Bescheiden kurzes Modell einer Entwicklungsgeschichte des Glaubens an das Göttliche

Der Mensch der Vorzeit lebte als Jäger und Sammler mit allen Zufällen im Hier und Jetzt. Männer und Frauen waren gleichberechtigte Mitglieder einer Sippe, wobei den Frauen wegen des Mysteriums der Geburt größere Bedeutung zukam. Weibliche Idolplastiken speicherten die Kraft der Fruchtbarkeit. Der Mensch fühlte sich mit allen Tieren, Pflanzen, Landschaftselementen als gleichberechtigtes Element und im Einklang . Der Tod war notwendig, um anderen Tieren und Pflanzen zum Nutzen zu sein und eben auch dort Neues Leben zu begründen. Ebenso war das Töten und Nutzen des Körpers anderer Lebewesen notwendig , um die eigene Familie, Gruppe am Leben zu halten. Alle Objekte waren ebenso wie der Mensch beseelt und man musste sich beim Töten eines Lebewesens eben mit dieser Lebenskraft des anderen Wesens versöhnen, indem man das Wesen durch achtsamen Umgang mit seinen Körperresourcen ehrte und der Natur, alles möglichst komplett zurückgab, was man nicht selbst für die Familie brauchte. So konnte aus den Überresten ein neues Lebewesen, eben auch ein neuer Mensch, geboren werden. An verstorbene Menschen erinnerte man sich. Sie lebten also in der Vorstellung, sie lebten bis zur späteren Wiedergeburt mit anderem Körper also in einer Anderswelt, einer Traumwelt weiter. Der Tod war also einfach ein Teil des großen Lebenszyklus.
Einzelne Vorfahren, Tiere, Pflanzen, Naturphänomene  prägen sich uns besonders ein, haben  in der Vorstellungswelt aber nichts Reales mehr, sind in diesem Zustand also göttlich anders. So kommt es eben auch später zum Glauben an viele Götter wie im Hinduismus.

Mit dem Beginn des gezielten Getreideanbaus versuchten die Menschen die Zufälligkeit des Lebens besser in den Griff zu bekommen. Auch Tiere verstand man, zur Nahrungsergänzung zu halten. Sowohl die Hirten, wie auch die Jäger konnten dabei aber nicht sesshaft sein, da jahreszeitliche Unterschiede wie Dürren oder Schneelage auch wechselnd andere Weidegründe notwendig machten. Das führte dazu, dass sich die Sippe in die Sesshaften Ackerbauern und die umherziehenden Hirten und Jäger aufteilen musste. Durch Kinderbetreuung eher am Umherziehen gehindert, waren es mehr die Frauen, die sich gemeinsam um die Feldarbeit kümmerten. Eine Polarität zwischen der für die „Geburt“ des Getreides zuständigen Muttererde und dem Regen, der quasi die Erde befruchtete, war so als göttliches Prinzip im Denken verankert. Den Zyklus der Jahreszeiten zu erhalten, war Inhalt religiöser Riten. Wenn der göttliche Regen, der in die Erde gesickert war, aber danach für längeren Zeitraum nicht mehr verfügbar war, musste er für bestimmte Jahreszeit ja in der Tiefe der Erde schlummern. Ein personifiziertes junger Wind- und Regengott, der die Muttergöttin Erde polar ergänzte und Sohn und zugleich Gemahl ist, wurde in den meisten Mythen der ersten Schriftkulturen getötet, starb den Opfertod, kam in die Unterwelt und ist danach wieder auferstanden.

