Viele Jubilare im Jubiläumsjahr

Festredner Kurt Ertl (rechts) mit seiner Frau Birgit und Obmann Thomas Färber.
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Für die Schiedsrichtervereinigung Augsburg ist 2019 ein besonderes Jahr. Die Fußball-Referees feiern den 100. Geburtstag ihrer Gruppe. Zwei, die diesen Weg schon seit 50 Jahren mitgehen, wurden beim Ehrungstag der Schiris in der Neusässer Stadthalle jeweils mit einer Medaille in Gold ausgezeichnet: Rainer Batsch (Polizei SV) und Erich Bschorr (SV Bonstetten). Sie waren jene unter mehr als 400 Mitgliedern, die für die langjährigste Zugehörigkeit ausgezeichnet wurden. Jeweils seit 40 Jahren dabei sind Alexander Bleicher, Johann Breit, Mihajlo Cerveni, Georg Jung, Alfred Weilguni und Manfred Kranzfelder. Die ersten fünf Genannten wurden in Würdigung ihrer besonderen Verdienste zu Ehrenmitgliedern ernannt; Kranzfelder ist es schon.

Obmann Thomas Färber sagte, mit dem Ehrungstag beginne das Festjahr „hier und jetzt“. Ein reichhaltiges Jubiläumsprogramm habe man sich ausgedacht: Es reicht vom einem Playstation- über ein Hallen-Futsal-Turnier bis hin zum Familienfest, Teilnahmen am Zoolauf und am Plärrerumzug. Eine Blutspendeaktion steht genauso auf der Tagesordnung wie der Besuch von FIFA-Schiedsrichter Deniz Aytekin und ein dreitägiger Ausflug nach Innsbruck. Höhepunkt soll ein Festabend im Augsburger Textil- und Industriemuseum tim mit vielen Gästen Ende November sein.

„Wir verstehen uns als Integrator vieler unterschiedlicher Menschen. Unsere Zunft schaut nicht auf Größe, Geschlecht oder Rasse, sondern auf den Menschen, der im Schiedsrichtertrikot steckt“, sagte Färber. Im März vor 100 Jahren hätten sich die Gründungsväter zusammengetan, um Schwabens erste Schiedsrichtergilde aus der Taufe zu heben. Seitdem habe es 21 Obleute gegeben und mehr als ein Dutzend Referees aus Augsburg, die in den höchsten deutschen Spielklassen amtierten – allen voran, so Färber, der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Karl Riegg.

Dabei hätten die Augsburger Unparteiischen schwierige Phasen zu überstehen gehabt: Kriegszeiten, Zeiten ohne Telefon, Auto oder Fahrrad, Zeiten der Armut, Arbeitslosigkeit und Inflation, als Aufwandsnetschädigungen in Billionen Reichsmark erstattet wurden. Dunkel waren auch die Jahre des Dritten Reiches, als Spiele mit dem Hitlergruß eröffnet und bei nicht gefälligen Entscheidungen bisweilen von einem NS-Funktionär unterbrochen wurden.

„Man darf zurückblicken, soll es zu diesem Anlass auch. Aber wir wollen, ja wir müssen noch viel älter werden. Unsere Vereinigung wird nur dann erfolgreich sein, wenn jeder von uns mit offenem Herzen und Verstand nach vorne blickt“, führte der Vorsitzende aus. Es genüge nicht, sich auf die Schultern zu klopfen. Man müsse hart arbeiten und sich den administrativen und technologischen Herausforderungen stellen, um das Feld für die nächste Generation der Schiedsrichter zu bestellen. Färber an die Adresse der Jubilare, Ehrenträger, Vorstandsmitglieder und langjährigen Unparteiischen: „Ihr seid die wichtigsten Botschafter auf diesem Weg.“

Von einem ihrer größten Visionäre musste sich die Gruppe Anfang Dezember für immer verabschieden: Hermann „Mandi“ Güller. Der ehemalige DFB-Schiedsrichter, Obmann über 17 Jahre, Ehrenobmann und Träger der Karl-Riegg-Medaille Nr. 1 – der höchsten Auszeichnung, die die Vereinigung zu vergeben hat – starb im Alter von 84 Jahren. Er war 65 Jahre Schiedsrichter, Fußball sein Leben. Dank seines beruflichen Hintergrunds (Güller war Mitarbeiter bei der NCR) gelang es, dass die Augsburger Vereinigung bereits 1968 ihre Schiedsrichter per Computer einteilte. „Da wussten viele noch gar nicht, was ein Computer ist – Mandi schon“, betonte Färber. An den Verstorbenen und sein Vermächtnis wurde beim Ehrungstag besonders gedacht.

Einer der prominenten Vertreter der Augsburger Referees ist Kurt Ertl. Der Günzburger war Zweitliga-Schiedsrichter und langjähriger Assistent in der Bundesliga bis hin zur Champions League. Im Jahre 2000 vertrat er die deutschen Farben bei der Fußball-Europameisterschaft zusammen mit Dr. Markus Merk. Der 60-Jährige, seit 44 Jahren Schiedsrichter, hielt die Festansprache. Ertl stellt fest, dass sich eine allgemein zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Verantwortungsträgern in der Gesellschaft breit mache. Das betreffe auch den Fußballsport und seine Unparteiischen. „Ausschreitungen, Spielabbrüche und Übergriffe gab es auch in früheren Jahren. Längst jedoch nicht mit diesen Auswüchsen und in dieser zunehmend aggressiven Art und Weise“, so Ertl.

Längst würden auch im Amateurlager fehlerfreie Leistungen von den Referees erwartet – die Bundesliga und das internationale Geschäft lassen grüßen. „Dabei muss man selbst in Gefilden mit Videobeweis und einem Heer an Schiedsrichtern – sechs bis acht pro Spielleitung sind ja mittlerweile keine Seltenheit – immer mehr konstatieren: Die so oft geforderte fehlerlose Schiedsrichterleistung bleibt schlussendlich Wunschdenken.“ Er frage sich ernsthaft, wie es jemals möglich gewesen sei, große, brisante Spiele vor 70.000, 80.000 oder 90.000 Zuschauern zu dritt und ohne jegliche Hilfsmittel, außer Fahne und Pfeife, unbeschadet über die Bühne zu bringen, sagte der Festredner.

Nach seiner Ansicht ist Verantwortung übernehmen keine Frage des Alters, des Geschlechts oder der Herkunft. Ertl: „Die Liste der zu ehrenden Schiedsrichterjubilare zeigt eindrucksvoll: Gerade der Fußballsport und speziell die Schiedsrichteraufgabe besitzen die Kraft, Menschen zu integrieren.“ Unparteiische seien aktive Förderer und Garanten des Fußballsports.

Festredner Kurt Ertl (rechts) mit seiner Frau Birgit und Obmann Thomas Färber.
Familie Bschorr aus Bonstetten: Vater Erich (rechts) ist genauso leidenschaftlicher Schiedsrichter wie sein Sohn Wolfgang.
Bürgerreporter:in:

Georg Schalk aus Augsburg

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