Kurzfilmwochenende 2011 Augsburg – Nachbericht zu Wettbewerb 2

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Strömten zu Wettbewerb 1 am Mittwoch noch knapp 370 Zuschauer ins Mephisto, so war es im Kinosaal zum Wettbewerb 2 des Kurzfilmwochenendes 2011 in Augsburg am Donnerstag, 07.04.2011, aufgrund deutlich weniger Kinobesucher wesentlich weniger stickig. Dabei hatte Kurator Erwin Schletterer doch die „vielleicht skurrilste Bordellszene der Filmgeschichte“ angekündigt. Auch ohne anschließenden Pizza-Smalltalk und nicht nur wegen besagter Szene lohnte sich ein Besuch der zweiten Kurzfilm-Veranstaltung im Rahmen des Festivals.

Die Kurzfilme aus Wettbewerb 2 in der Übersicht

Mit einem Getränkeautomaten in Tokio, der ein Getränk erst nach einer Sound-Komposition mit bizarr verzerrtem Synthesizer-Beat samt Lichtshow ausspuckt, startete Wettbewerb 2. In Japan spielte der Vierminüter von Carsten Nicolai, in Deutschland wurde er produziert und die Zahlen, die der Automat in rasender Geschwindigkeit anzeigt, spricht er auf Französisch. „Future Past Perfect Pt. 3 (U_08-1)“ bildete einen merkwürdigen Aufakt.

Richtig krass ging es mit einem Fallschirmspringer-Film aus den Niederlanden weiter. Schon einmal mit einem Tandemmaster gesprungen, der durch einen weiblich bedingten Zwischenfall direkt vor dem Abflug als potenzieller Selbstmörder eingestuft werden muss? Da steigt der Angstfaktor beim Sprung-Debütant ganz gewaltig. Regisseur Arne Toonen setzt in „Drop Dead“ immer noch eine noch krassere Entwicklung der Story drauf als angenommen. Nur das Ende ist etwas zu überzogen und nicht jedermanns Geschmack. „Drop Dead“ lief im Mephisto als Original mit englischem Untertitel, war allerdings problemlos verständlich.

Von Arschbomben und einem Ü-Ei der besonderen Art
Eine wahre Kurzfilm-Perle aus Deutschland brachte Regisseur Robert Bohrer von der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) nach Augsburg. Lola-Preisträger „Manolo“ handelt von einem Stubenhocker, der von seinem älteren Cousin Mike ins Freibad mitgeschleppt wird, sich unter seinem Handtuch verkriecht und mit seinem Handy spielt. Mike ist der „Arschbombenkönig“ im Schwimmbad – wenngleich man gar keine tollen Sprünge von ihm sieht. Dafür von anderen Turmspringern, die von Kameramann Max Preiss innovativ eingefangen werden. Dann kommt aber Mikes hübsche Freundin Linda ins Spiel. Sie gewährt Manolo, der ein bisschen aussieht wie man sich den jungen Bastian Schweinsteiger mit bronzenem Hautton und Bäuchlein vorstellen kann, Handy-Einblicke, die Zufriedenheit in das Gesicht des Jungen zaubern, Mike dafür neidisch machen. Schließlich steht auch Manolo auf dem Sprungturm.

Mit „Hatch“ von Damien McCarthy hat es ein dialogfreier Film aus Irland zum Festival nach Augsburg geschafft. Ein Mann in der Badewanne sorgt für mächtiges Blubbern und legt ein Ei. Das ist an und für sich schon überraschend genug. Doch in einer Bar entwickelt das Ei – oder vielmehr etwas darin – eine mysteriöse Eigendynamik, die es quasi zu einem Überraschungsei machen. Mit blauem Schleim statt Schokolade. In langsamen Bildern und Kameraeinstellungen dehnt der Regisseur die Story auf neun Minuten, die am Ende noch richtig Fahrt aufnimmt. Mit herrlich amüsanten und dramaturgisch sehr gut eingesetzten Bildern wie einem trommelnden Hasen und einem Affen mit Becken.

