Miteinander Licht werden: wie aus einer Fastenaktion der Pallottiner eine besondere Osterkerze entstand

Die Bruchstücke des Lebens bleiben in der Osterkerze sichtbar
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Es war ein Versuch. Ein ebenso besonderer wie auch gelungener Versuch. Die Pallottiner in Friedberg hatten die Bürgerinnen und Bürger in der Fastenzeit zu einer spirituellen Mitmach-Aktion aufgerufen: Jeder war eingeladen, seine persönlichen Gedanken zu Schuld in einem Stück Wachs nach Friedberg zu schicken. Aus einer großen Fülle dieser Symbole ist schließlich eine außergewöhnliche Osterkerze entstanden, die Erlösung erfahrbar macht. In der Osternacht wurde sie feierlich entzündet.

Über Wochen hinweg stapelten sich Briefe und Päckchen bei den Pallottinern in Friedberg, gefüllt mit Briefen, Karten und unzähligen Wachsstücken – alle unter dem Stichwort "Licht werden". Quasi Schuld daran war Pater Markus Hau, der alle Bürgerinnen, Bürger und Freunde der pallottinischen Familie aufgefordert hatte, eben dieses zu tun: Sich in der persönlichen Vorbereitung auf Ostern Gedanken zu Schuld, Dunklem, Zerbrochenem oder Erlebtem zu machen und diese symbolisch mit einem Stück Wachs abzugeben. Alle zusammen sollten Teil der neuen Osterkerze werden und damit zum Licht und zum Zeichen für Erlösung in Christus.
Hinter dieser Aktion steht das Projekt „Mensch-Gott-Schnittstellen“ des Katholischen Bildungswerks Bonn, das von Studierenden des Studiengangs Industrial Design der Universität Wuppertal realisiert wurde. Diese hatten sich dafür mit verschiedenen traditionellen kirchlichen Ritualen auseinandergesetzt und sie nach den Regeln des Produktdesigns praktisch überbearbeitet. Ziel war es, abstrakte Glaubensinhalte wie Buße oder Gebet auch für kirchlich Ungebundene verständlich und sinnlich erlebbar zu machen.
Missionssekretär Markus Hau war begeistert von dieser Idee, als er davon im Deutschlandfunk hörte. Mit dem Rückhalt der Provinzleitung stieß er die Aktion in Friedberg umgehend an und lud die Menschen über die Medien zum Mitmachen ein. „Die Grunderfahrung von Ostern, dass Jesus Schweres, Dunkles und Schuld durch das Kreuz und den Tod hindurch nimmt – diese Erlösung wird erfahrbar“, erklärt der Geistliche. Seine Motivation, gemeinsam die Schuld zusammenzulegen und miteinander Licht zu werden, hat ganz offensichtlich sehr viele Menschen angesprochen. Jeden Tag erreichten ihn Dutzende Briefe und Päckchen, auch die eigens aufgestellte Schale in der Friedberger Pallottikirche füllte sich beständig. „Berührend“ seien viele der Anliegen gewesen, die ihm auf diesem Weg zugetragen wurden, berichtet der Pater Markus Hau. „Die Leute beten für ihre Familie, für Erkrankte oder ihre Freunde, manche beschreiben ihre Lebensgeschichte oder ihre Sehnsucht nach einem gemeinsamen Gottesdienst.“ Manches ist der Corona-Pandemie geschuldet und manche Briefe zeugen wirklich von ganz Schwerem, wenn etwa jemand schreibt, dass das Leben nicht mehr zu ertragen sei. Dann fühlt sich der der Seelsorger auch zum persönlichen Gespräch berufen. Aber auch von schönen bewegenden Erlebnissen berichtet er, wenn etwa eine Seniorin ihre Hochzeitskerze mit all den Erinnerungen an das Leben und die Liebe in die Hände der Pallottiner gibt, um Teil des Lichts statt irgendwann einfach entsorgt zu werden.
Diese zahlreichen Symbole in einer Osterkerze zusammenzuführen, wurde schließlich noch zur technischen Herausforderung. Keine Unterstützung fand der Geistliche bei den Wachshöfen in der Region. Sie wollten sich auf ein solches Experiment nicht einlassen. Dafür zeigte sich die Friedberger Künstlerin Isolde Heumann umso mehr offen dafür, dieses besondere Projekt kreativ und durchaus risikofreudig gemeinsam mit dem Pater umzusetzen. Der Probelauf, bei dem die beiden die klein geschnittenen Wachsstücke in ein Rohr schichteten und mit Flüssigwachs vorsichtig auffüllten, erwies sich als Abenteuer. Pater Markus Hau erkannte spätestens hier das „ambitionierte Unterfangen“, ließ sich aber nicht entmutigen. So klappte es beim nächsten Anlauf dann auch richtig gut. Als die ein Meter hohe Kerze aus ihrer Form befreit wird, gleicht das einer Geburt.  „Die einzelnen Wachsstücke sind zu einer Kerze zusammengewachsen, bei der jedes einzelne Symbol für Schuld sichtbar bleibt und für Erlösung miteinander steht“, berichtet der Missionssekretär begeistert.
In der Feier der Osternacht am Karsamstag entzündete Vizeprovinzial Pater Michael Pfenning diese besondere Kerze am Osterfeuer vor der Friedberger Pallottikirche. Darin finden sich sehr viele Menschen – auch und vielleicht sogar gerade in Coronazeiten – spirituell wieder.

myheimat-Team:

Dagmar Weindl aus Friedberg

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