Kunst-MARKT & Kultur-STAAT: Zur 60-Jahre/Werke-SKANDAL-Ausstellung in Berlin

Angela MERKEL besuchte in Begleitung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) die SKANDAL-Ausstellung "60 Jahre - 60 Werke"; links BILD-Chef DIEKMANN. Vor einem Bild von RAUCH.
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  • Angela MERKEL besuchte in Begleitung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) die SKANDAL-Ausstellung "60 Jahre - 60 Werke"; links BILD-Chef DIEKMANN. Vor einem Bild von RAUCH.
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Die Situation für die bildenden Künstler war und ist in DEUTSCHLAND eigenartig: In diesem Jahr feiert die Bundesrepublik Deutschland den sechzigsten Jahrestag des Inkrafttretens ihrer Verfassung. Zum Geburtstags-Jubiläum ist im Berliner Martin-GROPIUS-Bau vom 1. Mai bis zum 14. Juni die Ausstellung „60 Jahre, 60 Werke“ zu sehen. Initiator und Veranstalter ist die private „Stiftung für Kunst e.v. Bonn“ mit der „Bild“-Zeitung als Partner. In der Schau steht jeweils eine Arbeit für ein Jahr. Die Bandbreite der Werke reicht von Malerei und Grafik über Skulptur und Installation bis zur Fotografie. Die Schau provoziert.

Es ist eine Versammlung großer Kunst-MARKT-Namen. Aber sind es auch die großen Werke, die besten KünstlerInnen, die ausgestellt werden? Die Chronik der 60-Jahre/Werke-SKANDAL-Ausstellung (Jahre von 1949 bis 2009) mit zusätzlicher Bebilderung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung der BRD grenzt DDR-Kunst aus. Bazon BROCK will bei gemeinsamen Betrachtungen versuchen - täglich in einer „Besucherschule“ (à la documenta) -das Augenmerk auf historische Einflüsse zu lenken. BROCK hatte dieses kunstpädagogische Medium in den 60er Jahren entwickelt und verschiedentlich auf der Documenta und an anderen Orten erprobt. Neben einer Erläuterung der Werke werden die gemeinsamen Rundgänge ein besonderes Augenmerk auf zeit-, sozial- und gesellschaftliche Einflüsse legen.

Über sein Anliegen sagt Bazon BROCK: „Wieso glaubt man in wenigen Minuten Blickkontakt, in einer einzigen Theateraufführung und beim bemühtesten, aber nur stundenweisen Lesen vielschichtigster Texte den Anforderungen der Werke gewachsen sein zu können? Wo lernen wir als Publikum, dem Komponistenwerk, der Skulptur oder Malerei, dem Epos gerecht zu werden? Längst ist es an der Zeit, das Publikum genauso zu professionalisieren, wie wir das bisher an den Kunsthochschulen aller Sparten den Künstlern abverlangten! Wo Künstler Lehrjahre, Diplome und Staatsexamen ablegen, haben die Zuschauer, die Zuhörer, die Betrachter ihrer Werke wohl ähnliche Fähigkeiten auszubilden. Wo lernt man Diplom-Rezipient zu werden?“ (Quelle: GROPIUS-Bau.)

Mit der Masche einer „Top 60“-Liste der BRD-Kunst ohne OST-Kunst werden heftige Diskussionen provoziert. Das Argument, die BRD habe - im Gegensatz zur DDR - in Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) die FREIHEIT der KUNST garantiert, wird die KritikerInnen nicht verstummen lassen. Auch Klaus STAECK, der die Geschichte der BRD seit den frühen 60er Jahren mit seinen Plakaten satirisch-pointiert begleitet hat (heute Präsident der Berliner Akademie der Künste) darf am Rande der Ausstellung als „zeitgenössisches Phänomen“ eine Rolle spielen. STAECKs Kommentar: „Danke, dass mir als Nummer 61 die Ehre zuteil wurde, einen Platz außerhalb der vorgegebenen Sitzordnung einzunehmen. Ich sitze seit jeher lieber zwischen den Stühlen.“

