"Als Oberbürgermeister ist man immer im Einsatz": Ein Interview mit Mathias Neuner

Bei der Amtseinführung
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In der Stichwahl am 25. März 2012 setzte sich Mathias Neuner (CSU) knapp gegen den Grünen-Politiker Ludwig Hartmann durch. Seit 1. Mai bekleidet Neuner nun das Amt des Oberbürgermeisters. Zeit für eine erste Bilanz. myheimat sprach mit dem Stadtoberhaupt über sein Amtsverständnis, die politische Legitimation von Bürgerentscheiden, die Situation der städtischen Finanzen und seine neue Rolle als "öffentliche Person".

myheimat: Herr Neuner, seit 1. Mai 2012 sind Sie Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Landsberg am Lech. Wie würden Sie selbst Ihr Amtsverständnis beschreiben? Sehen Sie sich eher als Moderator, Leitender Angestellter der Landsberg AG, Vorstandsvorsitzender eines modernen, kundenorientierten Dienstleistungsunternehmens oder Chef der Stadtverwaltung?
Neuner: Die Funktion als Oberbürgermeister ist sehr vielschichtig. Es ist wohl eine Mischung aus vielen verschiedenen Funktionen, die ich innehabe. Am wichtigsten ist mir aber der Teamgedanke. Als Einzelkämpfer kommt man nicht leicht voran, ich bin für die Vernetzung untereinander. Nur im Team können erstklassige Ergebnisse erzielt werden.

myheimat: In unserem letzten Interview sprachen Sie über Ihren tiefen emotionalen Bezug zu Landsberg sowie Kindheits- und Jugenderinnerungen, die Sie mit Ihrer Heimatstadt verbinden. Welche Gefühle beschlichen Sie, als Sie am 2. Mai 2012 vereidigt wurden?
Neuner: Freude und Respekt gleichermaßen. Es ist eine große Ehre, meiner Heimatstadt als Oberbürgermeister vorzustehen, aber ich bin mir auch bewusst, welches Gewicht mein Amt hat. Mit einem „nine-to-five job“ hat ein Oberbürgermeisteramt nichts zu tun.

myheimat: Nähern wir uns etwas Ihrem Politikstil und Politikverständnis. Die Forderungen nach mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung sind nicht erst seit dem Erscheinen der Piratenpartei auf der politischen Bühne in aller Munde. Als Stichwörter seien die Themen „Nichtraucherschutz“, „Stuttgart 21“ und „Hamburger Schulreform“ genannt. Es hat fast den Anschein, als hätten die Bürger das Vertrauen in die politischen Gremien bzw. Entscheidungsträger verloren. Was halten Sie grundsätzlich von dieser Form der Bürgerbeteiligung? Haben Volks- bzw. Bürgerentscheide eine höhere politische Legitimation als Stadtratsbeschlüsse?
Neuner: Ich halte Bürgerbeteiligung für sehr wichtig. Wir versuchen auch in verschiedenen Projekten wie etwa dem Stadtentwicklungsprojekt „Zukunft am Lech“ die Bürger unmittelbar mit einzubeziehen. Ich möchte auch mehr Transparenz durch moderne Kommunikation in den politischen Prozess bringen. Grundsätzlich sind Stadtratsbeschlüsse von vom Bürger legitimierten Vertretern verabschiedet, aber auch direkte Bürgerbeteiligung hat natürlich seine Begründung.

myheimat: Lassen Sie uns ein wenig über die einzelnen kommunalpolitischen „Brennpunkte“ sprechen und mit dem Hauptplatz-Umbau beginnen. Nach Ihrem Willen soll die Sperrung des Hauplatzes im Jahr 2013 nur von kurzer Dauer sein. So schnell wie möglich soll die Fahrt von West nach Ost auf der neuen Fahrbahn möglich sein. Bis wann wird dieser Wunsch realisiert sein?
Neuner: Die beauftragte Baufirma arbeitet sehr zügig und gewissenhaft, so dass wir verschiedene Bauarbeiten vorziehen können. Einen definitiven Termin möchte ich aber nicht nennen, weil Unwägbarkeiten immer mit einkalkuliert werden müssen.

myheimat: Eine „Dauerbaustelle“ bringt für die Geschäftswelt unweigerlich negative Begleiterscheinungen wie Straßensperrungen, Baulärm und schlechte Erreichbarkeit der Geschäfte mit sich. Was tut die Stadt, um diese negativen Folgen ein bisschen „abzumildern“?
Neuner: Wir haben einen Topf speziell für die Förderung von Aktionen rund um den Hauptplatz. Der Einzelhandel kann sich hier bewerben und wird entsprechend bezuschusst. Im Sommer werden beispielsweise samstags Bands auftreten, es gab eine Baustellenrallye, der Einzelhandel wirbt mit der Aktion „Die Aufmacher“, bei der Geschäfte gekennzeichnet werden, die am Samstag länger geöffnet haben.

