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Freiherr Franz von Dingelstedt (1814 - 1881), dritter Teil

Aber das Gegenteil trat ein. Obwohl der Grund für seine Versetzung seine dichterische Tätigkeit und liberale Anschauung war, "schwoll die Saat seines poetischen Schaffens hier an". In Fulda erschienen seine beiden Romane "Die neuen Argonauten" und "Unter der Erde". Außerdem eine große Anzahl von Novellen und sein damals bekanntestes Werk, die "Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters", welches kurz nach Erscheinen polizeilich verboten wurde. Hierzu bemerkt die Oberhessische Zeitung in Marburg in einem Nachruf an Franz Dingelstedt nach seinem Tode am 19. Mai 1881: "Ein solches polizeiliches Bücherverbot, das in jener Zeit nicht selten vorkam, hatte auch, und namentlich bei einer Persönlichkeit wie der verstorbene Buchhändler Elwert eine war, seine urkomische Seite. Polizei-Commissar Wedekam trat in den Buchladen, sah sich erst schlau um und richtete dann an Elwert die Frage, ob er den kosmopolitischen Nachtwächter habe, er soll von dem durchgegangen Dingelstedt geschrieben sein. Elwert war auf die Frage gefaßt und antwortete mit einem sehr sonoren Nein, und wiederholte dann: nein, das haben wir nicht, das ist bei Hoffmann und Campe in Hamburg erschienen, und die wissen schon, daß ihr Verlag sofort hier verboten wird und deshalb senden sie es gar nicht. Wedekam meinte aber, es seien doch verschiedene Exemplare bereits hier in der Stadt. Ja, replicierte Elwert, die werden wohl von außen bezogen sein, von uns sind sie nicht, es soll ein sehr schönes Buch sein, wir möchten es schon einmal gern selbst lesen, aber es thut uns leid, wir haben es nicht. Der Polizei-Commissar drohte nun die übliche Strafe bis zu 10 Thlr. für jedes etwa noch zu verkaufende Exemplar an und entfernte sich. Er hatte kaum die Thüre hinter dem Rücken, so sagte Elwert zu einem seiner Kommis: wollen Sie doch Dingelstedts Lieder nicht unter "Belletristik" stehen lassen, sondern weiter herunter unter "Medicin" stellen und auch nachsehen, wieviel Exemplare noch vorrätig sind; als er antwortete: nur noch 2 -, dann wollen´s noch 10 über Leipzig verschreiben, war Elwerts Schlußwort."

Doch zurück nach Fulda. Sein erstes Drama "Das Gespenst der Ehre" wurde am 21. Februar 1840 in Fulda aufgeführt und entgegen seinen Erwartungen ein Misserfolg. In der Zeitschrift "Europa" erinnerte er sich nach fünf Jahren an die Uraufführung: "Eines Morgens, am 21. Februar 1840, kleben an allen Straßenecken die Zettel mit meinem "Gespenst". (...) Ich hielt mich tagsüber in ziemlicher Ruhe; von der gewissen Angst und Spannung überkam mich keine Spur, denn ich bin zeitlebens ein leichtsinniger Mensch gewesen. Bis um vier Uhr nachmittags hatte ich in der Schule zu tun, und um sechs begann die Vorstellung“. Und über die Premiere seines Stückes schreibt er weiter: "Alles war schon versammelt, Publikum und Schauspieler, das Theater zum ersten Akt gestellt, die Darsteller angezogen und geschminkt, die Geigen im Orchester gestimmt. Der Direktor führte mich schmunzelnd und zufrieden, schon im Kostüm seiner Rolle und nur noch mit einigen Wickeln im Haar, an das verhängnisvolle Loch an der Gardine. Himmel, welch ein Haus! Kopf an Kopf, daß keine Nuß mehr zur Erde fallen konnte! Es war der einzige frohe Moment, den mir auf der Bühne mein "Gespenst" machte: dieser Moment an dem Gucklöchelchen. (...) Geneigter Leser, noch geneigtere Leserin. Ich schreibe keine Selbstkritik, so sehr das auch Mode sein soll in der neueren Literatur, wenn man den alten glaubt, die es selbst nicht anders getrieben haben als wir. Daß man ein Stück auspfeift, weil es schlecht ist, mag dem Autor die Ohren lang genug ziehen. Daß man ein Stück austrommelt, weil man den Autor haßt, mag ihm die Zähne knirschend aneinander schlagen (...). Aber daß man ein Stück nicht auspfeift und nicht austrommelt, sondern mit ruhiger, berechnender, spielender Bosheit zerreißt, seine Wirkungen coupiert, seine Glanzstellen übersudelt, das mag dem Autor Thränen erpressen, so bitter, wie sie selten geweint werden von menschlichen Augen. Dieser Autor war ich, dies Stück mein "Gespenst". Bei der Liebeserklärung im 2. Akt (der erste zog ziemlich still vorbei) miaut eine Katze unten im Hause, eine menschliche nämlich, und eine andere gegenüber antwortet. Als der Sohn seinen Vater verfluchte, schrie unten im Hause, mitten in die starke effektvolle Rede, ein Kuckuck, jenes niedliche, allen Kindern wohlbekannte Spielwerk. Es waren Rasseln mitgebracht, kleine Trompetchen, Knallerbsen, Mundharmonikas - o über das kindliche Publikum! (...) Den Schauspielern stand der Schweiß auf der Stirn, wenn sie wieder hinaus mußten und zitternd kamen sie von der Scene zurück. (...) Ich darf es wohl gestehen, daß zum ersten Male an jenem Abend fest und klar der Entschluß vor meine Seele trat: "Fort von hier, um jeden Preis, zu jedem Ziel, für jede Zeit!"

Gegner, welche in der Journalistik keine Stimme führen konnten, antworteten auf jene Art den 'Kasseler Bildern' und 'den neuen Argonauten'.

Am Ende seines Rückblicks stellt er dann fest: "Es ist Gras über meinen Groll gewachsen, stören wir ihn nicht auf! Nein, ich will vielmehr dankbar erkennen, daß eine Menge freundlicher Ohren darunter lauschten, denen jene Mordinstrumente vielleicht nicht viel minder weh thaten, als mir, und eine Menge freundlicher Hände, welche sie klatschend zu übertäuben suchten. (...) Auch meine Schüler, - sie haben mich immer lieb gehabt, in Kassel wie in Fulda, - standen auf meiner Seite, mit Ausnahme der Wenigen, welche eine ungünstige Zensur oder eine nicht verschmerzte Disciplinarstrafe an mir zu rächen hatten."

Fortsetzung folgt

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5 Kommentare

Wieder erste Sahne, der dritte Teil von Franz dem Mutigen.
Frage: wurden damals Dramen (Theaterstücke) mit (live) Musik unterlegt, weil "die Geigen gestimmt" waren?

Laut Wikipedia werden "Musikdramen" besonders mit Werken von Richard Wagner in Verbindung gebracht, der ja ein Zeitgenosse von Dingelstedt war. Allerdings hat Dingelstedt sicherlich nicht die Musik zu seinem Drama geschrieben.

In Theatern jener Zeit gab es wie später auch in den Kinos einen sog. Orchestergraben, in dem unsichtbar für das Publikum zur jeweils gewollten stimmung musiziert wurde.

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