In DEUTSCHLAND (West & Ost) sind heute KULTUR und KUNST fast vollständig vom Staat, d. h. einer sehr kleinen Gruppe von Politikern, abhängig. Mehr als 90% der Kulturausgaben werden aus staatlichen Haushalten (Gemeinden, Länder, Bund) finanziert. Die Politiker geben das Geld der Steuerzahler oft für Projekte aus, die nicht das Interesse des allgemeinen Publikums finden (Orchester, Theater, bildende Kunst). Der Steuerzahler kennt diese Kunst oft gar nicht oder lehnt sie ab und findet manches sogar abscheulich. Der demokratische Staat finanziert mit dem Geld der Mehrheit einen KUNSTBETRIEB, den diese Mehrheit oft gar nicht haben möchte. KUNSTGESCHMACK wird von mächtigen Machern für allgemeinverbindlich erklärt und KULTURPOLITIK mutierte zu einer Art „Erziehungs-DIKTATUR“. Die TRENNUNG von STAAT und KUNST-UND-KULTUR-Betrieb ist so wichtig wie die Trennung von Staat und Religions-Betrieb (Kirche).
Man macht sich Gedanken darüber, ob es gerecht ist, wenn über das Steuersystem Gering-Verdienende gezwungen werden, die Kunst-Konsumtion von Gut-Verdienenden zu finanzieren. Über die Praxis der staatlichen Kunst-Pflege in BRD und DDR sollte man sich angesichts der Berliner 60-Jahre-SKANDAL-Ausstellung Gedanken machen: In Deutschland WEST und OST gab und gibt es einen Zusammenhang zwischen den finanziellen Interessen der STAATSKÜNSTLER und ihrer meist ideologisch geprägten Weltanschauung.

KRITIK an der SKANDAL-Ausstellung üben auch die überregionalen MEDIEN: Dies brachte ich schon im ZEIT-Online-Artikel zum Ausdruck (1). Die TAZ befürwortete das Privatunternehmen DIEKMANN & SMERLING unverständlicherweise. Dank sagen muss man dem TAGESSPIEGEL für den guten Artikel zur „fragwürdigen Jubelausstellung“:

So ist es, in Berlin wird „Trennung zwischen Ost und West erneut zelebriert“.

Künstlerische Errungenschaften auf der Basis des Paragraphen 5, Absatz 3 des Grundgesetzes als Hommage an die Kunstfreiheitsgarantie zu feiern und DDR-Kunst auszublenden, ist tatsächlich ein SKANDAL. Die Schlussfolgerung von Walter SMERLING, dessen Bonner Stiftung Kunst und Kultur die Schau organisierte, wird vom Autor des Tagesspiegel zu Recht als „bornierte Haltung“ kritisiert! Man wundert sich, dass namhafte „pensionierte westdeutsche Museums- und Feuilletongranden“ dem Projekt zugestimmt haben. Die nur scheinbar offizielle private Jubiläumsschau wurde aufgewertet durch Angela MERKELs Besuch zur Eröffnung.

Zu DIEKMANN als Kurator und BILD sowie den 60 STAATs-Künstlern der BRD (ohne DDR-Kunst) und der Kunstfreiheitsgarantie (GG Art. 5 Abs. 3) hat dpa verbreitet: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei", dies habe Kuratoriumssprecher Walter SMERLING betont. Die DDR habe freie Kunst unterdrückt. „Es geht hier nicht um Staatskunst", behauptet der „Sprecher“ der Schau Peter IDEN (früher FR-Kunstkritiker) unkritisch zur Schau, die folgende Kuratoren hat: Prof. Dr. Götz Adriani, Dr. Robert Fleck, Prof. Dr. Siegfried Gohr, Prof. Peter Iden (Sprecher), Susanne Kleine, Ingrid Mössinger, Prof. Dr. Dieter Ronte, Dr. Frank Schmidt, Dr. h.c. Walter Smerling (Sprecher).
Die Bundeskanzlerin hatte sich auf etwas eingelassen, das gar nicht ihr Ding zu sein scheint: Dass MERKEL sich zur Eröffnungsveranstaltung nur vor einem RAUCH-Gemälde ablichten ließ, hat symbolischen Charakter. Kurator SCHMERLING, der Finanzier RWE sowie die „BILD“-Zeitung“ (= Medienpartner) fand und 100.000 Euro vom Staat bekam (Unterstützung des Bundesministerium des Innern), ist zu Recht für den AUSSCHLUSS der OST-Kunst angegriffen worden.

