Sucht und Computerspiele am Beispiel von "World of Warcraft"

Thomas Graf erklärt, dass ein altes Videospiel das Suchtpotenzial einer Brausetablette habe.
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  • Thomas Graf erklärt, dass ein altes Videospiel das Suchtpotenzial einer Brausetablette habe.
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Thomas Graf von der Sucht- und Drogenberatung erläuterte in einem eineinhalbstündigen Vortrag, was der Inhalt von Rollenspielen wie World Of Warcraft ist und welche Gefahren für Spieler bestehen. Zielgruppe waren Eltern, die das nötige Verständnis für den ihrer Generation kaum bekannten Spieletyp erhalten sollten, um problematischem Spielverhalten bei ihren Kindern entgegensteuern zu können. Der äußerst anschauliche Vortrag war jedoch auch für andere Zuhörer sehr interessant.

Am Anfang zeigte Thomas Graf den Zuhörern ein altes Frogger-Videospiel. Solchen klassische Computerspiele haben jedoch im Gegensatz zu modernen Rollenspielen nur das "Suchtpotenzial einer Brausetablette". Auch bei LAN-Parties, wo der zur Verfügung stehende Raum die Zahl der Spieler begrenzt, gibt es noch keine großen Suchtgefahren. Anders sieht es bei modernen Netzwerkspielen aus, wo 10.000 Spieler miteinander spielen können.
Die ersten Rollenspiele wurden mit Papier und Stift gespielt. Ein Klassiker ist Das Schwarze Auge und spielt in einer Fantasiewelt ähnlich wie beim Herrn der Ringe. Die Spielercharaktere haben verschiedene Fähigkeiten, die im Laufe des Spiels verbessert werden. Dadurch nimmt die Spielstärke während des Spiels zu.

Bei Rollenspielen auf dem Computer kann eine große Anzahl von Spielern über das Netzwerk miteinander spielen. Ein stilgebender Vertreter war das 1997 erschienene Spiel Ultima Online, in welchem auch heute noch etwa 200.000 Spieler vertreten sind. Ende 2004 erschien mit World Of Warcraft ein um ein Vielfaches erfolgreicheres Rollenspiel, welches mit ca. 11,5 Millionen Spielern mehr Einwohner hat als die Schweiz und Österreich. Beeindruckend sind die Zahlen zu diesem Spiel: Etwa 4.600 Menschen arbeiten an diesem Spiel, welches aus 1,5 Millionen grafischen Elementen besteht und auf über 13.000 Servern mit 75.000 Prozessoren läuft. Dazu wurden über 27 Stunden Musik auf Hollywood-Niveau komponiert.
Während Einzelspiele nach einem bis zwei Monaten normalerweise an Reiz verlieren, sorgt bei den Vielspieler-Rollenspielen die soziale Gemeinschaft zum Halten der Spieler. Um in World Of Warcraft voranzukommen, sind Aufgaben zu lösen, die sich oft nur gemeinsam mit zwanzig oder mehr Mitspielern lösen lassen, was zur Bildung von Spielgemeinschaften (Gilden) führt. Außerdem sorgt die im Laufe des Spiels erarbeitete Verbesserung der Fähigkeiten einer Spielfigur dazu, dass sich ein Spieler nur ungern von ihr trennt.
Die Mitgliedschaft in einer Gilde erfordert, dass sich die Spieler zum gemeinsamen Spiel verabreden und dabei ausreichend Zeit mitbringen, da die Bewältigung einer Aufgabe (wie etwa das Besiegen eines Drachens) mehrere Stunden erfordern kann. Hinzu kommt, dass für eine Aufgabe viele Verabredungen nötig sind, da einerseits ein gewisses Training bis zum ersten Erfolg nötig ist, andererseits mit dem Lösen einer Aufgabe eine Belohnung (z.B. ein Schwert) nur für einen Spieler ausgegeben wird - möchte die ganze Gruppe diese Belohnung erhalten, muss die Aufgabe entsprechend oft durchgespielt werden. Der dadurch entstehende Termin- und Gruppendruck lässt sich ohne entsprechendes Zeitmanagement nicht bewältigen. Eine große Gefahr besteht, dass ein Spieler in eine zu ambitionierte Gilde gerät, die zu hohe Anwesenheitszeiten der Spieler fordert.
Im Spiel ist es auch möglich, dass Spielfiguren miteinander heiraten - das ist dann auch mit einer langen Zeremonie verbunden. Wenn die zugehörigen Spieler jedoch andere Partner im realen Leben haben, kann deren Beziehung dadurch gestört werden.

Bei einer Untersuchung im Landkreis Marburg-Biedenkopf wurden bei etwa vier Prozent der Schüler Computersucht festgestellt, wobei das Problem normalerweise keine Mädchen betrifft. Als eine Ursache, warum Schüler von der reellen in die virtuelle Welt flüchten, wird der Leistungsdruck in der Schule, insbesondere durch die Verkürzung der Schulzeit, angesehen.
Eltern sollten beachten, dass für ihre Kinder virtuelle Welten fast so wichtig wie die Realität sind. Hinter dem Bildschirm läuft mehr ab, als ein Betrachter von außen wahrnimmt. Statt Gleichgültigkeit zu zeigen, sollten Eltern das Spielverhalten kontrollieren und Grenzen aushandeln. Alternative Angebote sind besser als Verbote.

Leider hörten nur zehn Zuhörer den interessanten Vortrag.

Links
World Of Warcraft (Wikipedia)
Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel (Wikipedia)

Bürgerreporter:in:

Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf

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