Die Blattern-Krankheit wirft ein Schlaglicht auf die medizinische Versorgung in der Kurfürstenzeit in Bayern

Kurfürst Max III. Joseph 1727-1777. Quelle: Museum im Wittelsbacher Schloss in Friedberg.
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  • Kurfürst Max III. Joseph 1727-1777. Quelle: Museum im Wittelsbacher Schloss in Friedberg.
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Jetzt, wo wir selbst einer unheimlichen Seuche gegenüberstehen und Hilflosigkeit spüren, können wir uns einfühlen in Sorgen und Ängste früherer Generationen vor ansteckenden Krankheiten.
Genaueres über Seuchen, wie z. B. die Blattern, während der Kurfürstenzeit ist in Friedberger Archivalien zwar kaum zu finden, doch der Leser erhält beim Durchforsten durchaus interessante Einblicke.

Bader fungierten als "Wund-"Ärzte

So wandten sich die Bürger bei Krankheit an die Bader. In den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts gab es drei Bader, aber keinen Arzt. Gefährliche Krankheiten, die nicht näher bezeichnet sind, bedrohten damals die Stadtbewohner. 1686 wurde sogar außerhalb der Stadtmauern ein Krankenhaus bei St. Stephan eingerichtet. Der Stadtrat beauftragte die drei Bader, sich um die erkrankte Bürgerschaft zu kümmern und sie mit den nötigen Arzneien zu versorgen. Dafür brauchten sie in dieser Zeit keine Steuern zu bezahlen oder Scharwerk, also Arbeiten, zu leisten. Der Bader Andreas Lämpl war nicht der einzige, der als Wundarzt tätig war. Wundärzte durften chirurgische Eingriffe vornehmen. Dazu zählten die Behandlung von Knochenbrüchen, auch das Zahnziehen. Sie hatten hierzu eine handwerkliche Baderausbildung. Grundsätzlich war es ihnen nicht erlaubt, Innere Medizin zu betreiben, die nur den akademischen Ärzten vorbehalten war.

Hochnäsige akademische Ärzte und Kurpfuscher

Ein gelehrter Arzt vor Ort hätte es sich verbeten, ihm in die Kur zu pfuschen. Ein „Kurpfuscher“ führte also eine Behandlung durch, zu der er nicht berechtigt war.
Überhaupt hatten Ärzte mehrmals in der Vergangenheit massiv auf Kurfürst Max III. Joseph (ab 1745 Kurfürst von Bayern) eingewirkt, um die vollständige Kontrolle im Gesundheitswesen zu erreichen. Für sie galt Heilung außerhalb der studierten Medizin als Pfuscherei und Aberglauben. Apotheker, Bader, Wanderheiler, Arzneiverkäufer, alle die Personen, an die sich das Volk bei Krankheiten wandte, gerieten in ihren Berichten in ein schlechtes Licht. Doch der Kurfürst misstraute der medizinischen Wissenschaft. Wie oft hatten Ärzte bei einem Patienten völlig unterschiedliche Diagnosen gestellt und verschiedene Heilmethoden vorgeschlagen. Er hatte dies besonders am Krankenbett seines Vaters, Kaiser Karl Albrecht, erlebt. Die Ärzteschaft konnte auch nicht leugnen, dass die Volksmedizin durchaus Heilerfolge aufzuweisen hatte. Und so blieb es bei einem Nebeneinander von Volksmedizin und akademischer Medizin, wobei letztere sicherlich einige Auswüchse der Pfuscherei beseitigen konnte.

Der Kurfürst und seine Zweifel an der studierten Ärzteschaft

Wenn man die Umstände, die zum Tod Max III. Joseph führten, bedenkt, dann waren seine Zweifel an der studierten Ärzteschaft mehr als berechtigt. Anfang Dezember 1777 hatte der Kurfürst über Brustdrücken geklagt. Nach Tagen zeigten sich rote Flecken an den Körperöffnungen. Die Ärzte stellten widersprüchliche Diagnosen. So entschied sich der Kurfürst auf Anraten seiner Gemahlin Maria Anna von Sachsen für den derben Dr. Sänftl, weil er bei ihm einen gesunden Menschenverstand vermutete. Ein folgenschwerer Irrtum.

Kurfürst erkrankt an den gefürchteten Pocken

Inzwischen war ein Kammerknabe an den Pocken erkrankt. Auch beim Kurfürsten zeigten sich die typischen Hautbläschen, die als Pocken oder Blattern bezeichnnet werden. Es kam zu Komplikationen und Entzündungen. Sänftls Diagnosen und unverschämten Reden wagte niemand am Hof des bayerischen Kurfürsten zu widersprechen. Am 30. Dezember verlangte der schwer atmende Kurfürst nach dem Beichtvater. Sänftl versuchte dies zu verhindern, allerdings erfolglos. Es bestünde kein Anlass zur Sorge, behauptete er. Noch rechtzeitig mit den Sterbesakramenten versehen, verstarb der im Volk beliebte Kurfürst noch am gleichen Tag. Sein Arzt hatte sich beizeiten aus dem Staub gemacht.
Die Tage im Dezember 1777 waren kein Ruhmesblatt für die akademischen Ärzte um den Kurfürsten.
Man wusste, dass die Blattern ansteckend waren und tödlich verlaufen konnten. Es konnte jeden treffen. Bei überstandener Krankheit entstellten zeitlebens hässliche Pockennarben vor allem das Gesicht. Erstaunliche Heilungschancen versprachen die gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten Kuhpockenviren als Impfstoff gegen humane Pocken. Das Königreich Bayern war das erste Land überhaupt, das im Jahr 1807 eine Impfpflicht einführte.

Bürgerreporter:in:

Regine Nägele aus Friedberg

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