Die Kanzlerin sollte wissen, dass es in BRD & DDR auch Persönlichkeiten gab und gibt, die die deutsche Kunst- und Kulturlandschaft entschieden mitpräg(t)en, aber nicht KUNST-MARKT- und STAATS-Künstler sind. Die als Unabhängige Großes leisten.

Die private aber öffentlich subventionierte Berliner Schau profitiert von dem unterstützenden Auftritt von Kanzlerin Angela MERKEL zur Eröffnung. Man könnte glauben, MERKEL unterstütze unkritisch die HOMMAGE an Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes, der die FREIHEIT der KUNST garantieren soll. Glaubt die Politikerin denn, die Auswahl von Kunst & Künstlern zur 60-Jahre Skandal-Schau sei im Geiste des Grundgesetzartikels 5, Absatz 3 getroffen worden? Wieso eigentlich mischt sie beim Privat-Unternehmen mit? Hat Frau MERKEL doch dazu beigetragen, dass BEUYS „richtig“ vertreten ist: Als sie in Prag Nicolas SARKOZY traf, bat sie ihn um einen ungewöhnlichen Gefallen: Ob er nicht den filzbezogenen Beuys-Flügel aus dem Centre Pompidou für die Ausstellung herleihen könnte. Überrascht von der Bitte sagte er sofort zu. „Geb' ich dir, gibst du mir. Wer weiß, wozu solche kleinen Nettigkeiten mal gut sein können!“ interpretiert der STERN (Anja LÖSEL) den Gefallen.

MERKEL sollte wissen, KUNSTFREIHEITS-GARANTIE bedeutet, dass ein freiheitlicher Staat, dessen Bürger immer ganz unterschiedliche Weltanschauungen haben werden, keine von ihnen bevorzugen oder benachteiligen darf. PRIVAT-Personen steht es frei, wofür sie ihr Geld ausgeben. Der STAAT hingegen muss in KUNST-Fragen NEUTRAL sein!

Zur SITUATION der OST-KUNST/KünstlerInnen von damals, die man in Berlin heute ausgrenzt

Eine Kölner „WEST-KUNST“-Riesen-Ausstellung konnte die Frage, was DEUTSCH an deutscher Kunst der Moderne sei, 1981 nicht beantworten. Klaus STAECK verteilte damals „West"-Zigaretten mit einem „Kunst"-Überkleber, der WEST-Kunst als ein „Gemeinschaftsprodukt von Bauindustrie, Transportunternehmen, Versicherungswirtschaft und Kunsthandel" deklarierte. (Vgl. Petra KIPPHOFF in DIE ZEIT Nr. 24 v. 05.06.1981: „Auf dem Rangierbahnhof der Thesen“). In der DDR integrierten sich Kunstschaffen und Alltagskultur NICHT so selbstverständlich wie in der damaligen BRD; mit westlichem, internationalem Kunst- und Lebensstil.
Das Sein von Internationalismus und Freiheit zu vermitteln, wurde OST-Künstlern verwehrt: Der DDR-Staat prägte die Rolle und das Erscheinungsbild von Malerei und Bildhauerei. KUNST hatte der Selbstdarstellung der SOZIALISTISCHen Gesellschaft dienlich zu sein. Die großen Dresdner Kunstausstellungen, die 1946 bis 1988 zehnmal organisiert wurden, gaben die Richtung eines „SOZIALISTISCHen Realismus“ vor. Die Arbeit der DDR-KünstlerInnen war durch die pflichtgemäße Mitgliedschaft im „Verband bildender Künstler“ einer ständigen KONTROLLE ausgesetzt. Die 3. Kunstausstellung der DDR 1953 in Dresden proklamierte die Kunst in der DDR als volksverbunden, parteilich, lebensecht und optimistisch. Mit einer Kampagne sollte die freie Entfaltung der Kunst gestoppt werden. Nachzulesen im WEB über „Bildende Kunst“ in der DDR: http://www.mdr.de/damals/...

