Freiherr Franz von Dingelstedt (1814 - 1881), siebter (und letzter) Teil

Die Eltern von Franz Dingelstedt hießen Johann Friedrich David Dingelstedt und Johanna Henriette Charlotte Metzger. Sie heirateten am 11. Dezember 1812 in Halsdorf. Der Vater wird als ein biederer und ehrenhafter Mann beschrieben, dessen Bildung nicht über die seines Standes hinausging. Seine Manieren verrieten den früheren Soldaten, es schmückten ihn aber auch die edlen Eigenschaften, die den wackeren Soldaten auszuzeichnen pflegen: peinliche Ordnungsliebe, unermüdlicher Fleiß und strenge Pflichttreue. Die Mutter wurde am 25. Oktober 1795 in Halsdorf geboren und am 30. Oktober 1809 konfirmiert. Sie war eine mehr ideal angelegte, feinfühlige Natur, deren Erbteil auch die Gabe der Poesie war. An der Mutter hing der junge Dingelstedt sehr, und rührend ist die Verehrung, die er ihr immer bewahrt hat. Er fühlte aber auch den Gegensatz, der die Eltern trennte, er bedauerte die stets kränkliche Mutter mit aufrichtigem Mitleid und hütete sich, ihr ohnehin dunkles Leben durch ein ihr zugefügtes Leid noch düsterer zu gestalten. Franz hatte einen Bruder mit Namen Adolf, der nach Amerika auswanderte und dort ein großes Handelshaus gründete. Laut luth. Kirchenbuch Rinteln verstarb Dingelstedts Mutter nach langwierigem Krankenlager am 3. April 1836 früh um halb drei Uhr an der Schwindsucht. Der Vater heiratete erneut (Jacobine Sophie, geb. Bodenstein) und starb laut luth. Kirchenbuch Rinteln am 11. Mai 1857 nach fünfmonatlichem Krankenlager an Schleimasthma.

Franz Dingelstedt bezeichnete Rinteln sein Leben lang als seine Vaterstadt und Heimat, die er im Laufe seines Lebens auch häufig besuchte. In vielen Werken erkennt man seine tiefe Verbundenheit zu Rinteln und der Weserlandschaft. Seinen Geburtsort Halsdorf hatte er ja bereits im Alter von acht Jahren verlassen. Über diese acht Jahre ist nichts bekannt.

In seinem Tagebuch ist jedoch auch ein Besuch in Halsdorf am 19. Oktober 1846, während einer Reise von Frankfurt nach Kassel, dokumentiert. Der damals 32-jährige Gymnasiallehrer plante zu dieser Zeit einen Roman der „ganz in der Heimat, in den oberhessischen Dörfern, in Schmalkalden, Hersfeld, Fulda und Kassel spielen sollte“. Am 11. Februar 1847 gibt er ihm den Titel „Sieben Jahre“, womit die Jahre des „Westfälischen Königreiches“ gemeint sind.

In den Vorarbeiten zu diesem unvollendet gebliebenen Roman schreibt er u.a. folgendes: "Still war der Sonntag freilich nicht, viel mehr das gerade Gegenteil, als der letzte Sonntag im Mai des Jahres 1809 mit tiefer Himmelsbläue und hellen Nachmittagsstrahlen über seinen Hütten lag. Ein Sonntag in einem oberhessischen Dorf in jener fruchtbaren Gegend zwischen Lahn und Schwalm, wo sonst -und die Zeit wird darin wenig verändert haben oder verändern,- ein rechtes Bild des Friedens und der Behäbigkeit, das bloß im Herbst, um die Kirmes herum, lautere und bewegtere Staffage anzunehmen pflegt.

An gewöhnlichen Sonntagen sieht das Auge weit und breit nichts als je nach der Jahreszeit grüne, gelbe, weiße, braune Felder, Wiesenstreifen, Baumgruppen, Stroh-, und Ziegeldächer dazwischen, einen Bach mit einem Steg, einen Kirchturm und darauf der durch Wind und Wetter schief gewordene Hahn oder ein sorgsam gehütetes Storchennest, ein sanfter Hügelzug umschlingt das Ganze. Die jungen Burschen mit ihren blau und weißen Kitteln und den rotgestreiften Mützen, deren Quaste bis zur Schulter herabfällt, gar stattlich anzusehen, gehen in der Nähe des Dorfes spazieren, jeder sein Mädchen an der Hand schwenkend, alle diese ebenfalls aufs Beste herausgeputzt, mit wallenden, breiten, bunten Bändern an der Haube und an den kurzen, kaum das Knie erreichenden Röcken. Sämtliche Kinder der Gemeinde, -struppige Blondköpfe in wimmelnder Vielzahl,- spielen um die Linde herum, schaukeln sich auf einem gefälligen Balken des nahen Bauplatzes oder schneiden Pfeifen aus den Weidenbäumen am Wasser. Die Alten sitzen daheim im Wirtshaus, die kurze Pfeife, Stummel geheißen, fest zwischen den letzten Zähnen, das spitze Branntweinglas vor sich auf dem fliegenschwarzen Tische. Dann und wann ein scharfstimmiger Gesang, welcher über die Wogen des Kornes und in den stillen Abend hinzieht, der heisere Schlag der Dorfuhr, oder ein Posthorn, bei dem die kleinen, bleigefaßten Fenster rechts und links an der Heerstraße sich emporschieben und neugierige, grüßende Gesichter dem durcheilenden Wandersmann nachstarren."

Freiherr Franz von Dingelstedt starb in den frühen Morgenstunden des 15. Mai 1881 in Wien. Die Nachricht vom Tode erregte in der Kaiserstadt allgemeine Anteilnahme. Alle Wiener Zeitungen veröffentlichten umfangreiche Nachrufe, in denen die Persönlichkeit und die Bedeutung Dingelstedts für das kulturelle Leben in Wien gewürdigt wurden. So schrieb das "Wiener Fremdenblatt": "Die Kunde vom Ableben des ausgezeichneten und gefeierten Mannes wird in Wien, in Österreich und Deutschland schmerzliche Teilnahme erwecken. Wien verlor an ihm eine Zierde seiner Gesellschaft".

Auch in der Oberhessischen Zeitung erschien ein Nachruf: "Der Telegraph meldete gestern das am Sonntag erfolgte Hinscheiden des Kaiserl. Direktors des Hofburgtheaters Franz von Dingelstedt in Wien. Mit ihm hat einer unserer hervorragendsten Landsleute im Auslande das Zeitliche gesegnet". Der Nachruf endet mit den Worten: "Ehre sei dem Andenken des thätigen und gedankenreichen Mannes, an dessen Grabe die dramatische Muse, als an dem eines der begabtesten ihrer Söhne, sich heut trauernd das Antlitz verhüllt". Die Wiener "Presse" berichtete, dass Dingelstedt bis zum letzten Augenblick bei vollem Bewusstsein gewesen sei und alle an ihn gerichteten Fragen beantwortet habe. Sein Sohn Baron Wilhelm Dingelstedt und die Tochter Baronesse Susanne Dingelstedt weilten am Sterbebett.

Am selben Tag verstarb auch seine Schwester Auguste, Witwe des Rintelner Gastwirts Bornemann, in Hannover. Die Beisetzung Dingelstedts erfolgte am 17. Mai 1881 auf dem Wiener Zentralfriedhof neben seiner am 3. Oktober 1877 verstorbenen Frau Jenny, geb. Lutzer. Dingelstedt hatte insgesamt fünf Kinder: Gabriele, Franz, Wilhelm, Susanne und Ernst.

ENDE

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Bürgerreporter:in:

Horst Becker aus Wohratal

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