bee Gees“ waren Fans von den „Everly Brothers“. Robin Gibb legte für mich auf und ich konnte mich den zwischenmenschlichen Beziehungen widmen.

myheimat: Der genial griffige Titel „Born to be Waldi“ fiel Ihnen selber ein, oder?
Waldemar Hartmann: Nein! Der Titel fiel meiner Frau ein. Ich wollte das Programm zuerst profan „Drei Weißbier, bitte!“ nennen. Aber meine Frau hatte während einer Autofahrt die wesentlich bessere Idee „Born to be Waldi“. Auch Harald Schmidt war begeistert, als ich mit ihm telefonierte.

myheimat: Sie haben im Lauf der Jahre unzählige Sportstars, Fernsehgrößen und Schauspieler kennengelernt. Welche Persönlichkeit hat Sie am meisten beeindruckt? An welche Begegnung erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Waldemar Hartmann: Also im Bereich Sport würde ich die Begegnung mit Muhammad Ali an erster Stelle nennen. Ali war einfach – salopp formuliert – der „geilste Boxer aller Zeiten“. Darüber hinaus beeindruckte mich seine Biographie. Er wurde zu einer richtigen „Weltfigur“.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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