Im Gegensatz zur Situation des Kunstbetriebs im WESTEN (BRD) gab es im OSTEN (DDR) keinen privaten KUNSTHANDEL. Die Partei steuerte die Kunstproduktion zentral durch öffentliche Aufträge; ein wirksames Instrumentarium, um die Künstler zu disziplinieren und auf parteiliche Richtlinien festzulegen. Museen und Parteiorgane, die Volksarmee, Betriebe und vor allem der FDGB vergaben Aufträge an die DDR-Künstler.

Im OSTEN dominierte PARTEI-Macht als STEUERUNGs-Medium „künstlerische Freiheit“ (Partei als politischer Kader), im WESTEN hingegen war und ist das STEUERUNGs-Medium der MARKT bzw. GELD, das auch aus öffentlichen Subventionen kommt (siehe „documenta“-Ausstellungen und (1)). Trotz Kunstfreiheits-Garantie des GG im Westen resultierten die soziale Position von Künstlern bzw. von Kunst und Kultur und die Entwicklung einer spezifischen ÄSTHETIK in den beiden Systemen BRD & DDR kulturell-evolutionär aus ihren Beziehungen zu diesen zentralen STEUERUNGs-Medien. In der DDR war die Künstler-Existenz nicht von MARKT-Vorgängen abhängig. Das existenznotwendige Einkommen war durch den DDR-Verfassungs-Grundsatz des RECHTes auf ARBEIT und durch ein öffentliches Beschäftigungs-Programm (Anstellungen, Aufträge) gesichert.

Erst nach der Ausbürgerung Wolf BIERMANNS (November 1976) wurde im DDR-„Kunstbetrieb“ ein neuer liberalerer Kurs gefahren: „SED-Kulturpolitiker erklärten nun, Kunst ließe sich nicht allein auf ihre ideologische Funktion reduzieren. Man musste Einsicht zeigen, denn die bis dahin protegierte Propaganda-Kunst habe nicht zu den gewünschten Ergebnissen der Agitation geführt.“ (MDR-Lexikon ebenda.) Mit der bisherigen Verfemung origineller, vielschichtiger und vieldeutiger Kunst drohte das künstlerische Leben in der DDR zu veröden. Ende der 70er Jahre kam es wieder zu verstärkten AUSREISEN in den WESTEN: „Neben Verhaftungen, Auftritts- und Publikationsverboten, wendeten viele Künstler freiwillig oder unfreiwillig der DDR den Rücken“; so auch der Maler Ralf WINCKLER - alias A.R. Penck, der in der Berliner Skandalausstellung gezeigt wird. Er wurde 1980 während eines West-Aufenthaltes von den DDR-noch-Machthabern ausgebürgert.

Zur SITUATION der WEST-KUNST/KünstlerInnen der BRD, die man in Berlin heute feiert, wobei die GG-KUNSTFREIHEITS-GARANTIE als Alibi dient.

Die „Kultur-Schaffenden“ der DDR mussten sich damit abfinden, dass im OSTEN die KULTUR-HOHEIT beim STAAT lag, dem die Inhalte für die Kultur von der Partei vorgegeben wurden. Und: „Entweder in Partei oder Staat oder in beide ist die Kultur materiell und ideologisch eingebunden als sinnfälliger Ausdruck der sozialistischen Utopie und als Erziehung zu ihr“, schreibt Albrecht GÖSCHEL (2). Die westliche, bundesrepublikanische Konstruktion sei dem genau entgegengesetzt meint der Autor. Nicht, weil Kunst und Kultur im Kulturstaats-Paradigma keine zentralen, moralischen Inhalte und Dimensionen zugebilligt werden: „Die Formulierung moralischer Kategorien kann (…) nach westlichem (Staats-)Verständnis nur aus vorstaatlichen, bürgerschaftlichen Zusammenschlüssen erfolgen, nicht von einem Kader, der zur Durchsetzung seiner Ziele oder seiner Idee von der sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft Staat instrumentell einsetzt.“

