Steuern wir auf lange Sicht auf ein Drei-Volksparteien-System (Union, SPD, Grüne) in unseren Parlamenten zu? Anders gefragt: Schmieren bald alle kleinen Parteien ab?

Die Zeit der Volksparteien sei vorbei, wurde in der Vergangenheit nicht selten gemunkelt. Erbhöfe gäbe es nicht mehr. Gute Beispiele dafür findet man, wenn man ins europäische Ausland schaut, etwa nach Frankreich oder Italien, wo einst dominierende Volksparteien ins Bodenlose gestürzt sind und neue Parteigebilde aufgestiegen sind bis an die Hebel der Macht. Regierungsbündnisse mit vielen Parteien sind keine Seltenheit mehr. Aber welche Entwicklungen kann Deutschland erwarten?

Die Ausgangssituation mit Union, SPD und FDP

In der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es bis zur deutschen Wiedervereinigung die Volksparteien Union und SPD als die staatstragenden Parteien und als stets kleines Zünglein an der Waage die FDP, mal hierhin, mal dorthin tendierend. Dieser Zustand schien Ewigkeitsstatus zu beanspruchen. Ein Irrtum, der den Volksparteicharakter von CDU/CSU und SPD bedrohen konnte. Die Parteienlandschaft wurde vielfältiger.

Die Grünen

In den Achtziger Jahren tauchten bereits die rebellischen Grünen als Ausdruck von Umwelt- und Friedensbewegung auf, so wie in anderen Ländern auch. Sie mussten sich aber erst noch in einem lang anhaltenden Ringen der Fundis mit den Realos finden, bevor sie mancherorts in die obersten Regierungsetagen aufsteigen konnten als eine von Realos geführte Partei. Die Grünen wurden auch Heimat vieler Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR. Der offizielle Name seitdem: Bündnis 90 / Die Grünen, kürzer B'90/Grüne.

Eine neue Linke formiert sich

Nach der Wiedervereinigung trat die aus der ostdeutschen SED hervorgegangene PDS auf die gesamtdeutsche Bühne, konnte aber nur im Osten Deutschlands beachtliche Erfolge einfahren. Jahre nach der Jahrtausendwende vereinigte sie sich symbiotisch mit der westdeutschen WASG mit dem Anspruch, eine gewaltige gesamtdeutsche Kraft der Linken zu sein. Es war die Geburt der Partei DIE LINKE.

Rechtspopulismus

Und dann erschien vor etwas weniger als zehn Jahren eine europakritische Partei auf der Bildfläche, die sich als Alternative für Deutschland präsentieren wollte, die AfD. Mit der Flüchtlingskrise 2015 wandelte sie sich aber schnell um in eine rechtspopulistische Partei mit neuem Personal und begann einen Aufstieg, von dem man nicht wusste, wie weit er gehen würde.   

Zersplitterung der parlamentarischen Parteienlandschaft

Die Bedingungen für einen möglichen nachhaltigen Niedergang der einstigen Volksparteien Union und SPD schienen günstig, wurden sie doch zum einen von links (DIE LINKE) und von rechts (AfD) attackiert, außerdem von einer Kraft, die im klassischen Links-Rechts-Schema zu verorten nicht so einfach ist (B'90/Grüne). Signale aus dem Ausland verhießen nichts Gutes. Und die FDP drohte im Gerangel unterzugehen.
Tatsächlich: Frühere Wahlergebnisse von über 40 Prozent mussten sich die Volksparteien schon bald abschminken. Es ging über viele Jahre bergab. Die Rettung der Volksparteien war zumeist die von der Bevölkerung wohl nicht übermäßig geliebte große Koalition (GroKo). Und die FDP kämpfte derweil um ihr Überleben. Vielfältige Parlamente beherrschten das politische Parkett: CDU, CSU, SPD, B'90/Grüne, AfD, DIE LINKE

Zukunft von Volksparteien - Grüne gesellen sich hinzu

Die GroKo-Phase ist inzwischen vorbei. Und wie steht es nun um die traditionellen Volksparteien CDU/CSU und SPD? Haben sie ein ähnliches Schicksal erlitten wie manche anderen Volksparteien im europäischen Ausland? Mitnichten, muss man sagen, auch wenn sie nicht mehr den früheren Rückhalt in der Bevölkerung haben. Von einem Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit kann auf keinen Fall die Rede sein. Vielmehr lässt sich jüngst eine Erholung von Union und SPD feststellen, da die Gefahren von rechts und von links nachlassen. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass es in Zukunft in Deutschland drei Volksparteien geben wird. Neben der Union und der SPD festigen die Grünen zusehends ihr Ansehen in der Bevölkerung, was sie nicht zuletzt dem staatsmännischen und resoluten Auftreten vieler ihrer Protagonisten zu verdanken hat. Nicht auszuschließen, dass sie es im laufenden Jahrzehnt bis zum Kanzleramt bringen, ob in Koalition mit der SPD oder der Union, bleibt abzuwarten.

Kleine Parteien vor düsterer Zukunft?

Die AfD hat ihren Zenit wohl überschritten und schwächelt immer mehr, wird sich die Fünf-Prozent-Hürde vielerorten wohl bald von unten anschauen müssen, wenn der aktuelle Trend anhält. Sie dürfte voller Neid auf Frankreich schauen.
Und DIE LINKE? Was ist denn da los? Man betrachtet es offenen Mundes. Die Besuche in der Bedeutungslosigkeit häufen sich. Ein gewaltiges linkes Sprachrohr? Dieser Anspruch zerbröselt in den Händen der Parteivorderen. Steht das Ende der Parteigeschichte vor der Tür? 
Und die FDP, das Stehaufmännchen? Wird der Wähler deren Angebote noch brauchen? Die FDP-Zukunft liegt im Ungewissen, die Glaskugel gibt nichts her.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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