Der fünfte Kurzfilm des Abends ist ein Zusammenschnitt von Frauen mit Migrationshintergrund vor WhiteScreen. Sie geben einen Einblick in ihre Welt zwischen unterschiedlichen Kulturen und bestätigen zum Teil auch erschreckend wahre Klischees. Das ist wie der Titel „Zwischen Welten“ weder besonders neu noch innovativ. Aber drei Pointen einer dunkelhäutigen Frau, bei der man auf afrikanischen Mitgrationshintergrund schließen darf, peppen den Film von Dorothea Carl auf.

Einblick in taoistische Beerdigung und argentinisches Bordell
Dr. Rao“ von Alexej Tchernyi und Wu Zhi ist ein Kurzfilm mit Stop-Motion-Technik. Rund 6.000 Fotos werden stakkato aneinandergereiht. Sie zeigen eine taoistische Beerdigungszeremonie, wie Wu Zhi im Anschluss erklärt. Nur die Schlussszene ist eine Bewegtbildsequenz. „Dr. Rao“ ist ein privater Film von einer echten Beerdigung, „memories for ourselves“, der eigentlich nicht für Publikum produziert wurde. Der eigentliche Höhepunkt war aber der kleine Sohn der beiden Regisseure beim Filmgespräch mit Erwin Schletterer. Erst hält Alexej Tchernyi dem kleinen Racker auf seiner Schulter das Mikro hin. Doch der kleine Konstantin schweigt. Plötzlich hat er das Mirko in der Hand, brabbelt drauf los und gibt es nicht mehr aus der Hand, so fest der starke Mann auch dran zieht. Schließlich saust er vorne durch den Kinosaal, brabbelt weiter und zieht damit mehr Aufmerksamkeit auf sich als die englischen Erläuterungen seiner Mama über die traditionelle chinesische Beerdigungen. Als er genug hat – und das entscheidet Konstantin nach Gutdünken – streckt der den Arm weit aus, um das Mikro zurückzugeben. Nicht Alexej, nicht Wu, sondern Erwin Schletterer, denn unabhängig davon, von wem er das Mikrofon bekommen hat - Konstantin hat gleich erkannt, wem es gehört.

Am Mittwoch sorgte ein süßer Welpe für Faszination in den vorderen Reihen, am Donnerstag spielte sich ein unterhaltsamer Knirps zuckersüß ins Rampenlicht. Gleich darauf war aber noch Programm angesagt. Im Sepia-Look erzählt der spanisch-französischsprachige Film „Donde Está Kim Basinger“ von Edouard Deluc mit englischen Untertitel die Geschichte zweier Brüder aus Frankreich auf ihrem Trip in Buenos Aires. Antoine, gerade von der Freundin verlassen, möchte sich beim Anblick von mit ihm flirtenden Argentinierinnen am liebsten erhängen, der optisch weniger attraktive Marcus hat es eher auf eine heiße Nacht angelegt. Der Film ist durch und durch skurril und spielt ungefähr die Hälfte in einem Bordell. Sexszenen gibt es keine, dafür Karaoke im Puff. Erwin Schletterer hat den Streifen gut eingeschätzt. Wie schon bei „Drop Dead“ hat sich der Regisseur jedoch mit der Schlussszene verkünstelt. Die Autofahrt von Buenos Aires weg zieht einen Film, der mit einer tollen Bordell-Pointe ein knackiges Ende bekommen können hätte, unnötig in die Länge.

In Wettbewerb 2 waren einige Kurzfilme dabei, die dem Publikum in Augsburg gefallen haben. Ob es einer davon schafft, als Sieger aus dem 18. Kurzfilmwochenende 2011 hervorzugehen? Die Veranstalter werten die Stimmkarten bereits aus und freuen sich übrigens, wenn die Rückseiten mit Anmerkungen zum Festival oder Kommentaren zu den Filmen bekritzelt werden. Cineasten, tobt euch auf den Stimmzetteln so richtig aus!

Den Überblick des Kurzfilmwochenendes Augsburg 2011 samt Ergebnis gibt's hier.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Augsburg

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