Der STAAT könne äußerstenfalls die rechtlichen und materiellen Rahmen-Bedingungen liefern und sichern, die notwendig sind, damit sich der demokratische, außerstaatliche Willensbildungs-Prozess auch im Bereich der KULTUR als „Dimension der moralischen Selbstvergewisserung“ vollziehen kann. Daher liege KULTUR-HOHEIT im WESTEN bei der vorstaatlichen Körperschaft der Kommune, zu deren politischer Autonomie entscheidend die KULTURPOLITIK-Autonomie gehöre, sagt GÖSCHEL. Die Kulturhoheit des Staates, d.h. der Bundesländer und nicht des Bundes, sei aus der Idee einer „Schutzfunktion“, nicht einer „Steuerungsleistung“ für Kunst und Kultur abgeleitet.
In einem „Offenen Brief“ zum Fall „KIEFER & Börsenverein“ habe ich über „KUNST-MARKT-Künstler als friedfertige friedensstiftende Staatskünstler?“ u.a. geschrieben: In der Medienwelt und im Kunstbetrieb hochgepriesene KUNST-MARKT-Künstler wie Gerhard RICHTER („dessen Bilder zum RAF-Terror die Öffentlichkeit beschäftigten“; der auch ein HITLER-Porträt malte), Joseph BEUYS („als Vordenker der ökologischen Bewegung“; Macher der Alles-ist-„KUNST“-Bewegung, von der These „Jedermann ist Künstler!“) hätten es – nach Ansicht von Henning RITTER (FAZ v. 05.06.) – auch verdient, Friedenspreisträger zu werden. KIEFER ist nicht unumstritten. Die fragwürdige und undurchsichtige Entscheidung (Begründung) des Deutschen Buchhandels für Anselm KIEFER („Selbstdarstellung mit Hitlergruß“ als „Experiment“), bereitet indessen vielen Bauchschmerzen: „Es gibt in der Begründung der Preisverleihung einen Satz, der einem vollends die gute Laune an der Entscheidung nehmen kann“: „‚Anselm Kiefer erschien im richtigen Moment, um das Diktat der unverbindlichen Ungegenständlichkeit der Nachkriegszeit zu überwinden.’ Das hat nun mit Friedensgedanken gar nicht mehr zu tun, sondern damit, das Pfund Friedenspreis in die Auseinandersetzungen um abstrakte und avantgardistische Malerei werfen zu wollen“ (so KNIPPHALS in der TAZ v. 05.06. richtig).

Unerträglich, dass insbesondere die Parade der Marktführer – politische „Kraftnaturen“ mit „Obsessionen“ wie KIEFER (FAZ) – mit Staatskunst-Formaten vom KULTUR-Staat der BRD gefördert werden. Die DDR förderte Staatskünstlers als Propagandisten (TÜBKE, HEISIG, MATTHEUER und SITTE), in der BRD haben sich staatstragend z. B. „Genie“ M. LÜPERTZ (BGH-Bau Karlsruhe, Bundesadler / Hofkunst Bundeskanzleramt), Politrebell J. IMMENDORFF („Ahnengalerie“ Kanzleramt, Gold-SCHRÖDER-Porträt) sowie KIEFER (Sammlung Bundeskanzleramt) etabliert. Österreich hat Hermann NITSCH, die BRD Herrn KIEFER als Staatskünstler. 1989 wurde der vom Rat der Städelschule in Frankfurt zum ordentlichen Professor vorgeschlagene NITSCH vom hessischen Kunstminister Wolfgang GERHARDT (FDP) abgelehnt (Medienaufstand gegen NITSCHs Aktionskunst). Denken wir zurück: 1934 bot Venedigs Biennale HITLER eine Polit-Bühne (u. a. mit „Führer“-Büste von F. LIEBERMANN, THORAK-Skulpturen). In faschistischer Machtdemonstration des NS-Regimes wurde 1938 und 1940 der Propaganda-Künstler BREKER im Deutschen Pavillon auf der BIENNALE gefeiert. „Entarte Künstler“ („Blauer Reiter“, „Brücke“, Bauhaus) stellten erst später im „deutschen Bau“ aus. KIEFER war 1980 auf der Biennale vertreten (BIENNALE-Preis 1997).

