Fasching und jeder soll wie er kann.

Wer Schön werden will muss still halten
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Fasching.

In Südamerika fällt er in die heiße Jahreszeit. Venedigs Carneval steht im Zeichen traditionellen Kostümzaubers, stolz und würdig. Die Schweiz beschwört die Manen des heidnischen Winteraustreibens beim Basler Morgenstreich. Deutsche sitzen gern im Smoking und Abendkleid an langen Tischen und lauschen der Bütt. Die Herren haben ulkige Mützen auf und die Damen stellen ihre Klunker zur Schau. Nur in den letzten drei tollen Tagen enthemmt man sich und beträgt sich öffentlich wie man mag.
Jede katholische Gegend feiert die Wintervertreibung auf ihre ethnisch spezielle Art. Einst wollten die Heiden die Dämonen der Dunkelheit damit verjagen. Die alleinseligmachende Kirche deutete es um und gestattete vor der strengen Fastenzeit, der Frühjahrskur, das Austoben von Lebenslust. Jeder soll wie er kann. Manche Völker können gut, andere tun nur so, ehe es heißt „carne vale- Fleisch ade.“
Fasching ist regional äußerst verschieden. Vom Perchtenlaufen, vom Hemmadlenzen und andere hundert Spielarten ließe sich berichten. All das wurde durch zwei Jahrtausende geschleppt. Es ist nur eine Gaudi, denn die Dämonen sind tot.
Das, was man gemeinhin unter Fasching versteht, sind städtische Feste. Sie huldigen nicht dem unbeholfenen Laienhumor von Karnevalssitzungen. Sie sind individuell und sinnenfroh. Die Mannsbilder, vornehmlich die jungen, befinden sich auf Hasenjagd, und die Hasen auf Jägersuche. Die Geburtsrate im November war in Vorpillenzeiten hoch.
Aspekt zwei ist die Befreiung vom Ich, das wahre Verkleiden, innen und außen, das Rollenspiel. Wer nicht unbedingt auf Anschluss aus ist, verkleidet sich nicht selten bis zur Unkenntlichkeit als Hexe, als damischer Ritter mit Kittnase und Bartgestrüpp. Das private Ich ist verschwunden.
Bildhübsche Mädchen entstellen sich gern durch Schreckensmaske, denn sie jagen nicht nach einem Galan, die wuseln schon das ganze Jahr genügend um sie herum. Im Gegenzug enthüllen sich schieche wabbelnde Pflänzchen, um einmal als Sexmäuse gewertet zu werden. Diese Art Fasching ermöglicht jedem das Ausleben von Wünschen und Träume. Es gab Mottobälle und danach benahm sich jeder einen Abend lang, so wie ihr Kostüm es erheischt.
Heute unterscheiden sich solche Mottobälle kaum noch von den Allerwelts-Kostümfesten. Geblieben ist im bayerischen Fasching die Freude am Individualvergnügen. Man lässt sich nicht unterhalten, man erzeugt selber Witz und die Stimmung.
Die offiziellen Schwarzweißbälle in Abendkleidung mit Chrysanthemen und Prinzeneinzug sind wie überall ein wenig steif, öd, feucht, zu laut und zu teuer. Da wird nur die Rolle weitergespielt, die man das ganze Jahr innehat.
Dies ist kein Fasching, dies ist Karneval, ist ein vorgezogener „Fleisch ade“
Was bleibt gesetzten älteren Herrschaften auch anders übrig, als sich so zu behelfen. Fasching ist was für die Jungen.

Bürgerreporter:in:

Christl Fischer aus Friedberg

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