myheimat: Welche vorläufige Bilanz der bisherigen Baumaßnahmen ziehen Sie?
Neuner: Die Bilanz ist durchwegs positiv. Wir liegen voll in der Zeit. Nun geht es dann an das Verlegen der Steine – ein wichtiger Schritt, der ein erstes Bild des neuen Hauptplatzes zeigt.

myheimat: Die Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt war Ihnen stets ein Anliegen. Sie kritisierten, dass es für Landsbergs Innenstadt kein „schlüssiges Konzept für Parken, Radfahren, Gehen und Busfahren“ gebe. Welche Schwerpunkte wollen Sie in diesem Bereich setzen?
Neuner: In der vergangenen Stadtratssitzung wurde bereits ein wichtiges Zeichen gesetzt: mehr Rechte für die Radfahrer durch die Öffnung eines Großteils der Einbahnstraßen. Außerdem wird die Fußgängerzone für Radfahrer geöffnet. Auch den ÖPNV stärken wir durch einen geplanten Viertel-Stunden-Takt und es wird ein Sammeltaxi geben.

myheimat: Kommen wir zu den städtischen Finanzen. Wie stellt sich die Haushaltssituation in Landsberg aus Ihrer Sicht dar? Sind Sie mit der vorgefundenen Lage „zufrieden“ oder stellen Sie Ihrem Amtsvorgänger ein schlechtes Zeugnis aus?
Neuner: Ich muss auf einer Grundlage aufbauen, die andere gelegt haben. Manches ist dabei sicher in der Vergangenheit in die Schieflage geraten. Wir sind dabei, die fehlenden Jahresabschlüsse nachzuholen. Mit dem neuen Stadtkämmerer Peter Jung arbeiten wir nun verschiedene Versäumnisse auf.

myheimat: Die Aufarbeitung der „Derivataffäre“ und die Erstellung der Jahresrechnungen werden ganz oben auf der Agenda des neuen Stadtkämmerers Peter Jung stehen. Wie wollen Sie ihn dabei unterstützen?
Neuner: Herr Jung genießt mein volles Vertrauen. Die Zusammenarbeit ist sehr eng. Wir haben regelmäßige Besprechungen und tauschen uns über alle wichtigen Vorgänge aus. Er hat meine volle Unterstützung.

myheimat: Sollte das Hantieren und Jonglieren mit modernen, hochkomplexen Finanzinstrumenten im öffentlichen Sektor nicht gänzlich unterbleiben?
Neuner: Moderne Finanzinstrumente sind legitim, wenn sie kommunalrechtlich abgesichert sind und nicht damit spekuliert wird. Es ist nicht alles „Teufelszeug“. Man sollte sich aber nie zu weit aus dem Fenster lehnen.

myheimat: Ein wichtiges Zukunftsfeld – auch in der Kommunalpolitik – wird eine zukunftsorientierte Energiepolitik sein. Sie setzen verstärkt auf Energieeinsparung und die Förderung regenerativer Energien. Wie sieht Ihr „Energiemix“ für die Zukunft aus?
Neuner: Ich setze auf einen gesunden Mix erneuerbarer Energien, auf eine CO2-freie, umweltgerechte und zukunftsweisende Energieversorgung. Mit den Landsberger Stadtwerken haben wir einen modernen Versorger.

myheimat: Sie sind bis 2020 als Oberbürgermeister gewählt. Nennen Sie drei konkrete politische Ziele, die Sie bis dahin verwirklicht sehen wollen!
Neuner: Die Ordnung der städtischen Finanzen. Die Attraktivität der Innenstadt beim Einkaufen und Wohnen erhöhen. Die Energiewende durch verbesserte Energieeffizienz und mehr Eigenenergieerzeugung im Stadtgebiet vorantreiben.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage. Sie üben das Amt des Oberbürgermeisters nun seit gut zwei Monaten aus. Inwieweit hat sich dadurch Ihr Lebensalltag bisher schon verändert?
Neuner: Meine Abende und Wochenenden sind ausgebucht. Und: Man wird erkannt, wenn man durch die Straßen geht. Aber da die Resonanz positiv ist, empfinde ich das als durchaus angenehm.

myheimat: Welche Unterschiede zu Ihrem vorherigen Beruf fallen Ihnen jetzt schon auf?
Neuner: Man ist als Oberbürgermeister eigentlich immer im Einsatz.

Interview: Joachim Meyer, Bildquellen v.l.n.r.: Thorsten Jordan, Robert Klinger, Thorsten Jordan, Redaktion

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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