Während sich das Matriarchat der Ackerbauern nur als demokratisch gleichberechtigte Gemeinschaft halten kann, hat sich bei den Herdenhaltern, wie auch bei den Jägern eine Führerorientierte oder zumindest aristokratische Gruppenordnung besser bewährt. Hier ist wichtig, einer Entscheidung über die Richtung, wohin die Herde zum nächsten Weideland ziehen soll, immer nachzukommen. Etwas wichtiger als der größere Rahmen der jeweiligen Jahreszeit, ist dabei immer auch der aktuelle Blick zum Himmel, der Sonnenstand und die Richtung, die man nachts an den vielen Sternen, tagsüber am gewaltigen Sonnenball ablesen kann. Ebenso wie ein patriarchalischer Führer die vielen Mitglieder der Nomadengesellschaft leitet, muss eben auch die Sonne, der vor Allen wichtigste Gott sein. So entstehen all die frühen antiken Religionen mit einem freilich immer männlichen Göttervater an der Spitze. Himmlische Hierarchien sind nun freilich das Vorbild für irdische Rangordnung und die ungleichen Rechte der Menschen. Unterdrückung lässt sich nur durch genau definierte strenge Gesetze und einem Bestrafungssystem vor Allem auch mit Wirkung über den Tod hinaus halten. Die Sonne kann erbarmungslos töten, so muss der herrschende Gott eben auch gegen seine Leugner und Gesetzesbrecher erbarmungslos grimmig sein, so wie später Aton in der Epoche des Echnaton und daraus abgeleitet der Jahwe des alten Testamentes im jüdischen Glauben. Die Sonne geht unter und steht am nächsten Morgen wieder auf. So muss es auch für den Menschen ein neues Leben nach dem Tode geben, gut oder schlecht je nach Folgsamkeit im diesseitigen patriarchalen Autoritätsapparat. Der Herrscher soll hierbei meist als Vertreter des Sonnengottes oder sogar als sein Sohn angesehen werden. Große hochragende Monumentalbauten wie die nordasiatischen Kurgane oder die ägyptischen Pyramiden sind die Rampen der Verbindung des Herrschers mit dem hoch thronenden Himmelsherrscher.

Woran wollen wir heute glauben?
An das Hier und Jetzt und die Endlichkeit des Lebens? An die Fortschritte des Wissens und die Wissenschaft? An das seit dem Urknall auseinanderstrebende All, dem langsamer Werden dieser Expansion und den sich so mit unserem logisch linearen Denken dann gegenläufigen Zusammenstürzen aller Himmelskörper zurück zum Zentrum? An die Krümmung des Alls, an sich daraus ableitende Parallelwelten oder gar außerirdische Götter? Wollen wir glauben, dass die Welt außerhalb von uns nur eine Spiegelung unserer Vorstellung ist, der Sinnentrug , in dem wir als Avatar mitspielen? Ist in Wirklichkeit der Mikrokosmos in uns das Göttliche, dass den Makrokosmos nach außen projiziert. Ist das "Gottesteilchen", wie die Wissenschaft es nannte, der eigentlich göttliche Gestaltungsprozess oder das "Orgon" , die auch im Sex sich entladende Lebenskraft, wie es Wilhelm Reich geglaubt hat. Müssen wir denn etwas glauben oder sollten wir nicht einfach zufrieden sein und zeitlebens unser Bestes dazu tun, dass jeder Andere dies auch sein kann? Ist das ungebunden Sein an religiösen Zwang für einen kreativen Freidenker nicht vielleicht das Wichtigste? Ist das dann vielleicht aber auch ein wenig Buddhismus mit der Ehrfurcht zu allen Lebewesen und der Aufgabe des Erhalts der Schöpfung wie unbewusst bei den Jägern und Sammlern oder etwas vom sozialen Gemeingeist im Matriarchat der ersten Bauern und dem zentralen Thema der Nächstenliebe beim alten Christentum?
Ganz bestimmt dürfen wir nicht vergessen und müssen uns selbst damit auch einschränken, dass uns der Erhalt der Lebenssituation auf unserer Erde für unsere Kinder und Kindeskinder über unser jetziges Wohlsein gehen muss.
Wir sind ja Kinder dieser einen Mutter Erde.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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