In einem EPILOG zum „Öffentlichen Brief“ formulierte ich zu „KÖHLERs DEMOKRATIE-Appell und das Staatsziel KULTUR“:

Der Bundespräsident fordert in seiner „Berliner Rede 2008“ eine „Vitalisierung unserer DEMOKRATIE“. Ernst zu nehmen sei die zunehmende Politikverdrossenheit. Horst KÖHLERs Mahnruf ‚Mehr Demokratie wagen‘ wird von ihm untermauert: Es „wächst in Deutschland Verdrossenheit über die Art und Weise, wie unsere DEMOKRATIE funktioniert.“ (…) Wer ein demokratisches Amt innehat, sollte im Dialog mit der Öffentlichkeit Kritik aufnehmen und ihr auf den Grund gehen. (…) Berechtigte öffentliche Kritik (…) kann auf Dauer weder ignoriert noch gesundgebetet werden (…). Was ich den DEMOKRATIE-Verdrossenen sagen möchte: Es ist auch Eure DEMOKRATIE, also helft bitte mit (…).“ In Sachen „Documenta-DEMOKRATISIERUNG“ schrieb mir Herr KÖHLER, er müsse davon absehen, sich zur Frage der documenta-Reform zu äußern. „Diese Frage ist keine Entscheidung des Mutes, sondern eine Frage des Amtsverständnisses des Bundespräsidenten.“ (www: „Verrisse-Mahnmal“ zur BUERGELiade! – LINK meiner Homepage.) Anzumerken ist, dass Horst KÖHLER bei seinem Besuch der documenta12-Ausstellung vor Journalisten einen an die Institution documenta gerichteten mahnenden und beschwörenden Aufruf zur KUNSTFREIHEIT ausgesprochen hat: „Kunst heißt sich auszudrücken, ohne Zwang, frei zu sein. Dafür müssen wir eintreten, um uns den Wert der Kunst zu erhalten.“ (dpa 16.06.07.)

WICHTIG: Verankerung der KULTUR als STAATSZIEL im Grundgesetz der BRD

Es bedarf der Klausel für die KULTUR im GG der BRD. Der Rechts- und Sozialstaat definiert sich endlich auch als KULTUR-Staat. Durch das Bekenntnis des Staates BRD zur KULTUR wird die KULTUR aufgewertet und bei der politischen Auseinandersetzung um Fördermittel gegenüber anderen Aufgaben gestärkt. Für Prof. Dr. Friedhelm HUFEN – Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht – ist mit dem Staatsziel KULTUR „keine unmittelbare Anspruchswirkung“ gegeben, aber man habe „eine Wirkung eben als Ziel. Die Formulierung ’schützt und fördert‘ ist ein Auftrag, ist ein Pflegeauftrag für die Kultur, und da gibt es auch ganz andere Kräfte in dieser Gesellschaft, die ihre Ziele haben, aber die Künstler und Kulturschaffenden werden hier in diesem Sinne gestärkt“ (www.dradio.de/dkultur 2007). Zu HUFENs Stellungnahme als Sachverständiger zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel KULTUR) vgl. www.bundestag.de (2007).

JA (!), wir brauchen ein Grundgesetz (GG), dem der Satz zugefügt wird: „Der Staat schützt und fördert die KULTUR“! Dass eine Bundestags-Mehrheit – gestützt durch die Enquetekommission KULTUR – das „Staatsziel KULTUR“ ins GG aufnehmen will, ist GUT so. Die Verfassung unseres Staates hat vor allem ein Ziel: den Bürger vor Eingriffen des Staates in seine Freiheitsrechte zu bewahren. Richtig: Von besonderem Gewicht für unsere Frage ist GG Artikel 5 Absatz 3, der der KUNSTFREIHEIT den höchsten Rang und die höchste Würde zugesteht: es ist das einzige Grundrecht, das schrankenlos formuliert ist („KUNST ist frei“). Wie sich das Ländermonopol für KULTUR aus „Liebe zur Kultur“ in HESSEN beispielsweise (ohne Wirkung, negativ) ausgewirkt hat, zeigt sich überdeutlich am „FALL documenta“: Vgl. HUFEN, Friedhelm: Muß Kunst monokratisch sein? Der Fall documenta, in Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Heft 17/1997 S. 1177-1179. (Siehe auch (1).)

