Freiherr Franz von Dingelstedt (1814 – 1881), zweiter Teil

Nach seiner Studienzeit in Marburg führte ihn der berufliche Weg zunächst für kurze Zeit nach Ricklingen/Hannover, wo er an einem viel besuchten englischen Erziehungsinstitut lehrte. Nur ungern folgte er im Jahre 1836 dem Ruf des hessischen Ministers Hassenpflug an das Gymnasium nach Kassel, wo er sich nur auf Drängen seines Vaters beworben hatte. In einem Brief an seine Schwester Auguste schreibt er am 8. Mai 1836: "Es soll mir lieb sein, wenn der Vater und vielleicht Du meiner Beförderung sich freuen, so ist’s dann wenigstens Jemand, dem sie Vergnügen macht. Mich hat sie getroffen wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel. (...) Allein ich weiß auch, was mich dort erwartet - Arbeit in Hülle und Fülle, für 25 Thaler monatlich, etwa ebensoviel, wie ich hier als Taschengeld verbrauchte".

In Kassel wurde ihm zunächst provisorisch der "Lehrstuhl für die neuen Sprachen und Literaturen an dem reorganisirten Lyceum Fridericianum in Hessen-Kassel" übertragen. Nach seiner Ankunft stellte sich Dingelstedt zunächst dem Direktor des Gymnasiums vor. Dieser maß mit bedenklichem Blick die hoch aufgeschossene, schwache Gestalt des damals 22-jährigen. "Trauen Sie sich auch den nötigen Ernst zu, um Disciplin zu halten, und die körperliche Kraft, die der schwere Lehramtsdienst erfordert? Sie finden in Prima und Sekunda Schüler, die älter sind als Sie!" Dingelstedt erwiderte: "Ich werde mich bemühen, baldmöglichst zu altern!" Worauf Direktor Dr. Friedrich Karl Weber lachend bemerkte: "Nur dergleichen Späße nicht auf dem Katheder! Und überhaupt: man weiß hier, daß Sie für ein schöngeistiges Blatt in Hannover gearbeitet haben. (...) Unser Herr Minister läßt Ihnen sagen, daß man dergleichen Allotria bei uns nicht liebt."

Mit seinen Schülern, älteren und jüngeren, stand er alsbald auf freundschaftlichem Fuße. Er imponierte ihnen durch seine hohe Gestalt, sein sicheres, selbstbewusstes Auftreten und sein burschikoses Wesen. So las er eines Tages beim Eintritt in das Klassenzimmer die von einem Schüler an die Tafel geschriebenen Worte: "Dingelstedt ist ein Esel." Kurzerhand nahm er ein Stück Kreide und schrieb dahinter: "treiber". Damit hatte er die Schüler auf seiner Seite.

Obwohl er nur ungern nach Kassel gegangen war, fühlte er sich doch alsbald recht wohl. Er traf alte Freunde und Corpsbrüder, und er betätigte sich trotz aller Vorwarnungen auch wieder als Publizist. Er wurde Mitarbeiter der Zeitschrift "Europa", wo seine "Bilder aus Hessen-Kassel" erschienen und mit denen er "die ganze Stadt in Gärung gebracht" hatte. In der "Waage", eine Beilage der Mitte 1837 gegründeten "Kurhessischen Landeszeitung", veröffentlichte er seine "Spaziergänge eines Kasseler Poeten" und eine erste Sammlung seiner Gedichte und erweckte großes Aufsehen mit seinem darin angeschlagenen sarkastischen Ton über politische Zeitgeschehnisse. Die vorgesetzte Behörde forderte daraufhin Schuldirektor Weber auf, seine Ansicht und Erfahrungen über die gegenwärtige schriftstellerische Tendenz und das geistige Streben des Hilfslehrers Dingelstedt "schleunig berichtlich zu äußern und geeignete Maßnahmen zur Verhütung der zu befürchtenden Nachteile allenfalls durch Versetzung an ein anderes Gymnasium anzugeben". Zudem waren seine regelmäßigen Zechgelage und durchkneipten Nächte mit seinen Marburger Corpsstudenten bekannt geworden. Und nicht zuletzt kam noch hinzu, daß er an "allerhöchster Stelle Mißfallen erregt" hatte. Denn der Kurfürst, der an und für sich schon keine Schriftsteller leiden konnte, ärgerte sich jedesmal, "wenn er aus seinem Schloßfenster den baumlangen Dichter auf der oberen Königsstraße mit der Zigarre im Mund dem Wilhelmshöher Tor zuschlendern sah". Direktor Webers Bericht fiel entsprechend schlecht aus und endete mit dem Vorschlag der Versetzung nach "der stillen Stadt Hersfeld". Durch einen Beschluss des Ministeriums vom 11. Juli 1838 wurde er dann auch "aus höheren Staatsrücksichten" versetzt, allerdings nach Fulda. Man hoffte, dass er sich hier ganz seinem Beruf als Lehrer widmen würde.

Fortsetzung folgt

Meine weiteren Beiträge zu Franz Dingelstedt:

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Bürgerreporter:in:

Horst Becker aus Wohratal

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