In fast allen Landes-Verfassungen sind der Schutz, die Pflege und die Förderung von Kunst und Kultur eine staatliche Aufgabe von Verfassungsrang. Das Vorhandensein einer KULTUR-Staatsklausel in der Landesverfassung erwies sich bei Juristen in HESSEN als belanglos: bedeutungslos-irrelevant im „Fall documenta“; vor Gerichten wie VG, VGH, LG, OLG und Staatsanwaltschaft. Die Verankerung der KULTUR als Staatsziel im GG stützt, was das Bundesverfassungsgericht 1970 festgehalten und 2002 erneut unmissverständlich formuliert hat: „Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt die Verfassungsnorm des Artikels 5 Abs. 3 dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“?

Dass bald Gerichte über KULTUR entscheiden, nicht mehr gewählte Politiker – davor hat der Staatsrechtler der Universität Hamburg, Ulrich KARPEN, in einem Gutachten für die Enquete-Kommission gewarnt: Eine „Entparlamentarisierung“ und „Leitkultur“ drohe durch das Staatsziel KULTUR: „Wenn eine Kulturstaatsklausel drin steht, dann – darauf wette ich – dauert es höchstens ein Jahr, bis ein Künstler klagt: ‚Ich bin ein bedeutender Künstler, ich habe eine hübsche Plastik gemacht, ich möchte Unterstützung haben. Ich mache Musik, ich möchte eine Oper schreiben, der Staat muss mir eine Grundsicherung geben‘“, glaubt KARPEN. Würde Prof. KARPEN die Materialien (Akten) zum „Fall DOCUMENTA“ studieren (art-and-science.de), wäre dieser GLAUBE zu widerrufen. Das Staatsziel-Vorhaben wird seitens der KUNST-Schaffenden unterstützt. Wenn auch die Klausel keinerlei direkte Vorteile für die Förderung der Künste brächte, werde sie wenigstens als Auslegungshilfe für Gerichte und Verwaltungen dienen.

Selten brauchte KULTUR & KUNST den Staatsschutz mehr als heute, aktuelle Politik müsse sich „vor solchen in der Verfassung verankerten Staatszielen immer neu rechtfertigen“ – so THIERSE; das Staatsziel sei „nicht bloß Lyrik“, es habe „Wirkung“. Vom neuen Artikel 20 b des Grundgesetzes, könnte die KULTUR nur profitieren, meinte der Staatsrechtler M.- E. GEIS, der die Formulierung „der Staat schützt und fördert die Kultur“ geprägt hat.

„Für viele ein eitles Affentheater“, kommentierte ttt (titel thesen temperamente) die GROPIUS-Bau-Ausstellung. Ein Mitschnitt der Sendung vom 03.05.09 (www.DasErste.de/ttt) belegt folgendes zum repräsentativen Anspruch der staatstragenden Skandal-Ausstellung, die sich bewusst auf Artikel 5 des GG, Abs. 3 bezieht. Die nicht als Private erschienene Frau Merkel sagte in ihrer Rede: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." Sie fügte als Kanzlerin (fsubjektiv-fehlerhaft) hinzu: „Und das war die Grundlage dafür, dass die Kunst entstehen konnte, die hier gezeigt wird.“ Eine durch Kunst-MARKT-STEUERUNG und STAATs-Gelder (s.w.o.) subventionierte (angebliche) „Parade von Spitzenwerken“ (IDEN in Das Erste). MARKT-„Genie“ LÜPERTZ konnte sich bei ttt in mehreren Sequenzen in Szene setzen.

Literatur

(1) HAHN, Werner (2009): 60 Jahre BRD-STAATs-Künstler, KUNSTFREIHEITs-Garantie und Kunst-MARKT-Führer. In: ZEIT Online v. 03.05.09.

(2) GÖSCHEL, Albrecht (1994): Verlassene „Strecke“ und enttäuschendes „Erlebnis“. Kulturelle Perspektiven im vereinten Deutschland. In: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen Forschung 17 (1994) 34. Auch in: Deutscher Kulturrat 1994.

Bürgerreporter:in:

W. H. aus Gladenbach

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